Es ist angerichtet

Einerseits: Die Meere sind leer gefischt. Andererseits: Ist Fisch nicht furchtbar gesund? Was nun? Ein Leitfaden für Ihren nächsten Einkauf

Die Lage in der Fischerei ist ernst. So große Flotten, so wenig Fisch. Viele Bestände sind dramatisch dezimiert, einige Fanggründe sogar ganz für Trawler gesperrt. Wer die einschlägigen Einkaufsführer studiert, möchte am liebsten gar keinen Fisch mehr essen. Laut Greenpeace dürfte man nur noch vier Arten guten Gewissens verspeisen: Karpfen, Makrele, Hering und Köhler. Bei allen anderen ist die Lage „kritisch“ oder „katastrophal“. Ist das Meer fast leer?

Christopher Zimmermann von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg formuliert es so: „Überfischung bedeutet, dass eine Spezies regional nicht mehr in den Mengen vorkommt, die eine kommerzielle Fischerei lohnen. Wenn wir morgen noch Fisch essen wollen, müssen wir die Bestände heute so bewirtschaften, dass sie auch künftig stabile Erträge bringen.“ Nach Schätzung der Welternährungsorganisation (FAO) gelten 28 Prozent der wichtigsten Fischbestände als erschöpft, 47 Prozent sind optimal, 25 Prozent nicht voll genutzt. Wie es bei den zwölf Arten aussieht, die für den deutschen Markt am wichtigsten sind? Die Hälfte der Bestände gehört zur gefährdeten ersten Kategorie, und deshalb rät der Fischereibiologe: „Fisch kaufen, der reichlich vorhanden ist: Seelachs, Hering, Schellfisch.“ Auch die Bemühung der Umwelt- und Verbraucherschützer vom Marine Stewardship Council, nachhaltige Fischerei mit einem Zertifikat auszuzeichnen, verdienen nach Ansicht des Biologen Unterstützung: „Für Hoki aus Neuseeland gibt es das Gütesiegel schon, außerdem für Lachs und Pollack aus Alaska sowie für schottischen Kaisergranat.“


Alaska-Seelachs

Tiefkühlfisch für Fischstäbchen, deshalb deutscher Spitzenreiter mit einem Verbrauch von 320200 Tonnen im Jahr. Heißt eigentlich Pollack, aber als im Atlantik der Seelachs knapp wurde, haben Marketingexperten den Verwandten aus der Beringsee umgetauft. Während die US-Fischerei beim Pollack jüngst das Ökolabel des Marine Stewardship Council für nachhaltiges Fischen erhielt, wird auf der russischen und japanischen Seite nicht bestandsschonend gewirtschaftet.


Hering

Gilt wegen seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung (und seiner glänzenden Flanken) als „Silber der Meere“. Verbrauch hierzulande 204500 Tonnen jährlich. Nach einem totalen Fangverbot Ende der siebziger Jahre hat sich der Bestand in der Nordsee weitgehend erholt. Bei den Populationen in der zentralen Ostsee zeigen die Kurven allerdings nach unten. Deshalb empfiehlt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) dort eine deutliche Reduzierung der Fänge.


Tunfisch

Die Dose macht die Masse, Deutschland verzehrt im Jahr 151400 Tonnen. Die größten Fänge stammen aus dem westlichen Pazifik, aus Gewässern vor der afrikanischen Westküste und aus dem Westen des Indischen Ozeans. Der Zustand der meisten Bestände ist bedenklich, die Biomasse an laichfähigem Fisch viel zu niedrig. Hinzu kommt das immer noch nicht gelöste Problem, dass den Tunfischfängern Delfine als Beifang in die Netze gehen.


Lachs

Der „König der Fische“ lebt heute in Gefangenschaft. Züchter in Norwegen, Chile, Schottland und Irland versorgen den Markt. 108000 Tonnen werden jedes Jahr in Deutschland verkauft, davon sind nur wenige Prozent Wildlachs. Die Massenproduktion hat neben unmittelbaren Problemen für die Umwelt (Verschmutzung durch Futterreste, Fäkalien und Antibiotika, hoher Bedarf an Futter, für das andere Fischarten wie Sardellen oder Sandaal gefangen werden müssen) auch Auswirkungen auf die „wilden“ Bestände: Entflohene Zuchtlachse übertragen Krankheiten, sie kreuzen sich mit den frei lebenden Verwandten. Die Nachkommen dieser Kreuzung wachsen anfangs schneller und verdrängen die jungen Wildlachse, aber langfristig sind sie weniger überlebensfähig. Allein im Nordatlantik entkommen jedes Jahr zwei Millionen Lachse ihren Gehegen.


Rotbarsch

Der durchschnittlich 40 Zentimeter lange Fisch lebt in Regionen von 200 bis 1000 Meter Tiefe, vereinzelt gerät er als Beifang auch in die Netze der Kabeljaufischer. Deutscher Jahresbedarf: 59500 Tonnen, die zum größten Teil aus dem Seegebiet zwischen Island und Grönland stammen. Der Bestand ist in einem schlechten Zustand, weshalb der ICES die dringende Empfehlung ausgesprochen hat, den Fang um zwei Drittel zu reduzieren. In norwegischen Gewässern gelten zum Teil seit Jahren strikte Fangverbote.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 51. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 51

No. 51August / September 2005

Von Olaf Kanter

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Illustrationen: Fisch-Informationszentrum

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Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

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Person Von Olaf Kanter
Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

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