Ganz im Glück

Familie Eggins pachtet einen Bauernhof auf den Scillies, den Trauminseln vor Cornwalls Küste. Der Clou: Ihr Verpächter ist kein Geringerer als Prinz Charles, der Herzog von Cornwall

In jedes ordentliche Märchen gehört ein Prinz. Der Prinz in dieser Geschichte hat kein goldgelocktes Haar, dafür ziemlich große Ohren. Er wird oft verhöhnt, vor allem wegen seiner vertrackten Frauengeschichten, die schwierigste hat er mit der eigenen Mutter am Laufen, die unverwüstlich seinen zukünftigen Thron besetzt. So ist das Leben am Hof im 21. Jahrhundert.

Dem Prinzen sollte das egal sein. Er ist Herr über ein eigenes Reich. Qua Geburt wurde er, der Prinz von Wales, als erster Sohn der Monarchin bei ihrer Krönung auch Herzog von Cornwall. Mit dem Titel kamen als traditionelle Gaben ein Paar weiße Handschuhe, je ein Pfund Pfeffer und Kreuzkümmel, ein Speer und Feuerholz. Außerdem 53 400 Hektar Ländereien, hauptsächlich im Südwesten des Vereinigten Königreichs. Zum Herzogtum gehören Küstenlinien, Flussufer und eine entlegene Welt im Atlantik, 45 Kilometer vom Festland entfernt. 200 Felsen und Inseln, fünf davon bewohnt.

Es wird noch gerätselt, ob der Name der Isles of Scilly auf einen römischen Sonnengott zurückgeht oder auf ein altes englisches Wort für gesalzenen Fisch. Gut 2000 Menschen leben dort, die meisten sind Mieter des Prinzen, ihm gehören zwei Drittel aller Gebäude. Über 100 000 kommen jährlich zu Besuch, süchtig nach der milden Luft, die der Golfstrom bringt, nach den wuchernden Sukkulenten, den weißen Stränden, der Weltferne. „Hier zu bleiben war immer ein Traum“, sagt Ruth Eggins.

 

 

Es war ein sanfter Spätsommertag im Jahr 2014, an dem der Verwalter der herzoglichen Ländereien Familie Eggins in seinem Arbeitszimmer empfing: Ruth, ihren Mann Graham, die Kinder Martha, Lizzie und Sam. Ruth hatte selbst gebackene Scones mitgebracht und den Kindern ein Schweigegelübde abgenommen für die Dauer des Gesprächs. Die Erwachsenen beugten sich über ein Dokument, in dem zu lesen stand: „Die Hillside Farm zu pachten wäre für uns viel mehr als ein ökonomisches Vorhaben. Es wäre ein Schritt, der das Leben unserer Familie verändern würde. Mit ungeahnten Möglichkeiten und Herausforderungen.“ Das Dokument trug den Titel „Business Plan“.

Die Eggins hatten keine Erfahrung mit kalkulierten Zukunftsvisionen. Sie hatten bei der ersten Besichtigung der Farm die Tomatenpflanzen in den Folientunneln gezählt und die Preise am Gemüsestand notiert, um vernünftige Zahlen zu bekommen. Auf der für sie überzeugendsten Seite der Bewerbung schrieb Sam, damals acht: „Ich füttere gern Tiere und beobachte gern Vögel. Am liebsten mag ich die Strände der Scilly-Inseln, weil es dort im Sommer so heiß wird.“ Der Prinz hat den Plan wohl nie gesehen, seine Obliegenheiten erledigen die Mitarbeiter der Grafschaft ganz in seinem Sinn, wie der Geschäftsbericht 2015 konstatiert: „Die Aufgabe der Grafschaft ist es, ein Besitztum zu erhalten und zu vermehren, das dem Herzog von Cornwall sein Einkommen gewährt, im Einvernehmen mit dem Ethos Seiner Königlichen Hoheit, auf dass es mit Stolz weitervererbt werden kann.“

Im Märchen ereilt das Glück oft jene, die nicht allzu verbissen danach suchen. Familie Eggins lebte vormals sehr zufrieden in St Neot, einem Dorf in Cornwall. Ruth war Krankenschwester, Graham arbeitete in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Im Februar erst waren sie umgezogen in ein eigenes Haus, bauten Gemüse an, hielten Hühner, Schweine, Ziegen. Die Kinder gingen gern zur Schule, selbst Martha, die jüngste, die Autoritäten mit unwiderstehlichem Charme untergräbt. Lizzie hoffte auf eine Karriere als Lehrerin oder Tänzerin. Sam, dessen erstes gesprochenes Wort „Traktor“ war, freute sich auf den fernen Tag, an dem er selbst Landmaschinen steuern würde. Jedes Jahr machten alle zusammen eine Woche Ferien auf den Scillies.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 117. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 117

No. 117August / September 2016

Von Martina Wimmer und Vanessa Winship

mare-Redakteurin Martina Wimmer hat auf Bryher eine neue Seite an sich entdeckt. Sie stand gerne um fünf Uhr auf und half bei der Farmarbeit mit.

Vanessa Winship, Jahrgang 1960, studierte Film- und Fotografie an der Westminster University in London. Sie unterrichtete Fotografie und arbeitete für das National Science Museum in London. Heute ist sie freiberufliche Fotografin im In- und Ausland.

Mehr Informationen
Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hat auf Bryher eine neue Seite an sich entdeckt. Sie stand gerne um fünf Uhr auf und half bei der Farmarbeit mit.

Vanessa Winship, Jahrgang 1960, studierte Film- und Fotografie an der Westminster University in London. Sie unterrichtete Fotografie und arbeitete für das National Science Museum in London. Heute ist sie freiberufliche Fotografin im In- und Ausland.
Person Von Martina Wimmer und Vanessa Winship
Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hat auf Bryher eine neue Seite an sich entdeckt. Sie stand gerne um fünf Uhr auf und half bei der Farmarbeit mit.

Vanessa Winship, Jahrgang 1960, studierte Film- und Fotografie an der Westminster University in London. Sie unterrichtete Fotografie und arbeitete für das National Science Museum in London. Heute ist sie freiberufliche Fotografin im In- und Ausland.
Person Von Martina Wimmer und Vanessa Winship