Flieg, Delfin, flieg!

Manche schwimmen Delfin, andere Schmetterling – was stimmt nun? Die Antwort von einem Olympiasieger, den sie „Albatros“ nennen

Der Delfin ist ein Schmetterling im Wasser, wenn Menschen schwimmen. Zumindest heißt so offiziell der jüngste, der vierte Schwimmstil. Das sagt nur niemand, außer Kommentatoren im Fernsehen vielleicht: Schmetterling. „Ich bin ein Delfinschwimmer“, sagen Sportler. Zu Recht. Passt doch die Bewegung zum Stil der wahren Meisterschwimmer unter den Säugetieren, den Delfinen. Also ab jetzt: Delfin!

Delfinschwimmen ist nicht, wie uns eine Enzyklopädie weismachen will, die zweitschwerste aller Disziplinen. Es ist die schwerste. Das weiß ich. Das weiß jeder, der versucht, delfinzuschwimmen. Im Gegensatz zu den anderen drei Stilen, Kraul, Rücken und Brust, hat der Körper keine Phase zum Erholen. Selbst die Bewegung der Arme nach vorne ist anstrengend. Es ist unmöglich, langsam oder locker Delfin zu schwimmen, zumindest nicht richtig. Gerade deshalb ist Delfin so faszinierend.

Um das Jahr 1935 kamen Brustschwimmer auf die – eigentlich nahe liegende – Idee, die Arme nicht unter Wasser gegen die Strömung nach vorne zu führen, vielmehr über Wasser. Nur hielten sie dies meist nicht länger als 50 Meter durch.

Schneller war es jedenfalls, obwohl damals alle den Armzug noch mit der klassischen Brustbeingrätsche kombinierten – daher auch der Begriff „Schmetterling“, da sich Arme und Beine rhythmisch öffnen. Eine Variante übrigens, die ich nie beherrscht habe.

Rasch wurden durch Training und Verfeinerungen auch längere Schwimmdistanzen möglich. Der heute typische Delfinbeinschlag, der sich als Wellenbewegung im ganzen Körper fortsetzt, folgte als nächste Stufe der Evolution. Einfach beim Vorbild abgeguckt: noch schneller, noch anstrengender.

Das traditionelle Brustschwimmen war plötzlich vom Aussterben bedroht. 1953 folgte dann die Trennung in zwei Disziplinen. Das Delfinschwimmen – so hieß es damals noch – war geboren. Und das Brustschwimmen gerettet.

Schließlich kam es zu der letzten, größten Innovation: dem längeren Tauchen. Im Wettkampf auf 15 Meter begrenzt, sind Delfinbeinschläge unter Wasser immer noch schneller als die – obwohl durch Armschläge ergänzte – Bewegung über Wasser.

Die Meeressäuger machen es vor. Unterseeboote folgen auch diesem Prinzip. Mittlerweile allerdings wirkt dieser Schwimmstil ziemlich ausgereizt – für uns Landtiere mit zwei Armen und Beinen, die alles andere als strömungsgünstig sind. Doch wer weiß, was als Nächstes kommt. Denn der Wille, den Widerstand des Körpers im Element zu reduzieren und im Delfin harmonisch aufzulösen, ist der Antrieb aller Delfinschwimmer. Manche erreichen es nur wenige Züge, aber dafür lohnt sich der Aufwand.

Dass bei aller Eleganz der menschlichen Bewegung Mann und Frau erbärmlich durch das Wasser driften, wird spätestens beim direkten Vergleich mit den Namensgebern klar. Delfine, sonst kompromisslose Jagdtiere, haben Mitleid mit uns. Der Unterschied zwischen Normalschwimmern und Olympiasiegern bleibt ihnen verborgen. Wir sind ganz nett zum Spielen. Offenbar meinen Delfine, man müsse den Menschen retten. Daher vielleicht ihr positives Image. Wir gehören halt nicht ins Wasser, zumindest nicht dauerhaft.


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mare No. 56

No. 56Juni / Juli 2006

Von Michael Gross

Michael Gross, Jahrgang 1964, lebt in Frankfurt am Main. Er ist Inhaber von Peakom, einer Beratungsgesellschaft für Kommunikation. Neben diversen nationalen und internationalen Titeln errang er vier Mal die Auszeichnung „Sportler des Jahres“ und zwei Mal „Weltschwimmer“.

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Vita Michael Gross, Jahrgang 1964, lebt in Frankfurt am Main. Er ist Inhaber von Peakom, einer Beratungsgesellschaft für Kommunikation. Neben diversen nationalen und internationalen Titeln errang er vier Mal die Auszeichnung „Sportler des Jahres“ und zwei Mal „Weltschwimmer“.
Person Von Michael Gross
Vita Michael Gross, Jahrgang 1964, lebt in Frankfurt am Main. Er ist Inhaber von Peakom, einer Beratungsgesellschaft für Kommunikation. Neben diversen nationalen und internationalen Titeln errang er vier Mal die Auszeichnung „Sportler des Jahres“ und zwei Mal „Weltschwimmer“.
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