Förderpreis für Meeresforscher

Methan-Paradox und Plankton-Analyse – zwei Studien, von mare finanziert, als Beitrag zur Klimaforschung

Myraden von Kleinstlebewesen bevölkern die obersten, lichtdurchfluteten Zonen der Meere. Hier, an der Grenze zur Atmosphäre, wo der Wind die Wassermassen ständig durchmischt und ausreichend Nährstoffe aus der Tiefe aufsteigen, lebt das Plankton, nach dem griechischen Wort für „Schweben“. Diese Lebensgemeinschaft aus Algen, Kleinkrebsen und Fischlarven ist nicht nur als Nahrung für größere Tiere wichtig; sie gilt auch als Schlüssel zum besseren Verständnis globaler Kreisläufe.

Der „mare-Förderpreis für Meeresforschung“ ging in diesem Jahr an zwei Wissenschaftler, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen Klima, oberen Wasserschichten samt Plankton und anderen Meeresorganismen befassen. Der mit 50000 Mark dotierte Preis, der am 20. Januar im Verlagshaus in der Hamburger Speicherstadt überreicht wurde, geht je zur Hälfte an Hermann Bange vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und Joachim Dippner vom Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) in Rostock. „Der Förderpreis will originelle Forschungsansätze fördern, die trotz ihres innovativen Potenzials keine Gelder von der öffentlichen Hand oder der Industrie bekommen“, betonte Herausgeber Nikolaus Gelpke im Rahmen der kleinen Feier.

Mit Hilfe des Preisgeldes will der Chemiker Hermann Bange dazu beitragen, das „ozeanischen Methan-Paradox“ zu klären. Methan ist – wie Kohlendioxid – ein starkes Treibhausgas. Normalerweise entsteht es unter Sauerstoffabschluss („anaerob“) beim Abbau von organischem Material durch Bakterien, zum Beispiel in Feuchtgebieten, Sümpfen oder im Sediment flacher Küstengewässer. Merkwürdigerweise ist aber auch der offene Ozean eine stetige Quelle für Methan: mit einem Aufkommen von schätzungsweise fünf bis 20 Millionen Tonnen pro Jahr. Aus der Tiefsee kann das Methan nicht stammen, weil es dort unter dem hohen Druck sofort chemisch umgewandelt und gebunden wird. Weil auch in den sauerstoffreichen („aeroben“) Wasserschichten mikrobiell kein Methan gebildet werden kann, gilt das Phänomen bislang als „paradox“.

In Zusammenarbeit mit der Universität Newcastle upon Tyne in England will Hermann Bange nun untersuchen, ob das Methan unter dem Einfluss von Sonnenlicht entsteht. „Die Abbauprodukte des Planktons und der eingeschwemmten Stoffe vom Land bilden zusammen die gelöste organische Substanz im Meer“, erklärt der Chemiker. „Sie könnte durchaus als Methanquelle in Frage kommen.“ Gemeinsam mit britischen Kollegen wird er auf Forschungsfahrten in der Nordsee Wasserproben nehmen und Bestrahlungsexperimente mit Licht durchführen. Dieser Lösungsansatz für das Me-than-Paradox ist noch kaum erforscht.

Falls Methan tatsächlich auf diese Weise gebildet wird, hätte dies weitreichende Folgen für den globalen Klimawandel. Wegen der dünner werdenden Ozonschicht gelangt mehr ultraviolettes Sonnenlicht auf die Erde. Das könnte die Produktion des Treibhausgases Methan erheblich ankurbeln, weil die im Wasser gelösten organischen Verbindungen UV-Licht besonders stark absorbieren. So könnte das Ozonloch den Klimawandel beschleunigen. „Solch ein Rückkopplungsmechanismus würde den Treibhauseffekt vermutlich verstärken“, befürchtet Bange.

Auch Privatdozent Joachim Dippner vom Ostseeinstitut Warnemünde forscht über die Zusammenhänge von Meer und Klima. Sein von mare unterstütztes Projekt soll das Management küstennaher Ökosysteme verbessern helfen. In der Nordsee werden beispielsweise zweieinhalb Millionen Tonnen Fisch pro Jahr gefangen. Um die Fischbestände umweltverträglich zu nutzen, sollte man nicht nur deren Größe, sondern auch die Fortpflanzungsraten kennen. Die Zahl der Fischlarven im Plankton schwankt jedoch extrem. Dies geht nicht nur auf menschliche Einflüsse wie Überfischung oder Verschmutzung zurück, sondern auch auf Temperatur, Salzgehalt und andere physikalische Bedingungen im Seewasser.

„Die Temperatur und somit auch das Klima haben einen entscheidenden Anteil an den beobachteten Schwankungen in den Planktonbeständen“, erläutert Joachim Dippner. In ersten Untersuchungen konnte er bereits einen Zusammenhang für den Nordseekabeljau nachweisen: Bei höheren Temperaturen an der Wasseroberfläche verringert sich der Jungfischbestand, bei niedrigen Temperaturen gibt es dagegen mehr Nachwuchs.

Ozeanograph Dippner wird mit Hilfe statistischer Verfahren die Datensätze aus Überwachungs- und Monitoringprojekten gezielt auf Klimasignale hin untersuchen. Wie die Temperaturdaten der Nordsee zeigen, herrschten in den 60er Jahren kalte, in den 90er dagegen eher milde Winter. Ob nun die derzeitige Zunahme von subtropischen, Wärme liebenden Planktonarten in der Nordsee mit milden Wintern korrelieren oder ob andere Prozesse dominieren, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. „Die Datensätze enthalten vielleicht Hinweise auf die entscheidenden Schlüsselarten, deren Verbreitung vom Klima abhängt“, hofft Dippner. Anhand solcher Arten kann er mit Hilfe seines Computerprogramms verschiedene Zukunftsszenarien durchspielen.

„Besonders die kreative Verbindung zwischen Physik und Plankton hat uns überzeugt“, sagte Professor Gerd Hubold, Direktor der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, in seiner Laudatio anlässlich der Preisverleihung. Hubold gehört zur siebenköpfigen Jury des mare-Förderpreises, wie auch Professor Hartmut Graßl und Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, Professor Kai-Uwe Graw von der Universität Leipzig, Privatdozent Rolf Gradinger vom Institut für Polarökologie in Kiel, Professor Jörn Thiede vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven sowie mare-Wissenschaftsredakteurin und Diplombiologin Monika Rößiger. Schirmherrin des Preises, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal verliehen wurde, war wiederum Elisabeth Mann Borgese, Professorin für Seerecht an der Dalhousie University in Halifax, Kanada, Gründungsmitglied des Club of Rome und Gründerin des „International Ocean Institute“.

mare No. 19

No. 19April / Mai 2000

Von Onno Groß

Onno Groß, Jahrgang 1964, ist promovierter Meeresbiologe und arbeitet als freier Journalist in Hamburg. In mare No. 16 schrieb er über Fliegende Fische

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Vita Onno Groß, Jahrgang 1964, ist promovierter Meeresbiologe und arbeitet als freier Journalist in Hamburg. In mare No. 16 schrieb er über Fliegende Fische
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Vita Onno Groß, Jahrgang 1964, ist promovierter Meeresbiologe und arbeitet als freier Journalist in Hamburg. In mare No. 16 schrieb er über Fliegende Fische
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