Goldene Zeiten

Der Hamburger Modeunternehmer und frühere Admiral’s-Cup- Segler Thomas Friese verwirklicht seinen städtebaulichen Traum mit einer Oase am Rand des Hamburger Hafens

Kann man mit Essen einen Ort ergründen? Thomas Friese hat für diese Idee vor neun Jahren eine Köchin eingestellt. Für einen absurden „Elbpark ohne Türen und Fenster“, wie er sagt, besaß der Hamburger Modeunternehmer eine Entwicklungsutopie, für die er Mittäter suchte. Die lockte er mit leckeren Speisen und beharrlichen Einladungen nach Entenwerder, wie das Grün seiner Träume sehr passend hieß. Denn eingeschlossen zwischen Elbbrücken, Elbe und großen Betriebsanlagen watschelten auf der lang gezogenen Halbinsel vornehmlich Wasservögel ungestört herum.

Ein einziger versteckter Zugang hinterm Deich sowie meterhohes Ufergestrüpp, das Rasenflächen und Pappeln blick­dicht umwucherte, sorgten dafür, dass der große, 1997 eröffnete Flusspark selbst im anliegenden Quartier Rothenburgsort nahezu unbekannt war – so auch bei Friese, der einen Steinwurf entfernt vom Entenparadies seine Marke Omen produziert. Der bereits als Theaterbetreiber der Hamburger Kammerspiele und Gründer einer Skateboardhalle in den Neunzigern mäzenatisch Aktive wurde vom Leiter seiner Streetsport-Location auf den Hortus Conclusus hingewiesen und beschloss 2007, diesen mit Kunst, Sport und Gastronomie in ein modernes Arka­dien zu verwandeln.

Einen bunten Containerpavillon, der für ein Architekturfestival 2006 produziert worden war, kaufte Friese, um die mit unterschiedlichsten Fassadenteilen dekorierte Folly als kulturellen Veredelungspfropfen für den vegetativen Wildwuchs Entenwerders zu nutzen. Angedockt an einen Anleger mit ein paar historischen Holzaufbauten, installierte sich der selbst berufene Parkdesigner einen Arbeitsplatz auf dem Wasser und begann mit seinen kulinarischen Verführungsmethoden.

Nina Plazonja, die außer Herd- auch Schallplatten beherrscht und als DJane und Plattenladenbetreiberin in St. Pauli ihr Geld verdient, kochte jeden Tag für Friese und einmal in der Woche für Gäste, denen die Idee von einem Kunstfreizeitpark schmackhaft gemacht werden sollte. Ein stillgelegtes Getreideschiff als Flußbadeanstalt wollte Friese hier ansiedeln, ebenso bekrönt von einem Kunstwerk Ólafur Elíassons wie ein steinerner Leuchtturm als Aussichtspunkt, den er aus dem Hafen hierher umsetzen will. Eine Skateboardanlage als Collage typischer Parkmöblierung sollte die Kids des sogenannten Problemstadtteils Rothenburgsort locken. Aber vor allem träumte Friese von einem modernen Sanssouci der Kunstpavillons.

Von verschiedenen Festivals wie der Biennale Venedig oder der Skulpturen­ausstellung in Münster sicherte sich Friese bizarre Kleinarchitekturen. Und nach langem, zähem Bekochen von Entscheidungsträgern war es im Herbst 2015 dann so weit, dass die kulturelle Entenverbrämung endlich ihren ersten Erfolg feiern konnte – und dann gleich in Gold. Der dreigeschossige Pressepavillon vom Festival in Münster 2007 aus perforierten Messingplatten schwimmt nun am Ende einer historischen Hafenbrücke, die Friese ebenfalls organisiert hat, in der Elbe und überstrahlt eines der schönsten Cafés Hamburgs. Auf alten Planken und in blumenreicher Vielfalt wie auf der Insel Mainau genießt man hier einen freien Blick auf den östlichen Teil des Hafengebiets.

Auch das sportsoziale Engagement des ehemaligen Admiral’s-Cup-Seglers findet hier goldenen Boden. Für die Kinder von Rothenburgsort bietet Friese an der Pier kostenlos Segelkurse an. Und Nina Plazonja darf zur weiteren Ergründung des Kunstparks durch Kochkünste jetzt auch ungeladene Gäste ködern.

Wer von ihren Fischgerichten überzeugt wird, kann im goldenen Turm auch Thomas Friese treffen. Der sitzt hier glücklich bei der Arbeit und weiß wortreich davon zu schwärmen, wie man mit weiteren Projekten den „fensterlosen“ Park neu belichten kann.


Filet vom Kabeljau auf Belugalinsen

Zutaten (für vier Personen)  

600 g Kabeljau, 150 g getrocknete Belugalinsen, 16 Radieschen, 1 Bund Brunnenkresse, 2 Schalotten, 200 ml Gemüsebrühe, 200 ml Sahne, 1 Zitrone, Weißwein.

Zubereitung

Linsen in gesalzenem Wasser ca. 20 Min. kochen. Schalotten hacken und in Butter glasig schwenken. Mit Weißwein ablöschen. Dazu Gemüsebrühe, Sahne und den Abrieb einer halben Zitrone. Salzen, pfeffern und auf kleiner Flamme einkochen. Zusammen mit der Brunnenkresse im Mixer pürieren. Kabeljau vierteln und auf der Haut bei mittlerer Hitze anbraten. Bis zum Anrichten im 180 Grad heißen Ofen aufbewahren. Radieschen halbieren und in Butter schwenken, etwas Wasser zugeben und bei geschlossenem Deckel 3 Min. schmoren. Kresserahm in der Mitte der Teller anrichten, darauf jeweils 3 EL Linsen geben, Radieschen daneben. Kabeljau auf den Linsen platzieren, mit Zitronenscheibe servieren.

Café Entenwerder 1
Entenwerder 1, 20539 Hamburg.
Tel. 040/70293588. Geöffnet Mo, Di 11–20, Mi–Fr 11–22, Sa 10–22, So 10–19 Uhr.

mare No. 117

No. 117August / September 2016

Von Till Briegleb und Andreas Mühe

Till Briegleb, geboren 1962 in München, ist freier Journalist und Schriftsteller in Hamburg.

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Vita Till Briegleb, geboren 1962 in München, ist freier Journalist und Schriftsteller in Hamburg.
Person Von Till Briegleb und Andreas Mühe
Vita Till Briegleb, geboren 1962 in München, ist freier Journalist und Schriftsteller in Hamburg.
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