Die Badekappe mag heute nutzlos erscheinen, irgendwie überflüssig in all dem Wasser. Sie ist aus Schwimmbädern und am Strand weitgehend verschwunden, solange es nicht um Sport geht und damit um zu gewinnende Millisekunden durch optimierte Kopfform. Jedenfalls hierzulande. Die Badekappe gilt als ehedem bunt leuchtendes Signal von Schwimmfreuden und Meereserotik. Exotisch, aber vergessen. Trotz buchstäblicher Flower-Power und Nixen-Appeal.
Als Modeaccessoire steht die Bademütze in ihrer besten Zeit fröhlich für Freizeitversprechen und Fortschrittsglauben. Optimismus durch Gummi. Blumen und Korallen auf dem Kopf, so als wären Wassergeister unterwegs, um Männern die bademützenbesetzten Köpfe zu verdrehen und zugleich womöglich undinengleich unter Wasser zu ziehen.
Dennoch ist die Funktionalität ihre größte Stärke – und nicht die Zierde. Die Haare und der Kopf werden vor dem Wasser geschützt, vor Kälte, Hitze, Sonne, Salz, Chlor. Und das Wasser in Schwimmbädern wird vor den Haaren geschützt, die lange Zeit in überforderten Filteranlagen viel Unheil anrichten konnten. Es gibt einen ganzen Kontinent, wo Badefreuden weiterhin strikt an das Tragen von Badekappen geknüpft sind und Bademeister selbst bei kahlköpfigen Männern streng bleiben und auf der Mützenregel beharren. Doch wo das ist, halten wir einstweilen unter der Kappe.
Vorläufer sind die Spitzenhauben des 18. Jahrhunderts, die Frauen bei der Morgentoilette tragen. Als im 19. Jahrhundert Seebäder beliebt werden, gehen Frauen zuerst mit Kleidern und Hüten oder eben Häubchen ins Meerwasser. Später werden die einteiligen Badekleider entwickelt, die für viel Aufsehen sorgen. Haarnetze schützen die Frisuren, auch wird Taftstoff gewachst und als Badekappe verwendet. Aber die Kappen rutschen und lassen Wasser hindurch. Erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts umschließen Gummibadekappen fest den Kopf.
Bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen tragen die Schwimmer einheitlich schwarz-weiße Bademützen, bei den Frauen variieren die Kopfbedeckungen, oft sind es Mützen die bohnenförmig wie heutige Beanie-Mützen aussehen. Die 18 Jahre alte Ethelda Bleibtrey gewinnt mit Gummibadekappe für die USA drei Goldmedaillen, der Auftritt gilt als Ereignis der Frauenemanzipation – zumal auch Bleibtrey im Jahr davor wegen „Nacktschwimmens“ eingesperrt worden war. Sie hatte am Strand (!) zum Schwimmen (!!) die Strümpfe (!!!) ausgezogen. Auch in Deutschland steht die Badebekleidung im Vordergrund. Die strenge preußische „Badepolizeiverordnung“ von 1932 verliert kein Wort über Badekappen. Als mögliches erotisches Signal werden sie nicht verstanden. Als begänne das Liebeswerben nicht im Kopf.
Die modische Emanzipation der Bademütze beginnt mit einer Kopie. Ab den 1910er-Jahren wird das Fliegen populär und damit die Piloten. Bademützen aus Wolle, Seide oder Gummi haben nun Riemen, die unterm Kinn verlaufen, und sie ähneln den Fliegermützen aus Leder. Das passt zum allgemeinen Trend und den Bubikopffrisuren der Frauen. Bei Partys in den Roaring Twenties werden oft glitzernde Mützen getragen, die wie Badekappen aussehen. Schwimmen ist en vogue. Wasser lässt sich viel leichter erreichen als die Lüfte im Flugzeug, der Strand und das Meer versprechen ähnlich viel Freiheit und dazu Freizügigkeit.
Die meist einfarbigen, sachlich-schlichten Badekappen schützen elegant die Frisuren, eine verspielte Möglichkeit, kokett zu wirken, ohne die Grenzen des Schicklichen zu übertreten. In den 1920ern kommt die Gummivariante Latex als Material für Schwimmkappen auf den Markt. Der Kopf in der engen Haube unterstreicht die Stromlinienförmigkeit des Körpers, das muntere Eintauchen ins Wasser beweist sportlichen Bewegungsdrang und Vergnügen am Abenteuer. Die Nixe ist nicht mehr weit. Im dokumentarischen Stummfilmklassiker „Menschen am Sonntag“ von 1930 fahren die Berliner hinaus an den Wannsee. Ältere Frauen stehen im Wasser mit Badehauben. Zwei junge Paare, die sich fortschrittlich im Schilf einen Platz suchen, planschen und schwimmen ohne Mützen; die Männer tragen knappe Badehosen statt Einteiler. Es ist in Deutschland deutlich freier als zum Beispiel im sittenstrengen Amerika.
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Holger Kreitling, Jahrgang 1964, besaß als Kind eine schwarz-weiße Badekappe, bis das örtliche Schwimmbad in Hessen die Pflicht abschaffte. Seine Schwimmgeschwindigkeit heute ist leider viel zu langsam, um eine Sportbademütze zu legitimieren.
| Lieferstatus | Lieferbar |
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| Vita | Holger Kreitling, Jahrgang 1964, besaß als Kind eine schwarz-weiße Badekappe, bis das örtliche Schwimmbad in Hessen die Pflicht abschaffte. Seine Schwimmgeschwindigkeit heute ist leider viel zu langsam, um eine Sportbademütze zu legitimieren. |
| Person | Von Holger Kreitling |
| Lieferstatus | Lieferbar |
| Vita | Holger Kreitling, Jahrgang 1964, besaß als Kind eine schwarz-weiße Badekappe, bis das örtliche Schwimmbad in Hessen die Pflicht abschaffte. Seine Schwimmgeschwindigkeit heute ist leider viel zu langsam, um eine Sportbademütze zu legitimieren. |
| Person | Von Holger Kreitling |