Geheime Verschlusssache mit Seelachs

Wegen BSE und Maul- und Klauenseuche geht den Döner-Buden der Rohstoff aus. Die Alternative: Fisch-Kebab

Dieser kleine Imbiss will auf leisen Sohlen betreten werden. Er ist ein kulinarischer Treffpunkt voller Geheimnisse. Zugleich blüht hier ein kreatives Feld für große Pläne und wagemutige Experimente. Dabei sieht der winzige Gastraum eher wie eine Krabbelkiste aus, ist mit Schäfchenwolken, Mond und Sternen bemalt. Fünf Spielautomaten daddeln vor sich hin. Sie sind nichts als Tarnung. Denn dies ist ein Ort des Aufbruchs. Hier, im Nordwesten Berlins, dort, wo sich die Spandauer Vorstadt besonders tatorttauglich zeigt, wird dem türkischen Drehbraten eine neue Zukunft gewiesen.

BSE-Panik und Maul- und Klauenseuche haben auch den Döner nicht verschont. Der meistgegessene Snack der Republik bekam kräfig eins übergebraten. In den Kassen der 1300 Berliner Döner-Buden zeigen sich die BSE-typischen Löcher. Die Türken haben fast noch mehr Angst vor dem Rinderwahnsinn als die Deutschen, und sie können nicht auf das für Muslime verbotene Schweinefleisch ausweichen. Wo geht es also hin mit dem dicken Fleischspieß in Zeiten, in denen unsere Nutztiere in Zementwerken verheizt werden und das Kalbsschnitzel zur Mutprobe wird? In Zeiten, in denen die britische Regierung das Militär im Seuchen-Einsatz gegen 200000 Mutterschafe vorrücken lässt? Döner - quo vadis?

Die Antwort auf diese Frage ist klein, weiß und dreht sich munter: Deutschlands erster Fisch-Döner - garantiert BSE-frei, ohne Gräten und Fischgeruch. Mamo Acar (36), sein genialer Erfinder, schiebt den gewaltigen Schnauzer nach oben, lässt eine makellose Zahnreihe blitzen und sagt dann ganz leise seinen Lieblingssatz: „Das Rezept ist geheim!"

Fast alles hier in Spandau ist geheim. Warum müffelt der stundenlang vor dem heißen Grill stehende Fisch nicht strenger nach Fisch? Warum trocknet er nicht aus? Was kommt in die Sauce rein? Und was hat sich Acar als nächsten Coup ausgedacht? Geheim, geheim, geheim.

Soviel hat er immerhin verraten: Auf dem Spieß stecken Seelachsscheiben, die er in die dönertypische Kopf stehende Kegelform gepresst hat. Auch Kabeljau sei „sehr interessant", sagt Acar, und selbst mit Tintentisch lohne sich ein Versuch. Aber Seelachs ist erste Wahl. Der Fisch wird am Vortag mariniert. Die Komposition der Marinade ist ebenso Betriebsgeheimnis wie die Sauce, mit der die Fischstückchen serviert werden.

Sie hat einen leicht sahnig-cremigen Touch, die rosige Farbe deutet auf Rosenpaprika hin, dazu vielleicht ein Hauch Knoblauch. Wir können nur schnuppern und raten. Geschmeckt hat er jedenfalls gut, der erste Fisch-Döner der Welt. Saftig und angenehm weich. Die weiteren Zutaten lassen sich leichter identifizieren: Die vom Spieß abgescheibelten Fischtrümmer schichtet Acar in das übliche erwärmte Weißbrot-Viertel, das zuvor mit Geheimsauce ausgestrichen wird. Obendrauf packt er ein Gemisch aus Römersalat-Schnipseln, etwas Rettich, ro-te Zwiebel, Schluppen, Ruccola, Dill. Ein Achtel Zitrone ausgequetscht, basta!

Mit dieser Mischung ist der geschäftstüchtige Türke zum Döner-Star avanciert. Fernsehsender halten die Kamera auf sein Büdchen, Radiostationen kämpfen um O-Töne, Zeitungen loben den findigen Mann. Und die Konkurrenz liegt ihm zu Füßen, bettelt um Rezepte und Zubereitungstechniken. Acar überlegt noch, wen er erhören will.

Dann, nach dem zweiten Glas Tee, hat er doch noch ein Geheimnis verraten. 15 verschiedene Döner will er in einem neuen Objekt, einem riesigen Grillhaus, anbieten, darunter auch einen Käse-Drehbraten aus selbst gemachtem Spezialkäse. Im Kühlschrank liegt schon der erste Prototyp. Anfassen ist erlaubt, aber die Rezeptur - Acar rollt mit den Augen - liegt natürlich in einem meterdicken Safe, vermutlich in der Bank von England.


Fisch-Döner

Acars Original Fisch-Döner gibt es nur in Berlin-Spandau, Falkenseer Chaussee 276, Tel.: 030/371 33 56

Weil Acar keine Auskunft zum Rezept gibt, haben wir für unsere Leser eine Alternative zusammengestellt. Man nehme:

1 nicht zu große Portion Seelachsfilet (sie muss in das Brotstück passen)
1 Viertel rundes Weißbrot vom türkischen Bäcker

Für die Marinade:

1/8 Liter trockener Weißwein
1 Esslöffel Senf
1 fein gehackte Knoblauchzehe
1 Messerspitze Cayenne
3 Esslöffel gemischte frische Kräuter (nach Belieben: Dill, Petersilie, Kerbel, Estragon, Thymian)
5 Gramm Salz

Zutaten vermengen und den Seelachs darin drei Stunden baden, gelegentlich wenden. Den Fisch anschließend trocken tupfen, in Mehl wenden und je nach Dicke 50 bis 90 Sekunden auf jeder Seite in Sonnenblumenöl braten.

Für die Sauce:

1 Esslöffel Mayonnaise
1 Esslöffel Crème fraîche
5 Esslöffel Sahne
1 Viertel rote Paprikaschote, püriert
1/2 Teelöffel Paprikapulver edelsüß
1 Teelöffel Zitronensaft
1 Esslöffel Tomatenmark

Zutaten mischen und mit Salz, etwas Zucker und, wer will, auch mit Tabasco abschmecken. Fisch ins aufgeschnittene und erwärmte Brot setzen, Sauce drauf und mit einem Salat aus Schluppen, Rettich, Dill, Ruccola und Römer servieren.

mare No. 26

No. 26Juni / Juli 2001

Von Manfred Kriener und Heike Ollertz

Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.

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Vita Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.
Person Von Manfred Kriener und Heike Ollertz
Vita Manfred Kriener, geboren 1953 im Schwarzwald, ist verheiratet und lebt seit März 1980 in Berlin. Dort arbeitet er heute als Chefredakteur des Umweltmagazins zeozwei und in Deutschlands größtem Journalistenbüro "Textetage". Außerdem ist er freier Journalist und Autor für Themen wie Umwelt und Umweltpolitik, Ernährung und Wein. Als Gründergeneration der Berliner Tageszeitung taz zugehörig, war er dort 11 Jahre lang Redakteur für Ökologie, bevor er es ab November 1990 als Freier versuchte. Kriener war ab 2001 fünf Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food.

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare-Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare-Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare-Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.
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