Reden wir über die Magie der Delfine. Über die Macht, die sie über uns haben. Über ihren Trick.
Einen Großen Tümmler, Tursiops truncatus, aus nächster Nähe zu erleben, weckt in uns kindliche Freude, Staunen und Ehrfurcht. Aber noch etwas ganz anderes geschieht, wenn ein Solitärdelfin, ein Einzelgänger, sich sein Revier für eine längere Zeit nahe einer menschlichen Siedlung wählt. Ein soziales Kraftfeld baut sich auf, geschaffen durch das wilde Tier. Menschen strömen herbei, wollen diesem Wesen nahe sein. Menschen beginnen zu träumen. Sie sind im Inneren berührt, sie wittern eine Sensation, große Gefühle und nicht selten große Geschäfte.
Ein Erlebnis, nicht lange her, in Svendborg, Südfünen, Dänemark. Auf der Hafeninsel Frederiksø lag voraus diese alte Schiffswerft, und rechts, hinter dem Segelmuseum, erstreckte sich eine Brachfläche, auf der Gestrüpp den Beton gesprengt hatte. Die Abendsonne schien mild. An einer Kaimauer standen Dutzende am Saum des Wassers und starrten in ein verlassenes Hafenbecken, scheinbar grundlos. Sie hatten sich Bier und Cracker mitgebracht, manche auch Klappstühle, die Menschen lachten und scherzten. Worauf sie denn warteten?
„Auf Delle“, sagten sie, „Delle, den Delfin.“ Seit einem Dreivierteljahr lebe er hier, er jage oft an diesem Mauervorsprung. Und in der Tat, nach einer Weile durchbrach eine hell glänzende Schnauze die Wasseroberfläche, schraubte sich ein Leib empor, doppelt so groß wie ein Schweinswal, gewiss drei Meter lang, drehte sich in der Luft und tauchte spritzend wieder ein. Minutenlang ging das so. Das Publikum schaute gebannt zu, manche jubelten, viele schwiegen.
Die Stadt hatte einen Magneten bekommen. Abends, nach der Arbeit, gingen die Menschen von Svendborg neuerdings ihren Tümmler besuchen, und Neugierige reisten von weither an. Nicht wenige hatten wohl das Wunschbild vor Augen, das Delfinarien und die TV-Serie „Flipper“ in die Welt gesetzt haben – der Akrobat des Meeres als trauter Spielgefährte. Zu viele jedenfalls rückten Delle in den Wassern des Svendborgsunds auf die Pelle. Dabei war das nicht ungefährlich. Einmal hatte der Delfin so ungestüm mit einem Schweinswal getollt, dass er den Spielkameraden tötete. Als in der Eckernförder Bucht 2020 ein weiblicher Delfin auftauchte, der sich zutraulich verhielt, sahen sich die deutschen Behörden veranlasst, einen Verhaltenskodex für Begegnungen zu veröffentlichen. Die Regeln lauteten sinngemäß: Falls sich das Tier euch nähert, genießt das einfach. Füttert es nicht. Bedrängt es nicht. Verfolgt es nicht. Kurz: Lasst das Tier verdammt noch mal in Ruhe.
Je freundlicher sich ein Delfin gegenüber Menschen verhält, sagen Forscher, desto mehr bringe er sich in Gefahr. Denn der Mensch kann nicht widerstehen. „Overtourism“ nennen es die Naturschützer. In der Eckernförder Bucht halfen alle Mahnungen nichts. Am Ende starb das geschwächte Tier, die Obduktion ergab eine schwere Lungenentzündung, Magengeschwüre und Parasitenbefall.
Die Rätsel der Natur treiben den Menschen seit je um. Und der Delfin ist eines der geheimnisvollsten, jedenfalls ein heiteres Rätsel der Meere, ein unergründliches Versprechen. Intuitiv missdeuten wir schon seine Schwanzschläge, die nicht etwa Aufforderung zum Spiel sind, sondern ein Zeichen von Bedrängnis. Dabei würden wir das so gern, Delfine verstehen. Wollten es immer schon.
Die Form ihres nach oben gebogenen, vorn schnabelartig zulaufenden Mauls, der Unterbiss, die stumpfen Zähne: Ihr Äußeres ist wie geschaffen, uns Landbewohnern im Meer zu signalisieren, dass in ihrer Gegenwart keine Gefahr drohe. In unserer Wahrnehmung scheinen Delfine gar – in bemerkenswertem Kontrast zur, nun ja, Miene des Hais – immerfort zu lächeln. Eingesetzt werden sie auch deshalb in der Therapie mit schwer erkrankten Kindern, doch das ist aus vielerlei Gründen umstritten.
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Rüdiger Barth, Jahrgang 1972, ist Autor in Hamburg.
Henry Horenstein, Jahrgang 1947, lebt als freier Fotograf in Boston, Massachusetts. Die Delfine hat er im Mystic Aquarium in Connecticut fotografiert. Von zweien weiß er den Namen: Willie und Jill.
| Lieferstatus | Lieferbar |
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| Vita | Rüdiger Barth, Jahrgang 1972, ist Autor in Hamburg. Henry Horenstein, Jahrgang 1947, lebt als freier Fotograf in Boston, Massachusetts. Die Delfine hat er im Mystic Aquarium in Connecticut fotografiert. Von zweien weiß er den Namen: Willie und Jill. |
| Person | Von Rüdiger Barth und Henry Horenstein |
| Lieferstatus | Lieferbar |
| Vita | Rüdiger Barth, Jahrgang 1972, ist Autor in Hamburg. Henry Horenstein, Jahrgang 1947, lebt als freier Fotograf in Boston, Massachusetts. Die Delfine hat er im Mystic Aquarium in Connecticut fotografiert. Von zweien weiß er den Namen: Willie und Jill. |
| Person | Von Rüdiger Barth und Henry Horenstein |