Eine Karte verändert die Welt

Eine 1507 von dem deutschen Kartografen Martin Waldseemüller gedruckte Weltkarte nannte erstmals den Doppelkontinent zwischen Pazifik und Atlantik „Amerika“. 400 Jahre lang war sie spurlos verschwunden

Fast 400 Jahre lang galt „Amerika“ als verschollen. Intensiv hatten Kartografen danach gesucht, einige die Hoffnung schon aufgegeben, andere allmählich daran gezweifelt, dass es sie tatsächlich jemals gegeben hatte: eine Weltkarte, auf der erstmals der Name „Amerika“ für den Kontinent zwischen Pazifik und Atlantik verwendet wird. Und als diese ebenso berühmte wie viel gesuchte Karte schließlich im Juli 1901 auf dem Dachboden eines Schlosses in Süddeutschland wieder auftauchte, war dies vor allem dem Zufall zu verdanken. 

Eigentlich hatte Josef Fischer, ein Jesuitenpater aus dem österreichischen Feldkirch, eine ganz andere Karte im Sinn, als er nach Oberschwaben ins Schloss Wolfegg reiste. Der vielseitig gelehrte Geistliche suchte in der umfangreichen Bibliothek des Fürsten nach einer bestimmten Grönlandkarte, von der er sich Aufschluss über die Reisen nordischer Seefahrer erhoffte. Die Nordlandkarte war schnell gefunden, doch Fischer stöberte weiter. Dabei stieß er in einem schlichten Raum unter dem Dach auf einen Holzdruck, gebunden in Birkenholz und Schweinshaut, der sein Interesse erregte. Es handelte sich um eine Weltkarte, aufgeteilt in zwölf Rechtecke, zusammen etwa 1,30 mal 2,40 Meter groß. 

Konnte er das wirklich sein, der „heilige Gral der Kartografie“, wie der Autor Toby Lester in seinem Buch „Der vierte Kontinent“ diese spezielle Karte nennt? Sie war es. Der Holzdruck stammte aus dem Jahr 1507, in Frankreich angefertigt mit einem dazugehörenden Buch und einem Globus von dem deutschen Kartografen Martin Waldseemüller und seinem elsässischen Kollegen Matthias Ringmann. „Die vollständige Kosmografie nach der Überlieferung des Ptolemäus sowie nach dem Augenschein Amerigo Vespuccis und anderer“ nannten die beiden Gelehrten ihr Werk. Bekannt wurde die Darstellung jedoch einfach als Waldseemüllerkarte – und als „Geburtsurkunde Amerikas“. 

Das mag pathetisch klingen, doch markiert diese Karte tatsächlich den Beginn einer neuen Vorstellung von der Welt. Sie ist das erste Artefakt, auf dem sich die Bezeichnung „Amerika“ für jenen Erdteil findet, den Christoph Kolumbus 15 Jahre vor Entstehung der Karte irrtümlich für Indien gehalten hatte. Waldseemüller und Ringmann stellten die Neue Welt erstmals als eigenen Kontinent dar, losgelöst von Asien und rundum von Wasser umgeben. 

Nie zuvor hatte es eine Weltkarte gegeben, die neben Europa, Afrika und Asien einen vierten Erdteil zeigte. Dass die beiden Kartografen für diesen die Bezeichnung „Amerika“ wählten, ging auf den Seefahrer Amerigo Vespucci zurück. Dieser hatte aufgrund eigener Reisen kurz vor dem Druck der Waldseemüllerkarte als Erster die Ansicht vertreten, bei dem zuvor von Kolumbus entdeckten Land müsse es sich um einen eigenen Erdteil handeln – damals eine geradezu revolutionär erscheinende Behauptung.

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mare No. 148

mare No. 148Oktober / November 2021

Von Katrin Blawat

Katrin Blawat, Jahrgang 1982, Journalistin in München, hat Respekt vor der Arbeit von Kartografen. Einmal reiste sie – bevor es Google Maps gab – ohne vernünftige Amerikakarte in die USA. Zwei Tage lang irrte sie durch Oregon und fand die Pazifikküste nicht.

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Vita Katrin Blawat, Jahrgang 1982, Journalistin in München, hat Respekt vor der Arbeit von Kartografen. Einmal reiste sie – bevor es Google Maps gab – ohne vernünftige Amerikakarte in die USA. Zwei Tage lang irrte sie durch Oregon und fand die Pazifikküste nicht.
Person Von Katrin Blawat
Vita Katrin Blawat, Jahrgang 1982, Journalistin in München, hat Respekt vor der Arbeit von Kartografen. Einmal reiste sie – bevor es Google Maps gab – ohne vernünftige Amerikakarte in die USA. Zwei Tage lang irrte sie durch Oregon und fand die Pazifikküste nicht.
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