Herr über dreißig Kubikmeter Meer

Im Hamburger Troparium hält die Mördermuschel den „Korallenmenschen“ Uwe Richter auf Trab. Der führende Riff-Aquarist schuf ein einzigartiges Biotop hinter Glas

Das Grauen für Uwe Richter ist weiß. Plötzlich ist es da – in der Dämmerung oder nachts. Keiner kann sich ihm entziehen. Tritt die gefürchtete Trübung auf, so wird Richter, Leiter des Tropariums bei Hagenbeck, auch nachts alarmiert. Dann wirft er sich in seine Arbeitskleidung und rast mit innerem Blaulicht von seiner Hamburger Mietwohnung in den Stadtteil Stellingen. Es geht um Minuten. Denn wenn die Mördermuschel ihre Samen ins Seewasser pumpt, läuft der Eiweißabschäumer über, verkleben Filter, verstopfen Kiemen, erschlaffen Tentakel und stellen Zooxanthellen ihren Stoffwechsel ein. Tod durch Spermien. „Aquarien sind ein Eiertanz“, sagt Richter.

Der Mann mit der Khaki-Uniform und der Nickelbrille weiß, wovon er spricht. Seit sein Großvater ihn in die Geheimnisse der filterfreien Koexistenz von Guppys, Plankton und Wasserpflanzen einweihte, ist seine Liebe zum nassen Element nie verdunstet. Dabei ist er in alle Tiefen der Aquaristik getaucht. Zuletzt hat er den sechs Meter langen Querschnitt durch ein Saumriff hervorgezaubert, mit Riffkante, Riffdach und Lagune, mit Ebbe- und Flutsimulation, mit Brandung, 90 Arten Steinkorallen, zehn Arten Weichkorallen und 20 Fischarten in farbiger Lebendigkeit.

Meerwasseraquarien – das waren, als Richter 1969 die Leitung des Tropariums übernahm, „bunte Fische und tote Gerippe“. Korallen kannte man als schmucke Kalksteine, die in der Wohnzimmervitrine standen. Hier und da setzten sich zahlungskräftige Privatleute eine lebende See-Anemone ins Becken – mit kümmerlichem Erfolg. „Man muss Autodidakt sein“, fasst der einzige nicht-akademische Troparienleiter in Deutschland seine Erfahrungen zusammen. Denn die entscheidenden Impulse beim Aufbau des Riff-Aquariums hat Richter seinen Niederlagen zu verdanken.

Das Hagenbeck-Troparium beherbergt neben den Wasserwelten eine Schar tropischer Echsen, Riesenschlangen, Schildkröten und Kleinkrokodile nebst Leguanen und Fröschen. Den Übergang zum Meer bildet eine Tidezone, in der sich der Schlammspringer tummelt. Mehr als die Hälfte des Raums aber nehmen die Aquarien ein. Unter ihnen gibt es vier mit Süßwasser gefüllte, wo auch Piranhas ihre Zähne zeigen. Die übrigen acht großen Becken enthalten Seewasser. In den meisten von ihnen leuchten Korallen: röhrenförmige Polypen, die sich zu Gemeinschaften gruppieren. Richter gibt an, dass Hagenbeck durch ihn zum Vorreiter in der Riff-Aquaristik geworden ist, eine Tatsache, die leider nur von Fachleuten recht gewürdigt wird. Denn Publikum und Presse wollen die Piranhas sehen. „So was nervt“, gesteht Richter.

Seine explosiven Energien hat der 55jährige zu zähmen gelernt. Er kontrolliert sie wie die Wassertemperatur. Sein Kühlmittel ist Korrektheit. Er hält die Hände still, wenn er spricht, und schweigt, wenn er mit Schlauch und Pumpe hantiert. Erwähnt er den Namen eines Aquarienbewohners, so nennt er auch dessen wissenschaftlichen Nachnamen. Im Spind steht die Fotoausrüstung, mit der jedes Ereignis dokumentiert wird. Auf diese Weise signalisiert der Mann, dass er alles im Griff hat. Ein Profi, der mit der Peitsche knallen, aber auch ein Zuckerbrot verteilen kann.


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mare No. 6

No. 6Februar / März 1998

Von Manfred Goldbeck und Stefan Pielow

Manfred Goldbeck, geboren 1947, arbeitet als freier Journalist in Hamburg.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.

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Vita Manfred Goldbeck, geboren 1947, arbeitet als freier Journalist in Hamburg.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Von Manfred Goldbeck und Stefan Pielow
Vita Manfred Goldbeck, geboren 1947, arbeitet als freier Journalist in Hamburg.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Von Manfred Goldbeck und Stefan Pielow