Frauen ans Steuer oder in die Kombüse?

Eine mare-Meinungsumfrage zeigt, was Segler und Seglerinnen wirklich voneinander denken

Unter den deutschen Segel-Fans herrscht eine gewisse Skepsis über die fachlichen Qualitäten von Frauen an Schot und Ruder. Dies ist das Ergebnis einer mare-Meinungsumfrage in Zusammenarbeit mit dem Bielefelder emnid-Institut. 1440 Seglerinnen und Segler wurden um Stellungnahmen gebeten, was sie voneinander halten. Ergebnis der Studie ist aber auch, dass sich kaum jemand zu dieser Skepsis bekennen mag. Auf den ersten Blick nämlich lässt das Ergebnis der Umfrage zunächst großes Vertrauen in die Seglerinnen vermuten.

Die überwiegende Mehrheit in der bundesdeutschen Segelgemeinde sieht keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen in den seglerischen Qualitäten. Der entsprechende Anteil ist bei den Frauen (91 Prozent) noch höher als bei den Männern (85 Prozent; Tabellen auf den nächsten Seiten). Immerhin: Zwölf Prozent aller Männer sind der Ansicht, dass Frauen dezidiert schlechter segeln, während lediglich vier Prozent der Frauen dies von ihren Geschlechtsgenossinnen vermuten. Bedeutet diese deutlich positive Einschätzung weiblicher Segelkünste aber auch, dass wirklich fast alle Männer – anders als im Straßenverkehr – die Frauen als Segelpartnerinnen hoch schätzen? Wenn man es genauer betrachtet: nein.

Weit mehr als ein Drittel (40 Prozent) aller männlichen und sogar fast die Hälfte (47 Prozent) aller weiblichen Befragten meinen nämlich, dass Frauen in der Segelausbildung besser gefördert werden sollten. Zur Einschätzung, dass es keinen Unterschied in der Segelkompetenz zwischen den Geschlechtern gibt, steht dies im klaren Widerspruch. Dieser könnte sich einerseits aus „politischer Korrektheit“ erklären, aus einer Scheu, einen allgemeinen Unterschied der Fähigkeiten zwischen Männern und Frauen festzustellen. Und andererseits aus einem wachsenden Bekenntnis zu den Vorbehalten, je konkreter und detaillierter die Fragen werden.

Immerhin rund ein Drittel aller Befragten erkennt den Frauen die Fähigkeit ab, die Segel optimal zu trimmen, an- und abzulegen sowie in kritischen Situationen die nötige Ruhe zu bewahren. Die Disziplin, in der Seglerinnen im Urteil der Kolleginnen und Kollegen am schlechtesten abschneiden: Kommandos geben. Dies deckt sich mit dem wichtigsten Anliegen der Befragten: Seglerinnen sollten öfters mal das Kommando führen.

Bemerkenswert ist hierbei die selbstkritische Haltung vieler Frauen. Ihre Meinung über die Geschlechtsgenossinnen weicht nur unwesentlich von denen der Männer ab. Dies gilt auch für die Antworten auf die Frage, welche Qualitäten Frauen an Bord besonders auszeichnen. Hierbei stehen traditionell als typisch weiblich angesehene Werte im Vordergrund: für gute Stimmung sorgen, auf Sauberkeit an Bord achten und in der Kombüse schmackhafte Gerichte zaubern.

Dass Frauen für gute Stimmung an Bord sorgen: Auch hierüber herrscht Einigkeit zwischen Seglerinnen und Seglern. Je nach Lebenssituation antworteten hierbei die Befragten allerdings unterschiedlich. Vor allem die Älteren, diejenigen mit der größten Segelerfahrung und mit dem höchsten Einkommen, schätzen die Entertainment-Qualitäten der Frauen hoch.

Ebenso im Widerspruch zur generell positiven Einschätzung weiblicher Segelkünste steht, dass über zwei Drittel aller Befragten der Meinung sind, Frauen stünden im Ruf, schlechter zu segeln als Männer – wenn auch ungerechtfertigterweise. Daraus, so ist zu vermuten, spricht eine Erfahrung aus Gesprächen im Kollegenkreis, in denen ein anderer Ton angeschlagen wird als gegenüber Meinungsforschern.

Ob gut oder schlecht – Frauen segeln eher selten, dies beobachteten 85 Prozent aller Befragten. 58 Prozent aller Seglerinnen meinen von sich, oft zu segeln, 22 Prozent selten, und 14 Prozent gaben an, nur als Mitseglerinnen unterwegs zu sein. Als Gründe dafür, selten oder nur als Mitseglerin diesem Sport zu frönen, gab die Hälfte der Frauen an, sich als aktive Skipperin überfordert zu fühlen, und zehn Prozent haben schlicht keine Lust.

Eines allerdings konnte diese Meinungsumfrage nicht ermitteln: Gibt es tatsächlich Unterschiede in den seglerischen Fähigkeiten zwischen Mann und Frau? Die Frage muss für den Bootsverkehr ebenso unbeantwortet bleiben wie für den Straßenverkehr. In der Autounfall-Statistik jedenfalls schneiden Frauen – auch unter Einbeziehung ihrer geringeren Fahrkilometer – besser ab als Männer. Zumindest insofern können die tatsächlichen Fähigkeiten durchaus entgegengesetzt zu den Vorgaben aus der öffentlichen Meinung liegen. Können.

mare No. 20

No. 20Juni / Juli 2000

Von Ulli Kulke und Heidi Kull

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Heidi Kull, Jahrgang 1965, lebte als Illustratorin in Berlin. Sie starb 2020.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Heidi Kull, Jahrgang 1965, lebte als Illustratorin in Berlin. Sie starb 2020.
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