Gas geben

Erdgas ist klimafreundlich, reichlich vorhanden und lässt sich kostengünstig per Schiff über die Meere transportieren. In aller Welt entstehen gewaltige Hafenterminals für die flüchtige Fracht

Sie ist so lang wie drei Fussballfelder und so hoch wie der Leuchtturm auf Sylt. Die „Mozah“ ist der größte Erdgastanker der Welt. An Bord hat sie eine gezähmte Fracht: 266 000 Kubikmeter flüssiges Erdgas, heruntergekühlt auf minus 162 Grad Celsius. Damit könnte sie Hamburg fast ein Jahr lang mit Energie versorgen. Seit dem Frühjahr schiebt sich die „Mozah“ über die Weltmeere.

Bei ihrer Jungfernfahrt machte sie Station im Vereinigten Königreich, wo sie in Milford Haven andockte. Die kleine Hafenstadt in Wales brüstet sich damit, Energiehauptstadt Großbritanniens zu werden. Und das liegt an „Mozah“ und einem Kürzel, das man sich in Milford Haven inzwischen begeistert zuraunt: LNG, Liquefied Natural Gas, verflüssigtes Erdgas.

Die „Mozah“ steht für die Zukunft des Energietransports. Während man früher Erdgas in Pipelines übers Land schickte, wird es jetzt immer öfter verschifft. Weltweit entsteht dafür eine gigantische Infrastruktur, denn das flüssige Erdgas muss schließlich wieder in einen gasförmigen Zustand gebracht werden, damit es in das Versorgungsnetz strömen kann.

Unter den fossilen Energieträgern ist Erdgas seit Jahren der Star. Es ist nicht nur reichlich vorhanden, sondern verursacht auch deutlich weniger Kohlendioxidemissionen als Kohle und Erdöl. So prophezeit die Internationale Energieagentur (IAE) für die kommenden Jahre einen Anstieg des Weltgaskonsums von jährlich 2,3 Prozent. Eine immer größere Menge davon werde nicht mehr über Land, sondern per Schiff transportiert. Bis 2030 könnte der LNG-Anteil um durchschnittlich sechs Prozent im Jahr wachsen, schätzt die Unternehmensberatung A. T. Kearney.

„Einige Staaten wie Japan oder Südkorea decken ihren Gasbedarf fast komplett durch LNG; auch Chinas und Indiens Importe werden stark zunehmen“, sagt Kurt Oswald, Energieexperte bei A. T. Kearney. „Und Länder wie Großbritannien setzen auf LNG, weil die eigenen Förderquellen zu Ende gehen.“

Europa will sich vom derzeit wichtigsten Gasexporteur Russland emanzipieren und importiert immer mehr flüssiges Erdgas aus dem Mittleren Osten. Auch ökonomisch macht das Sinn, denn ab 3000 Kilometern ist der Schiffstransport konkurrenzfähig. Spanien gehört mittlerweile zu Europas größten Importeuren. Auch in Deutschland wird über den Bau eines LNG-Empfangsterminals in Wilhelmshaven diskutiert.

Für Erdgasnationen und Energiekonzerne ist LNG ein Riesengeschäft. Auf der russischen Pazifikinsel Sachalin haben Gazprom und Shell kürzlich eine riesige LNG-Anlage in Betrieb genommen. Auch Australien will gigantische Erdgasmengen nach China und Asien verschiffen. Neben Malaysia und Indonesien ist außerdem das Wüstenemirat Katar ein wichtiger Akteur. Vor seiner Küste liegt das „North Field“, eines der größten Erdgasfelder der Erde.

Seit Ende der Neunziger erschließen die Araber das Vorkommen. Sie verzichten dabei auf Pipelines, weil sie nicht auf das starre Netz der Gasleitungen angewiesen sein wollen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf den Schiffstransport. Beim Herunterkühlen auf minus 162 Grad schrumpft das Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel; so lässt es sich in großen Mengen verschiffen. Vor fünf Jahren gründete Katar dafür eigens die Reederei Nakilat. Sie besitzt mit mehr als 50 LNG-Tankern die weltweit größte Flotte, inklusive des Giganten „Mozah“.

„Seit 2005 hat sich die weltweite Gastankerflotte mehr als verdoppelt“, sagt Burkhard Lemper, Professor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik. „Inzwischen drohen allerdings Überkapazitäten. Die Wirtschaftskrise schlägt zu, und in einigen Exportnationen verzögert sich die Fertigstellung der Verflüssigungsanlagen.“ Über 320 LNG-Tanker sind zurzeit weltweit registriert. Sie gehören in der Regel Fördergesellschaften wie Qatargas oder Energiekonzernen wie Shell und ExxonMobil.

Die Schiffe sind teure Spezialanfertigungen, sogenannte Moss-Rosenberg-Tanker. An Deck befinden sich bis zu fünf riesige, mit LNG betankte Kugeln. Jede hat einen Durchmesser von mindestens 40 Metern und ist gut isoliert. Der Schutzmantel ist nötig, damit das Erdgas nicht zu kochen beginnt und verdampft. Aus physikalischen Gründen gelingt die Kühlung aber nie perfekt. So wird ein Teil des Erdgases an Bord abgefackelt oder zum Antrieb genutzt.


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mare No. 77

No. 77Dezember 2009/ Januar 2010

Von Marlies Uken

Marlies Uken, Jahrgang 1977, freie Journalistin in Berlin, stieß bei ihren Recherchen auch auf mehrere Surfervereinigungen in den USA, die vehement gegen den Bau von LNG-Terminals protestieren. Noch mehr Schiffsverkehr würde sie bei der Ausübung ihres Sports erheblich stören, heißt es.

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Vita Marlies Uken, Jahrgang 1977, freie Journalistin in Berlin, stieß bei ihren Recherchen auch auf mehrere Surfervereinigungen in den USA, die vehement gegen den Bau von LNG-Terminals protestieren. Noch mehr Schiffsverkehr würde sie bei der Ausübung ihres Sports erheblich stören, heißt es.
Person Von Marlies Uken
Vita Marlies Uken, Jahrgang 1977, freie Journalistin in Berlin, stieß bei ihren Recherchen auch auf mehrere Surfervereinigungen in den USA, die vehement gegen den Bau von LNG-Terminals protestieren. Noch mehr Schiffsverkehr würde sie bei der Ausübung ihres Sports erheblich stören, heißt es.
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