Hart, aber gerecht

Professor Gotthilf Hempel – die deutsche Meeres- und Polarforschung in Person. Ein kritischer Geist gegenüber seinen Nachfolgern und Kollegen

Ein Poseidon ist er nicht so ganz. Vielleicht, dass sein Gesicht eher von ausgedehnten Seereisen als von Schreibtischarbeit gezeichnet ist. Weit über tausend Tage auf hoher See hat er gezählt. Doch für einen Meeresgott ist der Bart zu akkurat gestutzt. Und an der Statur, äußerlich eher unauffällig, fehlte ihm beileibe einiges. Seinen Dreizack allerdings, den meinen einige schon gespürt zu haben. Gefürchtet, aber geachtet. Hart, aber gerecht. Und vor allem einflussreich, ja allmächtig ist er. Insgesamt stimmt es also schon ein wenig, das Bild vom Poseidon, wenn von Gotthilf Hempel die Rede ist, dem bedeutendsten deutschen Meeres- und Polarforscher der Nachkriegszeit. Dem kantigsten sowieso. Ja, im Grunde war er viele Jahre lang die Meeresforschung selbst und obendrein das zugehörige Forschungsmanagement nebst Forschungspolitik. Der gestrenge Gebieter allen maritimen Forschungswissens: „Deutlich unter Mittelmaß dulde ich nicht. Jedenfalls nicht in Positionen, wo dies schädlich sein könnte.“

Sechs einschlägige Institute hat Professor Hempel ins Leben gerufen, leitete sie alle, mehrere gleichzeitig. 600 Wissenschaftler, rechnet er zusammen, verdanken ihre Arbeitsplätze (manche wiederum den Verlust derselben) ihm – vor allem ihm. „Natürlich waren da auch andere daran beteiligt“, räumt er ein. Viel mehr an Bescheidenheit ist ihm nicht zu entlocken.

Ob denn am Südpol nach der Georg-Neumayer-Station eine andere den Namen Gotthilf Hempel tragen könnte, später mal? „Ich lebe ganz gut auch ohne so etwas“, sagt er. Fügt aber hinzu: „Berechtigter wäre wohl ein Forschungsschiff.“ Der Mann, der zur Vermeidung von Ärger stets verhinderte, dass Forschungsschiffe Personennamen tragen, meint dies im Spaß – aber nicht nur. Warum auch, die Perspektive ist nicht unrealistisch. Kurz linst er zur Ehefrau hinüber, wie ihr Gesicht wohl auf diese Idee reagiere. Dr. Irmtraut Hempel, symphatisch, selbst Biologin, die mit ihrem Mann seit Jahrzehnten zusammenarbeitet, lächelt etwas erheitert, aber doch zustimmend.

Sein Ausscheiden aus dem Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung (seine Frau wollte wieder etwas mehr Familie) und seine Emeritierung im Institut für Polarökologie haben an seinem Tatendrang wenig geändert. Er richtet ihn nun auf die Tropen, baut im Roten Meer, in Brasilien und im südlichen Afrika an Partnerschaften in der Meeresforschung. Die deutschen Kollegen sind für derlei Aktivitäten nur schwer zu begeistern. Im Umgang mit ihnen tut er sich schwer. Vor zwei Dutzend Professoren und ihren Mitarbeitern sagt er schlicht: „Herr Kollege, wenn Ihnen zu unserem Projekt nichts mehr einfällt, sollten sie sich daraus zurückziehen.“ Kritisch gegenüber Kollegen und kritisch gegenüber Nachfolgern wie kein zweiter Emeritus.


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mare No. 4

No. 4Oktober / November 1997

Von Ulli Kulke und Heike Ollertz

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.
Person Von Ulli Kulke und Heike Ollertz
Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.
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