Gemeinsam sind sie stark

Freiwillige vor zum Frostschutz! Über die gesellschaftlichen Regeln innerhalb der polaren Kolonie

Pinguine sind vor allem dort beliebt, wo sie eigentlich gar nicht vorkommen: auf der Nordhalbkugel der Erde. Mit ihrem Verbreitungsgebiet hängt es auch zusammen, dass die heutigen Pinguine vom Menschen nicht ausgerottet wurden. In ihrem natürlichen Habitat auf die südliche Hemisphäre beschränkt, waren es schlicht die Entfernungen, die den Europäern die kommerzielle Ausbeutung erschwerten und den Vögeln das Überleben sicherten. Was nicht heißen soll, dass die Seefahrer, Wal- und Robbenfänger den Vögeln wegen ihrer Fettschicht, die zu Öl verarbeitet hätte werden können, nicht nachstellten. Dazu waren sie zu leicht zu fangen.

Pinguine betrachten Menschen mit gleichgültiger Gelassenheit. Die längste Zeit ihrer Entwicklungsgeschichte, die vor 40 Millionen Jahren begonnen hat, verlief ohne menschliche Begleitung. Und auch nachdem der Mensch die Erde erobert hatte, ging man sich lange aus dem Weg. Pinguine hatten gar keine Veranlassung, im Menschen einen Feind zu sehen. Sie beobachten ihn deshalb wie andere Bewegungen in ihrer Umgebung. Nur bietet ihnen ihr Verhaltensinventar kein Modell an, mit dem sie die menschlichen Gebärden an ihre Welt anschließen können. Für Pinguine ist der Anblick von Menschen kein Grund, die Ruhe zu verlieren.

Umgekehrt gilt das natürlich nicht. Der Mensch findet bei fast jedem Tier Eigenschaften und Haltungen, die ihn an sich selbst erinnern. Wenn der Wildlife-Fotograf Frans Lanting in seinem Pinguin-buch schreibt, er müsse einfach menschliche Züge an Pinguinen entdecken, wenn er sie beobachte, bringt er diese allgemeine Tendenz wünschenswert klar zu Papier. Denn es lassen sich im Verhalten der Pinguine tatsächlich Ähnlichkeiten zu menschlichen Aktivitäten entdecken. Ob sie allerdings dazu geeignet sind, eine Brücke zwischen der Pinguin- und der Menschenwelt zu schlagen, wie Lanting meint, bleibt die Frage.

Pinguine bilden die einzige Familie in der Klasse der Vögel, in der alle 17 Arten das Fliegen aufgegeben haben und zurück ins Wasser gegangen sind. Die Entscheidungsfrage zwischen dem Schwimmen unter Wasser und dem Fliegen in der Luft haben sie kompromisslos beantwortet. Ihr Körper mit dem zwischen den Schultern eingezogenen Kopf und den dicht anliegenden, schuppenartigen Federn gleicht einem Torpedo. Das direkt unter der Haut liegende Fettpolster ebnet die Körperoberfläche in eine Stromlinienform. Die Knochen sind nicht mehr leicht und luftig, sondern massiv schwer. Das hilft beim Abtauchen und vermindert unter Wasser den störenden Auftrieb.

Mit den kleinen, muskulösen Flossenflügeln als Antrieb können sie Schwimmgeschwindigkeiten von über 20 Kilometern pro Stunde erreichen und in Tauchtiefen von mehr als 200 Metern vorstoßen. Selbst die bei Karikaturisten so beliebte „Frackfärbung“, die gegen die dunkle Oberseite scharf abgegrenzte helle Unterseite, steht ganz im Dienst des Wasserlebens. Wenn sie tauchend durchs Wasser „fliegen“, sind sie von den unter ihnen schwimmenden Tieren genauso schwer zu entdecken wie von über ihnen kreisenden Feinden.

Die Fressfeinde erwachsener Pinguine finden sich im Meer. Mähnenrobben, Seeleoparden und Schwertwale stellen ihnen nach und schwimmen auch nicht schlechter. Wahrscheinlich ist diese Bedrohung der Grund, weshalb Pinguine auch im Wasser meist in größeren Ansammlungen anzutreffen sind. Es ist für Robben und Wale ziemlich schwierig, in einem auf der Flucht delfinartig aus dem Wasser schießenden und wieder abtauchenden Pinguintrupp ein Opfer gezielt zu isolieren, um es zu greifen.

Eine andere Ursache könnte in effektiveren Jagdtechniken zu suchen sein. Alle Pinguinarten fischen ihre Nahrung aus dem Meer. Sie jagen vor allem Fische wie Anchovis und Sardinen, Tintenfische oder zum Krill zählende Krustazeen. Was sie fressen, hängt zum einen von der eigenen Körpergröße ab, zum anderen von der Gegend, in der sie leben. Die antarktischen Arten wie die Kaiser-, Königs- oder Adéliepinguine ernähren sich vorrangig von Krill, während die am Äquator tauchenden Galápagospinguine nur kleinere Schwarmfische erbeuten. Auf Fische spezialisierte Pinguine jagen gern in größeren Verbänden von bis zu 200 Tieren, wobei sie ihre Positionen während des Fangs offensichtlich mit akustischen und optischen Signalen koordinieren, was zumindest während der Jagd auf ein Sozialverhalten hindeutet, wie man es von Primaten und Hundeartigen kennt.

Es ist aber zu wenig über das Verhalten der Vögel auf See bekannt, um darüber abschließend zu urteilen. Bekannt ist jedoch die spezielle Technik der Brillen-, Magellan- und Zwergpinguine. Haben sie einen Fischschwarm ausfindig gemacht, schwimmen sie in stetig enger werdenden Kreisen um ihn herum, bis sie plötzlich in die Mitte des Schwarms vorstoßen, um mit dem Schnabel und der dornigen Zunge aufzuschnappen, was sie halten können.

Bis zu 70 Prozent ihrer Lebenszeit verbringen Pinguine schwimmend und Futter suchend auf See. Da sie aber Vögel geblieben sind, ihr Gefieder erneuern, sich paaren, Eier legen und Junge großziehen müssen, bleibt ihnen der Landgang nicht erspart. Damit beginnen Schwierigkeiten, die sie ganz unterschiedlich meistern.


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mare No. 30

No. 30Februar / März 2002

Von Cord Riechelmann

Cord Riechelmann, Jahrgang 1960, ist Biologe und Journalist in Berlin. Er ist der Autor der Kolumne „Bestiarium“ der Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In mare No. 27 schrieb er über die Farbe Rot in der Tierwelt.

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Vita Cord Riechelmann, Jahrgang 1960, ist Biologe und Journalist in Berlin. Er ist der Autor der Kolumne „Bestiarium“ der Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In mare No. 27 schrieb er über die Farbe Rot in der Tierwelt.
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Vita Cord Riechelmann, Jahrgang 1960, ist Biologe und Journalist in Berlin. Er ist der Autor der Kolumne „Bestiarium“ der Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In mare No. 27 schrieb er über die Farbe Rot in der Tierwelt.
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