Eine schrecklich nette Familie

Das australische Paar Elayna Carausu und Riley Whitelum segelt seit sieben Jahren auf der „La Vagabonde“ um die Welt – und hat es mit seinen Videoblogs zu 1,6 Millionen Abonnenten gebracht.

Eine ausgeprägte Neigung zum Grinsekatzigen schadet nicht, wenn man YouTube-Star werden will. Wären also Elayna Carausu, 28, und Riley Whitelum, 37, nicht zwei fast schon klischeehaft tiefenentspannte, plauderfrohe und eben meist gut gelaunte Australier, hätten sie es mit ihren Segel-Videoblogs – kurz: Vlogs – auf YouTube wohl nicht auf 1,6 Millionen Abonnenten gebracht – unkige, mundfaule Skipper bedienen dagegen wohl nur eine ziemlich spitze Zielgruppe. Carausu und Whitelum aber erreichen mit den beliebtesten Videos ihres Kanals „Sailing La Vagabonde“ bis zu sechs Millionen Aufrufe; damit gehören sie zu den Spitzenreitern unter den etwa 800 Segelkanälen auf YouTube.

Seit 2014 segelt das Paar um die Welt, überquert Atlantik und Pazifik, schippert in der Karibik und im Mittelmeer. Seit drei Jahren ist auch ihr kleiner Sohn Lenny dabei. Und im Juni kam das zweite Bordbaby auf die Welt, das auf den seefahrer-adäquaten Namen Darwin getauft wurde. Wer ihren wöchentlichen Videos folgt, bekommt nebenbei auch einen Crashkurs in YouTube-Erfolgsstrategie, deren universal übertragbare Grundsätze sich auch nutzen lassen, wenn man keinen Segel-Vlog, sondern zum Beispiel einen Kanal über Meerschweinchendressur starten will. Wobei die Meerschweinchen dann tatsächlich sämtliche Niedlichkeitsressourcen aktivieren müssten, um mit den postkartenblauen Meeresansichten des Seglerpaars mithalten zu können.

Lektion eins der „La Vagabonde“-Strategie: Lass es nicht wie eine Strategie aussehen. Zuschauer lieben das Gefühl, bei einer absichtslosen, ganz natürlichen Entwicklung zuzuschauen, nichts ist abturnender als ein durchscheinender Masterplan. Schon die Kennenlerngeschichte von Elayna und Riley klingt nach einer träumerlemäßigen Zufälligkeit, wie sie sonst bestenfalls in romantischen Boy-meets-girl-Komödien passiert: Er hatte acht Jahre auf einer Ölbohrinsel gearbeitet, bis er sich das Geld für eine eigene Segelyacht zusammengespart hatte, und ankerte mit ihr vor einer griechischen Insel. Sie zog auf derselben Insel im Auftrag eines Reiseunternehmens von Bar zu Bar, um Touristen mit ihrer Musik zu unterhalten.

Ihr sei schon von Weitem sein wahnwitzig ausladender Schnurrbart aufgefallen, erzählt Elayna Jahre später in einem Video, dann kamen beide tatsächlich ins Gespräch, nachdem sein betrunkener Freund sie angequatscht hatte. Riley lud Elayna zu einem Segeltörn ein, aus einem Nachmittag wurden ein paar Wochen, dann flog sie zurück nach Australien, verkaufte ihren Van, in dem sie zuvor gelebt hatte, brachte ihrer Mutter bei, dass sie fortan auf einem Boot leben würde mit einem Mann, den sie da nur mittelgut kannte, und warf sich in das Abenteuer.

Zuerst, so geht die „La Vagabonde“-Legende, habe sie ihre wöchentlichen Vlogs nur für ihre besorgte Mutter und ein paar Freunde gedreht. Als schließlich immer mehr fremde Menschen auf der ganzen Welt auf ihren YouTube-Kanal aufmerksam wurden, richtete sie die Videos an ein allgemeineres Publikum.

Und beherzigte Lektion zwei: Lass deine Zuschauer dabei zusehen, wie du wächst. Wer sich durch inzwischen sieben Jahre Videos klickt, kann nicht nur dabei zusehen, wie sich die Video- und Schnittfähigkeiten im Lauf der Zeit verfeinern – obwohl einem Seegang-ungewohnten Magen zwischendurch immer noch reichlich flau werden kann, wenn sich die Schaukelei der hohen Wellen erstaunlich realistisch in leicht entgleister Kameraführung nachfühlen lässt. Die Zuschauer erleben auch mit, wie sich die Segelfähigkeiten der beiden immer mehr verbessern – angeblich kaufte Riley seine erste Yacht, als er gerade zehn Stunden Segelerfahrung auf dem Boot eines Freundes gesammelt hatte. Einmal, erzählt Elayna in einem Interview, sei er aufgewacht und habe eine beunruhigende Menge Wasser im Boot entdeckt – und als Erstes „Hilfe, mein Boot sinkt!“ gegoogelt.


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mare No. 147

mare No. 147August / September 2021

Von Anja Rützel

Anja Rützel, geboren 1973, lebt als Autorin in Berlin. Auf YouTube vertändelt sie am liebsten ihre Zeit mit alten TV-Aufnahmen von legendären Siegen ihres Lieblingsvereins FC Bayern München.

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Vita Anja Rützel, geboren 1973, lebt als Autorin in Berlin. Auf YouTube vertändelt sie am liebsten ihre Zeit mit alten TV-Aufnahmen von legendären Siegen ihres Lieblingsvereins FC Bayern München.
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