Eisen auf Reisen

Die bulgarische Gemeinde zu Istanbul lässt 1893 eine neue Kirchebauen – in Wien. Der Bausatz aus Gusseisen kommt per Schiff

Ein Schiff zieht die Donau entlang Richtung Süden, schwer beladen mit großen, unförmigen Kisten. Aus Wien ist es gekommen, Konstantinopel ist sein Ziel; die Fracht ist wertvoll und die Route über das Schwarze Meer und durch den Bosporus nicht ohne Tücken.

Wien im Jahr 1893 In den Räumen der Firma Waagner studieren Wiener Ingenieure die Zeichnungen des Konstaninopeler Architekten Hovsep Aznavur. Es ist ein aufregendes Projekt, das es umzusetzen gilt, aufregend vor allem, weil der Architekt den Entwurf als Steinbau geplant hat, das Gebäude jetzt aber in Eisen ausgeführt werden soll. Aufregend auch, weil die Fantasie der Ingenieure gefordert wird, denn Auftraggeberin der Kirche Sveti Stefan ist die bulgarisch-orthodoxe Gemeinde zu Istanbul und ein solcher Bau für die Wiener ein neues Feld.

Rudolph Philipp Waagners Betrieb hat ein gutes Renommee in dem seit Mitte des Jahrhunderts aufstrebenden Eisengießereigewerbe; auf der Wiener Weltausstellung 1873 hatte die Firma in einem viel beachteten eisernen Palmenhaus ihre Produkte vorgestellt. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass Waagner die internationale „Concurrenz“, die die bulgarische Gemeinde ausgeschrieben hat, gewinnen konnte.

Im Werkhof der Wiener Gießerei wächst nach und nach eine Kirche, die den Anschein erweckt, als sei sie aus Stein errichtet, kein moderner Bau also, der stolz die Schweißnähte, Bleche und Profile zeigt, sondern ein Stück Eisenarchitektur, das sein wahres Ich so gut als möglich zu kaschieren versucht. Nicht nur die Tragstruktur, sondern sämtliche Dekorationselemente sind aus Metall, auch die im Innern der Kirche. Da werden also korinthische Kapitelle und Säulen, Gesimse und Rundbögen gegossen und genietet, Palmetten, Engel und florale Ornamente als Dekorationselemente entworfen und angebracht. Jedes Detail wird in Wien gebaut, eine komplett ausgerüstete Kirche prunkt bald im Hof der Firma Waagner.

Istanbul im selben Jahr Auf einem marschigen Grundstück am Goldenen Horn steht eine kleine Holzkirche. Sie dient der bulgarischen Gemeinde als Provisorium. Bald schon soll sie der Kirche weichen, die gerade in Wien entsteht. Die bulgarisch-orthodoxe Gemeinde hatte vor Jahrzehnten ein eigenes Gotteshaus gewünscht und beim Sultanat von Istanbul einen Antrag gestellt. Bis 1848 hielten die zahlreichen Bulgaren ihre Messe in der griechisch-orthodoxen Kirche ab, eine unglückliche Regelung, sprachen doch viele von ihnen weder Griechisch, noch fühlten sie sich der Tradition verwandt.

Hovsep Aznavur ist Armenier und schon als junger Mann weit gereist. In London geboren, wächst er in Istanbul auf. Er studiert in Rom und ist einer der vielen an europäischen Schulen ausgebildeten Architekten, die Istanbuls Stadtbild in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend prägen. Als er die bulgarische Kirche entwirft, ist noch nicht klar, dass der sumpfige Boden ein schweres Steingebäude nicht tragen würde und eine andere Lösung gefunden werden muss.


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mare No. 46

No. 46Oktober / November 2004

Von Zora del Buono und Heike Ollertz

Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

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Vita Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Heike Ollertz
Vita Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Heike Ollertz