Enträtselung der Speisekarte

Who’s who: ein Lexikon der Krustentiere

Wer in einem guten Restaurant noch dem Geschmack der gerade verzehrten Scampi, Langostinos, Shrimps oder Nordseekrabben nachhängt, der wird deren korrekte wissenschaftliche Bezeichnung als bedeutungslose Besserwisserei abtun. Möchte man allerdings zu Hause diese Krebstiere genießen, ist es gut zu wissen, was sich hinter den Begriffen auf der Speisekarte oder im Fischladen verbirgt. Doch die kulinarische Nomenklatur, begründet in traditionellen regionalen Bezeichnungen und geschickter Vermarktung, ist uneinheitlich und zuweilen wissenschaftlich völlig falsch – so etwa die verbreitete Bezeichnung „Hummerkrabbenschwänze“ für schlichte Süßwassergarnelen (Macrobrachium rosenbergii).

Die kulinarisch bedeutsamsten Krebse gehören alle zu den Zehnfüßlern, den Decapoda. Gezählt werden nur die Schreitbeine, die an einem Vorderkörper ansetzen, der mit dem Kopf fest verwachsen ist und deren erstes Paar häufig zu kräftigen Scheren umgebildet ist. Die verschieden gestalteten Beine des Hinterleibes dienen bei den Weibchen vor allem der Anheftung der Eier. Bei den Garnelen ist außerdem ihr Einsatz beim Schwimmen bedeutsam. Oft werden die Dekapoden in drei Kategorien eingeteilt: Langschwanzkrebse (Macrura), Mittelkrebse (Anomura) und Kurzschwanzkrebse oder Krabben (Brachyura).

Unter den langschwänzigen Krebsen entsprechen Hummer und die im Süßwasser lebenden Flusskrebse am meisten dem Urbild des Krebses mit den großen Scheren. Flusskrebse wurden deswegen zu Krebsen schlechthin. Von oben gesehen haben sie einen stumpf endenden Hinterleib, ebenso der Europäische und der Amerikanische Hummer sowie der viel weniger bekannte Kaisergranat (Nephrops norvegicus), der ebenfalls zur Familie der Hummer zählt.

Der stumpfe Hinterleib unterscheidet sie deutlich von den Garnelen, deren ebenfalls langer Hinterleib in der Draufsicht spitz endet. Daher kann auch der Laie, vorausgesetzt die Schale ist noch vorhanden, dem Koch Mogelei nachweisen, wenn für einen Hummerpreis statt Hummer ähnlich große, aber billiger gehandelte Garnelen – Scampi (Singular: Scampo) – angeboten werden.

Obwohl sie Hummern ähneln und deswegen auf Englisch „spiny lobster“ oder „rock lobster“ heißen, gehören Langusten zu einer weiteren Langschwanz-Familie. Deutlicher Unterschied: Kleine „Scheinscheren“ statt der Zerkleinerungswerkzeuge der Hummer, dafür aber besonders stark ausgebildete, wehrhafte Antennen, mit deren Grundgliedern sie knarrende Geräusche erzeugen können. Langusten sind charakteristisch für Tropen und Subtropen, Hummer für kältere Regionen.

Bei den Bärenkrebsen mit ihren rund 50 Arten sind diese Antennen zu kurzen, breiten, plattenförmigen, vorne gezähnten Lamellen umgebildet. Die wohlschmeckenden, wegen Überfischung nur unregelmäßig angebotenen Bodenbewohner haben keine Scheren und sind im Ganzen abgeflacht. Scyllarides latus, eine Art der Bärenkrebse, kann bis zu 45 Zentimeter lang werden. Einige Arten gerieten im Englischen ebenfalls zu „Lobsters“.

Als Prawns, Gambas, Crevettes oder Shrimps kommen Garnelen auf den Markt. Meist sind die Handelsbezeichnungen keiner bestimmten Garnelenart zuzuordnen, sondern eher verschiedenen Größenklassen. Die Muskeln des spitz zulaufenden Hinterleibes der Garnelen sind stark entwickelt. Der ganze Garnelenschwanz ist im Gegensatz zu dem der Hummer mehr oder weniger seitlich zusammengedrückt.

Zwei Gruppierungen sind wirtschaftlich bedeutsam: Geißelgarnelen – etwa die bis 34 Zentimeter lange Schiffskielgarnele, die in Südostasien gezüchtet wird – und „Echte Garnelen“. Sie sind auf vielen Speisekarten zu finden, etwa als angebliche Hummerkrabben, Macrobrachium rosenbergii, oder kleinere, wohlschmeckende Shrimps wie die Tiefseegarnele Pandalus borealis – auch als „Grönland-Shrimp“ oder „Nordmeergarnele“ bekannt –, ferner die Sandgarnele Crangon crangon, regional auch als „Granat“ oder, wissenschaftlich durch nichts zu begründen, als „Nordseekrabbe“ bezeichnet.

Die kurzschwänzigen Brachyura, die hoch entwickelten echten Krabben, sind die formenreichste Gruppe der Zehnfüßler. Ein Schwanz ist von oben nicht mehr zu erkennen: Beim Übergang vom letzten Larvenstadium zur jungen Krabbe wird der Hinterleib kurz und flach und von da an nach unten-vorn fest unter das Vorderteil geschoben. Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt des Körpers zwischen die Schreitbeine – so sind sehr schnelle Laufbewegungen möglich. Die Schwimmkrabben haben durch eine paddelähnliche Ausbildung der hinteren Schreitbeine die Schwimmfähigkeit zurückerworben, so die in den USA als „softshell crab“ weich gegessene Callinectes sapidus, eine Art der Blaukrabben.

Die häufigste Krabbe unserer Küsten ist die Strandkrabbe Carcinus maenas, die in Deutschland kaum als Lebensmittel genutzt wird. Anders die Taschenkrebse, deren Scheren, die „Knieper“, und das bereits vom Panzer abgelöste Krebsfleisch sich großer Beliebtheit erfreuen. In Skandinavien und Frankreich werden zudem die Eierstöcke und die Mitteldarmdrüse, ein Leberäquivalent, gerne gegessen. Seespinnen haben nichts mit Spinnentieren zu tun, sondern sind echte Krabben mit dreieckiger Körperform. Den Namen verdanken sie ihren langen Beinen.


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mare No. 27

No. 27August / September 2001

Von Cornelia Buchholz

Cornelia Buchholz, Jahrgang 1952, ist Biologin und Anglistin und promovierte über die Häutung der Krebse. Sie lebt auf Helgoland, zuletzt als Gastforscherin an der dortigen Biologischen Anstalt. Dies ist ihr erster Beitrag für mare.

Die Zeichnungen sind mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell Science Ltd. in Oxford seinen beiden Schautafeln Crabs and Lobsters sowie Shrimp entnommen, die auch über das Internet bestellt werden können: www.fishknowledge.com/wallchts.htm. Die Größenangaben bezeichnen die Rückenpanzerlängen bzw. -breiten; Scheren blieben bei den Angaben der Größen unberücksichtigt. Wo es keine deutschen Namen gibt, sind entweder allgemeinere Bezeichnungen oder angelsächsische Namen angegeben.

Warenkundliche Kenntnisse, die außerdem wissenschaftlich korrekt und anschaulich sind, vermittelt das Küchenlexikon Crustacea. Shrimps, Hummer & Langusten von Christian Teubner und Michael Türkay, mit einer Küchenpraxis von Eckart Witzigmann, Füssen 1994 (142 Seiten, 69 Mark, lieferbar)

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Vita Cornelia Buchholz, Jahrgang 1952, ist Biologin und Anglistin und promovierte über die Häutung der Krebse. Sie lebt auf Helgoland, zuletzt als Gastforscherin an der dortigen Biologischen Anstalt. Dies ist ihr erster Beitrag für mare.

Die Zeichnungen sind mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell Science Ltd. in Oxford seinen beiden Schautafeln Crabs and Lobsters sowie Shrimp entnommen, die auch über das Internet bestellt werden können: www.fishknowledge.com/wallchts.htm. Die Größenangaben bezeichnen die Rückenpanzerlängen bzw. -breiten; Scheren blieben bei den Angaben der Größen unberücksichtigt. Wo es keine deutschen Namen gibt, sind entweder allgemeinere Bezeichnungen oder angelsächsische Namen angegeben.

Warenkundliche Kenntnisse, die außerdem wissenschaftlich korrekt und anschaulich sind, vermittelt das Küchenlexikon Crustacea. Shrimps, Hummer & Langusten von Christian Teubner und Michael Türkay, mit einer Küchenpraxis von Eckart Witzigmann, Füssen 1994 (142 Seiten, 69 Mark, lieferbar)
Person Von Cornelia Buchholz
Vita Cornelia Buchholz, Jahrgang 1952, ist Biologin und Anglistin und promovierte über die Häutung der Krebse. Sie lebt auf Helgoland, zuletzt als Gastforscherin an der dortigen Biologischen Anstalt. Dies ist ihr erster Beitrag für mare.

Die Zeichnungen sind mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell Science Ltd. in Oxford seinen beiden Schautafeln Crabs and Lobsters sowie Shrimp entnommen, die auch über das Internet bestellt werden können: www.fishknowledge.com/wallchts.htm. Die Größenangaben bezeichnen die Rückenpanzerlängen bzw. -breiten; Scheren blieben bei den Angaben der Größen unberücksichtigt. Wo es keine deutschen Namen gibt, sind entweder allgemeinere Bezeichnungen oder angelsächsische Namen angegeben.

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Person Von Cornelia Buchholz