Hai-Society

Hans Hass ist ein Kerl, wie ihn die Gazetten lieben. Abenteuerin der Tiefe, eine schicke Yacht und allerhand illustre Gesellschaft

Zwischen dem Nachtclub „Josefine“ und der Boutique „Non solo“, in einem kleinen Büro in der Wiener Sonnenfelsgasse, sitzt, über seinen Schreibtisch gebeugt, ein Mann und denkt. An den Teil seines Lebens, den er mehr unter Wasser als auf dem Land verbracht hat. Der ihn berühmt machte und in die Gesellschaftsspalten der Zeitungen brachte. An die Glitzerwelt der Reichen, in der er sich bewegte, ohne dass er zu ihr gehört hätte. An das Playboy-Image, das man ihm anhängte, obwohl er, genau betrachtet, doch eher das Gegenteil davon war. Hans Hass, 85 Jahre alt, Meeresforscher, Tauchpionier und Idol der Nachkriegsära, sagt: „Ich bin ohne Zweifel einer der reichsten Menschen der Welt.“

Er empfindet diesen Reichtum als nicht geschmälert durch die Tatsache, dass er seit einigen Jahren fast blind ist. Eigentlich hat er für mehrere Leben genug gesehen. Mögen die äußeren Bilder nun allmählich verblassen, so kann er sich doch stets auf seine inneren verlassen. In ihnen ist er ganz ausgefüllt von diesem Blau, an dem er sich nie satt sehen konnte, das nach unten hin immer dunkler wurde, während es sich über ihm in einem grenzenlosen Silberhimmel verlor. Er denkt an die gefährliche Glückseligkeit des Tiefenrauschs, der er sich einmal in 100 Meter Tiefe nur deshalb entziehen konnte, weil er zuvor auf seinem Arm notiert hatte: „Schwimm wieder hinauf.“ Und dann das Auftauchen selbst: Wenn er wieder zur Oberwelt emporschwebte, die Ohren zu singen begannen und er die letzten Meter in einem wahren Orgelbrausen durchflog. „Das wichtigste Gefühl beim Tauchen“, sagt Hass, „ist eine Art Andacht.“

Der Mann mit der schwarzen Hose, dem schwarzen Pullover und dem schwarzweiß gepunkteten Jackett, der immer noch denselben verwegen wirkenden Kinnbart seiner Jugend trägt, hadert nicht mit dem Schicksal, dem kürzlich erlittenen Schlaganfall, der ihn nun etwas langsamer reden lässt. Meist hat er doch Glück gehabt, unvorstellbares Glück, und steht es einem Mann seines Alters, der immer noch von morgens bis abends am Schreibtisch sitzt, nicht zu, alles ein wenig langsamer anzugehen? „Damit müssen Sie jetzt klarkommen“, sagt Hass. Und ist zugleich nicht geneigt, seinem Gegenüber allzu offen gestellte Fragen zu verzeihen, hinter denen er mangelnde Gesprächsvorbereitung wittert. Er ist es ja schließlich, der den Schlaganfall hatte.

Sein Büro im vierten Stock entbehrt allem Repräsentativen; der Raum eines Menschen ohne Eitelkeiten. Das Lederpolster des Stuhls ist aufgerissen und mit einem Kissen überdeckt, auf dem Schreibtisch stehen zweibändig Hesse/Dorflein „Tierbau und Tierleben“ aus dem Jahr 1943, für Hass noch immer das „bedeutendste Buch für jeden Biologen“, einige Lexika und, silbergerahmt, seine Frau Lotte, die eigentlich seine schöne Assistentin war, bevor sie zum Markenzeichen seiner rund 100 Unterwasserfilme wurde. Die erste Frau, die tauchte, eine Sensation, die ihr einen Platz in der Geschichte des Tauchens einbrachte und beiden eine Reihe von Hollywood-Angeboten, die sie allesamt ausschlugen. Natürlich gab es auch Spott für das glamouröse Paar: „Keine Grotte ohne Lotte“ titelte seinerzeit der „Spiegel“.

Dass Hass den Grundstein für das moderne Tauchen legte, geschah eher zufällig. Er hängt sein Jurastudium an den Nagel, nachdem er als 18-Jähriger den amerikanischen Journalisten Guy Gilpatrick kennen lernt, der ihm beibringt, Fische mit einem Speer zu jagen. In der Monatszeitung „Der Angelsport“ schreibt er einen Artikel darüber und kauft sich vom Honorar eine Kamera, für die er sich beim Wiener Kunstschlosser Steurer eine wasserdichte Messinghülle anfertigen lässt – damit er künftig auch Beweise für seine Abenteuer hat.

Nicht nur Fische schwimmen ihm jetzt vor die Kamera. Einmal, als er aus dem Wasser auftaucht, ist er in einer einsamen südfranzösischen Bucht gelandet, in der sich drei Frauen splitternackt sonnen. Als sie ihn sehen, flüchten sie, was Hass bis heute psychologisch interessant findet, ins Wasser. „Über Wasser hätte mir der Takt verboten, sie anzuschauen.“

Auf sein Dandy-Image angesprochen sagt Hass, „Mein Gott, ich versuchte, fesch zu sein, und Frauen haben mich interessiert“, aber er gesteht auch, dass er eigentlich doch meist sehr ungeschickt war. „Ich bin immer zu schnell vorgegangen, wissen Sie, ich bin Einzelkind und hatte immer ein wenig Angst vor Frauen. Es kamen natürlich viele zu mir. Aber die Spielregeln hab ich nie beherrscht.“ Erst Lotte hat sie ihm beigebracht. Viel später.


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mare No. 48

No. 48Februar / März 2005

Von Andreas Wenderoth

Nachdem sich der Berliner Autor Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, in die Meereswelten des Tauchpioniers Hans Hass versetzt fühlte, kaufte er sich Taucherbrille, Schnorchel und einen Flug auf die Kanareninsel El Hierro, um die eigenen zu entdecken.

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Vita Nachdem sich der Berliner Autor Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, in die Meereswelten des Tauchpioniers Hans Hass versetzt fühlte, kaufte er sich Taucherbrille, Schnorchel und einen Flug auf die Kanareninsel El Hierro, um die eigenen zu entdecken.
Person Von Andreas Wenderoth
Vita Nachdem sich der Berliner Autor Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, in die Meereswelten des Tauchpioniers Hans Hass versetzt fühlte, kaufte er sich Taucherbrille, Schnorchel und einen Flug auf die Kanareninsel El Hierro, um die eigenen zu entdecken.
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