Erste Hilfe unter Wasser

Die U-Boot-Fahrer der „Kursk“ hätten gerettet werden können – von den Tauchern im Hardsuit

Hätten sich die Russen damals nur rechtzeitig gemeldet, dann hätte man mit dem Hardsuit-Tauchanzug eine Chance gehabt, die eingeschlossenen Matrosen in der ,Kursk‘ zu retten“, sagt Claus Mayer von der Nordseetaucher GmbH bei Hamburg. Laut Mayer kann man mit dem Rettungsanzug innerhalb von 48 Stunden an jedem Ort der Welt aufkreuzen und durch die Notventile eines havarierten U-Bootes Pakete mit Sauerstoffpatronen, Trinkwasser und Medikamenten schleusen.

Üblicherweise sind Tiefen ab 100 Metern das Revier der so genannten Sättigungstaucher. Doch Hardsuit-Taucher haben gute Gründe, es ihnen streitig zu machen. „Sie brauchen weniger Personal, sind zehn Mal billiger und viel schneller am Einsatzort als Sättigungstaucher, die mit ihrem Spezialschiff in die Region kommen müssen“, sagt Mayer. Und sie sind vor allem auch schneller unten: Im Hardsuit, in dem normaler Luftdruck herrscht, kann ein Mensch binnen zehn Minuten auf 200 Meter Tiefe gehen – und ebenso rasch wieder auftauchen.

Der schwere Anzug aus gehärtetem Aluminium ermöglicht Tauchern heute das, wovon schon seit vielen Generationen geträumt wird: sich in den Tiefen des Meeres unbeeinträchtigt vom gewaltigen Druck des Wassers zu bewegen. Ein Sättigungstaucher, dessen Körper sich dem Tiefendruck anpasst, muss nach einem Tauchgang in 200 Meter Tiefe zum Abbau des Stickstoffs im Blut noch Tage in einer Druckkammer verbringen, sonst drohen Gehirnschlag, Herzinfarkt oder Querschnittslähmung.

Der Hardsuit spart Zeit – kostbare Stunden und Minuten, die den Unterschied zwischen Tod und Leben ausmachen können. Nachdem das russische Atom-U-Boot „Kursk“ am 12. August 2000 vermutlich wegen einer Torpedoexplosion in der Barentssee gesunken war, dauerte es neun Tage, bis endlich die ersten Sättigungstaucher zum Wrack vordringen konnten.

Russland hatte die Hilfe des Westens zunächst abgelehnt und dann doch noch darum gebeten. Als es den norwegischen Tauchern schließlich gelang, die Schleusenklappen zur Rettungsluke zu öffnen, waren alle Matrosen schon erstickt. Von offizieller Seite wurde in Moskau damals mehrfach erklärt, die 118 Seeleute an Bord der „Kursk“ seien sofort tot gewesen. Doch dann fand man bei einer der Leichen eine handschriftliche Notiz, aus der hervorging, dass mindestens 23 Seeleute die Katastrophe überlebt hatten und ins Heck des U-Bootes geflüchtet waren.

Bisher sind Hardsuits bei der U-Boot-Rettung nur in Übungen eingesetzt worden. Weltweit gibt es nicht mehr als eine Hand voll Taucher, die mit diesem aus mehreren Gliedern und Gelenken bestehenden Ungetüm umgehen können. Von allen hat der Schotte Tom Bissett die größte Erfahrung. Mehr als 1000 Stunden hat der 50-jährige Berufstaucher in dem Anzug zugebracht und im Golf von Mexiko, in der Nordsee oder vor der Küste Australiens Pipelines repariert. Er schätzt, dass bis zu 150 Stunden Erfahrung mit dem Hardsuit nötig sind, um ihn richtig lenken zu können. Von den weltweit rund 80 Tauchern, die überhaupt einmal in diesem Anzug gesteckt haben, können das nur die wenigsten. Der Hardsuit wiegt eine halbe Tonne und erinnert an eine Ritterrüstung, doch wenn der Taucher erst einmal in ihn hineingeklettert und mit Hilfe eines Krans ins Wasser gelangt ist, verleiht er Flügel. „Einen Hardsuit zu steuern ist wie fliegen“, sagt Bissett, „wie fliegen mit den Füßen.“ Denn die vier elektrischen Antriebspropeller auf dem Rücken werden mit den Sohlen bedient, mit einem Druck der Ferse oder des Fußballens.

Vorne an den Armteilen sitzen Greifer aus Stahl, die von innen mit Hebeln bedient werden. Ein geschlossenes System mit einem Kohlendioxidfilter sorgt bis zu 48 Stunden lang für Atemluft. Mit der Besatzung an Bord ist der Hardsuit-Pilot über Kabel verbunden wie über eine Nabelschnur. Sie liefern den Strom für die Propeller und ermöglichen die Kommunikation. Messgeräte ermitteln die medizinischen Daten des Tauchers, eine Miniaturkamera überträgt Bilder des Arbeitsgangs nach oben, Halogenscheinwerfer sorgen für Licht.

Die 26 Gelenke des Anzugs sind so gebaut, dass sie auch bei hohem Druck (in 100 Meter Tiefe rund zehn Kilogramm je Quadratzentimeter) so beweglich wie an Land sind. Sie sind mit einem speziellen Silikonöl gefüllt; das Patent für die Gelenke hält der kanadische Hersteller Hardsuit Incorporated in Vancouver.

Der Rekord im Hardsuit-Tauchen liegt derzeit bei 600 Metern. Bissett ist immerhin auf knapp 300 Meter gekommen, als er 1998 im Golf von Mexiko Glasfaserkabel einer Ölplattform reparierte. Er schwört auf die Superanzüge – auch aus Sicherheitsgründen. „Haie, die da kommen und gucken, wer in ihren Gefilden einen solchen Lärm macht, ziehen wieder ab, weil sie sich sagen: Mit dem lege ich mich lieber nicht an“, erklärt Bissett, „normale Taucher leben da gefährlicher.“


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mare No. 29

No. 29Dezember 2001 / Januar 2002

Von Oliver Junker und Philippe Poulet

Oliver Junker, Jahrgang 1966, arbeitet als AFP-Korrespondent in Paris. Auf den Hardsuit wurde er aufmerksam, als kürzlich die französische Marine Tests mit den neuesten Hardsuits im Mittelmeer ankündigte.

Philippe Poulet lebt als freier Fotograf in Paris. Er arbeitet vor allem im Bereich Extremsport.

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Vita Oliver Junker, Jahrgang 1966, arbeitet als AFP-Korrespondent in Paris. Auf den Hardsuit wurde er aufmerksam, als kürzlich die französische Marine Tests mit den neuesten Hardsuits im Mittelmeer ankündigte.

Philippe Poulet lebt als freier Fotograf in Paris. Er arbeitet vor allem im Bereich Extremsport.
Person Von Oliver Junker und Philippe Poulet
Vita Oliver Junker, Jahrgang 1966, arbeitet als AFP-Korrespondent in Paris. Auf den Hardsuit wurde er aufmerksam, als kürzlich die französische Marine Tests mit den neuesten Hardsuits im Mittelmeer ankündigte.

Philippe Poulet lebt als freier Fotograf in Paris. Er arbeitet vor allem im Bereich Extremsport.
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