Grundstück in Bestlage

Politikmacht von Dschibutis Gnaden: Der Kleinstaat kontrolliert den geostrategischen Hotspot am Roten Meer

Noch immer ragen die Weissen Felsspitzen weithin sichtbar am Golf von Tadjoura. Sie erinnern an die merkwürdigen Strafmaßnahmen, mit denen die Kommandeure der Fremdenlegion ihre Untergebenen disziplinierten: Wer sich etwas zu Schulden kommen ließ, musste in der mörderischen Mittagshitze mit einem Eimer weißer Farbe hinauf auf einen Berg. Er durfte erst wieder herunter, wenn er die Spitze völlig weiß getüncht hatte.

An der Präsenz der französischen Fremdenlegion hat auch die Unabhängigkeit Dschibutis 1977 nichts geändert. Die frühere Kolonialmacht garantiert weiterhin die äußere Sicherheit des winzigen Landes am Horn von Afrika. Dafür hat sich Frankreich das Recht auf einen Militärstützpunkt geben lassen. Immer noch sind 2800 Soldaten unter dem Banner der Trikolore in Dschibuti stationiert, darunter eine halbe Brigade Fremdenlegionäre, etwa 500 bis 600 "Etrangères". Die sind vor allem für den möglichen Einsatz in den früheren französischen Kolonien in West- und Zentralafrika gedacht.

Frankreich betrachtet sich auch heute noch als Ordnungsfaktor in Afrika, nirgendwo sonst im Ausland unterhält Paris eine so gewichtige Militärbasis wie in Dschibuti. Zwar hat die kleine Republik nicht viel mehr Einwohner als Frankfurt am Main, rund 600000. Aber an Dschibuti muss jeder vierte Tanker vorbei, der weltweit Öl transportiert. Und das ist es, was das Ländchen, das den Zugang zum Roten Meer kontrolliert, militärisch und strategisch so interessant macht.

Dabei ist Dschibuti nichts weniger als ein unwirtliches Stückchen Afrika. Als ich am 27. Juli 1982 anlässlich des fünften Jahrestags der Unabhängigkeit in Dschibuti filmte, hätten wir um ein Haar die Militärparade verpasst. Die zog nämlich schon im ersten Morgenlicht - um sechs Uhr früh - durch Dschibuti-Stadt. Kein Soldat sollte vor den Augen des Präsidenten und der französischen Ehrengäste der Hitze erliegen, die schon am Vormittag unerträglich werden kann. Von Ende Juni bis Anfang September erreichen die Temperaturen in Dschibuti leicht 45 Grad Celsius - bei 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Am Assalsee im Landesinneren steigt das Thermometer sogar auf 55 Grad. Der See liegt 150 Meter unter dem Meeresspiegel. Dschibuti ist eine der heißesten Regionen auf der Welt.

Seit die Franzosen im Jahr 1888 endgültig Besitz ergriffen von dem kleinen Land, das eingezwängt liegt zwischen Äthiopien und Somalia, hat Dschibuti Begehrlichkeiten erweckt, allein wegen seiner strategisch unbezahlbaren Lage und seines sicheren Hafens. Zwar liegt auch der Jemen strategisch günstig, doch sind dessen Hoheitsgewässer wild und unberechenbar. Der geschützt liegende natürliche Port Dschibutis dagegen war stets eine Zuflucht vor Stürmen und Piraten.

Entstanden war dieses französische Besitztum - wie so viele afrikanische Kolonien - am Reißbrett der Kolonialmächte. Die hatten 1884 in der von Bismarck organisierten Berliner Konferenz ihre Interessen abgesteckt und Afrika unter sich aufgeteilt. In Dschibuti wurden zwei noma- dische Stämme zusammengepresst, die sich von jeher im Kampf um Weideland befehdet hatten: die somalischen Issa und die äthiopischen Afar. Französisch-Somaliland hieß das Stückchen Land anfangs, dann gab ihm Paris den exotisch-schönen Namen "Land der Afar und Issa", bevor es schließlich Dschibuti wurde.


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mare No. 40

No. 40Oktober / November 2003

Von Hans-Josef Dreckmann

Hans-Josef Dreckmann, geboren 1938, war 13 Jahre ARD-Korrespondent in Afrika. In Dschibuti war er mehrmals - auch an jenem 4. Dezember 1994, als ein US-Kriegsschiff 300 Urlauber von dem brennenden Kreuzfahrtschiff "Achille Lauro" rettete und nach Dschibuti brachte.

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Vita Hans-Josef Dreckmann, geboren 1938, war 13 Jahre ARD-Korrespondent in Afrika. In Dschibuti war er mehrmals - auch an jenem 4. Dezember 1994, als ein US-Kriegsschiff 300 Urlauber von dem brennenden Kreuzfahrtschiff "Achille Lauro" rettete und nach Dschibuti brachte.
Person Von Hans-Josef Dreckmann
Vita Hans-Josef Dreckmann, geboren 1938, war 13 Jahre ARD-Korrespondent in Afrika. In Dschibuti war er mehrmals - auch an jenem 4. Dezember 1994, als ein US-Kriegsschiff 300 Urlauber von dem brennenden Kreuzfahrtschiff "Achille Lauro" rettete und nach Dschibuti brachte.
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