Fische für alle Fälle

Ein Keller in Tasmanien beherbergt eine der weltgrößten Sammlungen an konservierten Fischen – ein Schatz für die Forschung

Zwei große Augen starren aus einem Glas, das Alastair Graham ins Neonlicht hält. „Das hier ist ein Anglerfisch“, sagt der Mann. Er öffnet den Schraubverschluss, greift in das Glas und zieht mit bloßen Händen einen glitschigen Klumpen ins Licht. 

Alastair Graham – akkurat getrimmter Bart, Poloshirt, weißer Kittel – steht in einem niedrigen Keller im Hafen von Hobart, der Hauptstadt des australischen Bundestaats Tasmanien. Um ihn herum liegen, stehen und schwimmen in Gläsern, Tonnen und Wannen, auf langen Regalen aus Metall, noch mehr glitschige Klumpen: Schollen, Haie, Rochen – insgesamt rund 167 000 in Ethanol eingelegte Tiere bewahrt die Australian National Fish Collection auf. 

Graham ist Manager dieser Fisch­biblio­thek, einer der größten weltweit. Der Keller mit den Gläsern, Wannen und Tonnen ist sein Reich, die Fische seine Schützlinge. Manchmal verpackt er sie in Plastik und schickt sie um den Globus: Seit 1990 sorgt der Australier dafür, dass die Tiere sicher aufbewahrt werden und den Menschen zur Verfügung stehen, die sie brauchen. Doch wer braucht 167 000 tote Fische? Wozu dient diese Sammlung? Und: Wie schafft es Graham, jedes dieser Tiere immer wiederzufinden? 

„Siehst du die Nummern hier?“ Graham deutet auf ein Stück Papier, etwas kleiner als ein Notizzettel, das an einem Metallregal klebt. „215“ steht darauf. „Diese Nummer gehört zu den Anglerfischen. Jede Fischfamilie in der Sammlung hat eine eigene Nummer.“ In einer zentralen Datenbank sind die Nummern der Familien einem Regal zugeordnet. So könne man schnell jeden Fisch finden.

Mehr als 5000 Fischarten schwimmen in den Gewässern Australiens – und es werden immer wieder neue entdeckt. Idealerweise landen Exemplare davon in Grahams Keller. Die Fish Collection, betrieben von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), einer staatlichen Behörde für wissenschaftliche und industrielle Forschung, sammelt seit den 1940er-Jahren Fische zu Forschungszwecken. Über die Jahre entstand so ein kollektives Gedächtnis zum Anfassen, das stetig wächst. Kommerzielle Fischer bringen neue Exemplare vorbei, die ihnen als Beifang ins Netz gehen. Graham und sein Team suchen mit der „Investigator“, einem australischen Meeresforschungsschiff, gezielt nach neuen Arten. Und manchmal bringen Privatleute Tiere vorbei, die ihnen beim Angeln an den Haken gehen.

Bekommen Graham und sein Team einen Fisch geliefert, versuchen sie, das Tier zu identifizieren. „Manche können wir mit bloßem Auge erkennen und sofort zuordnen“, sagt Graham. Wenn das nicht klappt, versuchen sie, die Familie zu identifizieren – etwa durch Vermessung. „Das geht über die Kopflänge oder Flossenform.“ Bleibt das Messen ergebnislos, schickt Graham Fotos an Fachkollegen, von denen er weiß, dass sie sich mit dieser Familie auskennen. Manche können wenigstens die Gattung nennen, sodass die Tiere im richtigen Regal landen. Die Identifizierung und Katalogisierung ist langwierig: 20 000 bis 30 000 Exemplare liegen in den Kellern, ohne dass sie bisher in einer Datenbank auftauchen. 


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mare No. 172

mare No. 172Oktober / November 2025

Von Merlin Gröber und Palani Mohan

Merlin Gröber, Jahrgang 1991, freier Journalist in Konstanz, war erstaunt, wie viel ein Keller voller Gläser über das Meer erzählen kann.

Palani Mohan, 1967 in Indien geboren und in Australien aufgewachsen, lebt als Fotograf in Hongkong.

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Vita

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