Vom Himmel fällt ein kalter Nieselregen, von der Art, die einem sofort in die Glieder fährt. In solchen Momenten kann es am alten Hafen von Reykjavík schrecklich ungemütlich sein. Wenn es da nicht diesen besonderen Zufluchtsort gäbe. Man sieht ihn schon von Weitem. Ein kleiner, türkisfarbener Holzbau.
Kaum tritt man hinein, strömt einem der Geruch von geräuchertem Fisch entgegen, der einen für einen Moment ganz benommen macht. Ein Gang zwischen surrenden Kühlregalen führt geradewegs zur Kasse. In den Regalen liegen frische Spieße mit verschiedenem Fisch und sogar Walfleisch kombiniert mit Paprika, außerdem Räucherlachs und Trockenfisch, fermentierter Hai in Würfeln und getrocknete Algen. Im Kühlschrank zur Rechten gibt’s Softdrinks und Bier, und an drei langen, schmalen Tischen hocken strahlende Menschen. Sie sitzen auf kleinen Plastiktonnen, in die die Fischer auf See sonst den Fischrogen tun. Dabei preisen sie, zufrieden schmatzend, das Essen und den Laden, als gäbe es auf der Welt nicht seinesgleichen.
Der Lobgesang gilt auch der Hummersuppe. Für die ist diese Fischbude berühmt. Schon vor der Tür prangt ein Schild, auf dem „Sægreifinn“ steht, was übersetzt „Seebaron“ heißt, der Name der Bude, und darunter steht „Heimsins besta humarsúpa“, „die beste Hummersuppe der Welt“.
Geht man nun zur Kasse, um sie zu bestellen und beiläufig zu fragen, woher man wisse, dass es die „beste der Welt“ sei, antwortet das Mädchen im Fleecepullover grinsend: „Weil das die Gäste sagen.“ „Und außerdem“, sagt Kjartan Halldórsson und kichert, „stand das schon in der ‚New York Times‘!“ Kjartan Halldórsson ist 74 Jahre alt und der Besitzer des „Sægreifinn“. 30 Jahre lang fuhr er zur See und arbeitete als Koch auf Trawlern. Als er vor acht Jahren in den Ruhestand ging, wollte er ein Fischgeschäft im Hafen eröffnen. Und im Nu kamen die Kunden und wollten wissen, wie er den Fisch zubereitet. Also kochte er Hummersuppe, kaufte einen Grill, legte Fischspieße darauf und hatte plötzlich ein Restaurant.
Dass es berühmt werden würde, konnte man damals nicht wissen. Das heißt, vielleicht schon. Denn in Island liebt man es, Dinge für berühmt zu erklären. Deshalb darf man sich nicht wundern, wenn man nachts in den Bars diverse Mitglieder von „einer der besten Bands Islands“ kennenlernt oder erfährt, dass es in Island nicht nur das reinste Wasser, die frischeste Luft, die leckersten Hotdogs und das würzigste Islandlamm, sondern auch die meisten Literaturnobelpreisträger gibt – weltweit, pro Kopf in einem Land. Dafür reicht bei nur 320 000 Einwohnern nämlich bereits einer: Halldór Laxness.
Doch zurück zur Suppe. Sie kommt in einem großen Becher daher, dazu gibt es Baguette und Butter, gegessen wird mit einem Plastiklöffel. „Die weltbeste Hummersuppe gibt dir Lebensenergie“, steht in der Broschüre. „Sie hat einen reichhaltigen Hummergeschmack. Ihre Farbe erinnert dich an einen tieforangefarbenen Sonnenuntergang. Wenn du sie einmal probiert hast, wirst du ihren köstlichen Geschmack nie wieder vergessen!“ Und was soll man sagen? So ist es tatsächlich! Sie ist heiß und cremig, mit reichlich Curry gewürzt und perfekt gesalzen.
Kjartan läuft kichernd durch seinen Laden oder haut mit dem Hammer gegen einen der Kühlschränke, der nicht mehr so recht will. Während man selbst auf einer Tonne sitzt, strahlt und höchst zufrieden schmatzt und sich fühlt wie ein alter Seemann, der nach einem langen Törn auf See nach Hause kommt und nie und nirgendwo sonst in seinem Leben eine bessere Hummersuppe gegessen hat.
Das Rezept für die Suppe rückt Kjartan Halldórsson natürlich nicht heraus. Schließlich galten Rezepte bei den Wikingern einst als geheimes Gut. Außerdem gäbe es die weltbeste Hummersuppe sonst ja überall.
Zweitbeste Hummersuppe der Welt
Zutaten (für vier Personen)
1 kg tiefgekühlten Hummer, 1 Fischbrühwürfel, 1 Zwiebel, 1 Selleriestaude, 1 Lauchstange, 1 Möhre, 20 ml Brandy, 100 ml Weißwein, 30 ml Portwein, 1 Becher Sahne, Butter, 1 Bund Dill, Curry, Paprikapulver, Safranfäden.
Zubereitung
Den Hummer über Nacht im Kühlschrank auftauen lassen. In sprudelndem Wasser 2,5 Minuten kochen. Anschließend das Fleisch aus den Scheren, Körper, und Beinen auslösen und beiseitelegen. Die Karkasse in Stücke zerteilen und in Butter anbraten, anschließend mit Brandy ablöschen. Weißwein, ein Liter Wasser und Fischbrühwürfel hinzugeben und köcheln lassen. Den Sud nach 20 Minuten durch ein Sieb gießen, anschließend bis auf etwa die Hälfte reduzieren. Zwiebel, Sellerie, Lauch und Möhre klein schneiden und in einem zweiten Topf in Butter andünsten. Sahne, Curry, Paprikapulver, Safran, Port sowie den Hummersud dazugeben, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Zum Schluss Hummerfleisch in die Suppe geben, Dill dazu und servieren.
Sægreifinn
Geirsgata 8, Reykjavík/Island;
Tel. + 354 553 1500;
im Sommer täglich von 11.30 bis 23 Uhr geöffnet, im Winter von 11.30 bis 22 Uhr.
Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island. Sie berichtete aus Finnland, Schweden, Südafrika, Marokko, Frankreich, England und immer wieder aus Italien. Oft auf der Suche nach dem Verhältnis des Menschen zum Meer und immer mit der Frage, warum Menschen leben und denken wie sie es tun. Über ihre Zeit in Island schrieb sie das erzählende Sachbuch Wo Elfen noch helfen, für das National Geographic-Buch Deutschlands Küsten und Inseln schrieb sie die Reportagen.
Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe.
Vita | Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island. Sie berichtete aus Finnland, Schweden, Südafrika, Marokko, Frankreich, England und immer wieder aus Italien. Oft auf der Suche nach dem Verhältnis des Menschen zum Meer und immer mit der Frage, warum Menschen leben und denken wie sie es tun. Über ihre Zeit in Island schrieb sie das erzählende Sachbuch Wo Elfen noch helfen, für das National Geographic-Buch Deutschlands Küsten und Inseln schrieb sie die Reportagen.
Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe. |
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Person | Von Andrea Walter und Heike Ollertz |
Vita | Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island. Sie berichtete aus Finnland, Schweden, Südafrika, Marokko, Frankreich, England und immer wieder aus Italien. Oft auf der Suche nach dem Verhältnis des Menschen zum Meer und immer mit der Frage, warum Menschen leben und denken wie sie es tun. Über ihre Zeit in Island schrieb sie das erzählende Sachbuch Wo Elfen noch helfen, für das National Geographic-Buch Deutschlands Küsten und Inseln schrieb sie die Reportagen.
Heike Ollertz, geboren 1967 im Ruhrgebiet, ist aufgewachsen in Hamburg - fast am Elbstrand und immer mit dem Tuten der großen Pötte im Ohr. Sie ist mare Fotografin der ersten Stunde. Für den ersten mare Bildband umrundete sie Irlands Küsten. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein, studierte sie an der Universität der Künste in Berlin. Für internationale Magazine und Verlage fotografierte sie Reisereportagen in mehr als 30 Ländern. Seit ihrer Arbeit an dem mare Bildband Island, beschäftigt sie sich intensiv mit den sichtbaren Spuren des Anthropozäns in Islands Landschaften. Heike Ollertz ist Mitglied der Agentur Focus und lehrt als Professorin für Fotografie an der UE University of Applied Sciences Europe. |
Person | Von Andrea Walter und Heike Ollertz |