Ein Quantum Trost

Eine Fischbude in dem Fischerort Hermanus an Südafrikas Westküste macht glücklose Angler wieder glücklich

Als wir vor sechs Jahren nach Hermanus nach Hermanus zogen, war meine erste Liebe, neben dem wilden Atlantik, der „Hermanus Fish Shoppe“. Unser Sohn Anton und ich gingen im alten Hafen angeln und stiegen danach die steilen Steinstufen wieder hinauf zum Fischladen, um hungrig von der Salzluft, durstig, sonnenverbrannt fettigen Fisch in Panade mit slap chips zu essen. Selbst heute noch hat das Auspacken des Fisches aus seinem Wachspapier für mich etwas Weihnachtliches.

Niel und Yolanda De Kock werden oft für Griechen oder Portugiesen gehalten, aber dabei haben auch holländischstämmige Buren eine lange Tradition im Fischhandel. Sie kamen vor 17 Jahren nach Hermanus, nachdem Niel seinen Job als Lehrer aufgegeben hatte, und übernahmen den alten „Fish Shoppe“ im Hafen, dem ich lange nachtrauerte. Er hatte vor über 50 Jahren im Herzen der heute etwas schnöselig gewordenen Kleinstadt eröffnet und sich am alten Marktplatz über dem Hafen befunden mit Blick auf die Weltkriegskanonen, die landwärts zeigen. Zum Zeichen des Friedens, sagt man.

Hier begannen die De Kocks ihr kleines Familienimperium, das sich später über drei Läden erstreckte und in denen auch Barbiepuppen, Bleistifte, Taschenrechner, Neoprenanzüge, Tennisbälle, Rugbytrikots, Angeln und Fahrräder verkauft werden. Der Hauptladen am Hafen musste inzwischen einer Kaffeekette und Boutiquen für gelangweilte Ehefrauen weichen, geblieben ist der „Hermanus Fish Shoppe“ 500 Meter davon entfernt an der Hauptstraße, und inzwischen ist auch klar, dass keines der Kinder von Niel und Yolanda den Familienbetrieb übernehmen will. Simoné, Noel, Pauline und Allan, der gerade Abitur macht, möchten mit Fisch nichts zu tun haben. Ganz im Gegensatz zu den Einheimischen und den Ausländern wie wir, die ihr Fischpaket brauchen, um zu überleben.

Ich selbst liebe den Snoek, makrelenartigen, festen Fisch voller Gräten, die Kinder essen lieber zarten Hake, Seehecht, und meine Frau bestellt eigentlich nur die Calamariringe, die butterweich sind. Und das, obwohl sie aus Neuseeland kommen. Der hiesige Kalmar, Chokka, den wir schon mit Garnelenattrappen im Hafen gefangen haben, ist noch besser, wird aber exportiert. Wahrscheinlich nach Neuseeland.

Der Fisch wird in Panade frittiert, die Niel De Kock mit acht geheimen Gewürzen einzigartig macht. Auf Wunsch wird mit Essig und Salz abgeschmeckt, nie genug, weshalb man sich an den Tischen reichlich nachhelfen kann. Wirklich gut sind die zarten und vom Fels gepflückten Austern, die etwas abseits zwischen den Angeln und Fahrrädern in einem Aquarium mit Salzwasser frisch gehalten werden.

Die slap chips, die „schlappen Chips“, die es zum Fisch gibt, machten uns am Anfang zu schaffen. Breit geschnitten und bleich wie Margarine, waren sie das Gegenteil von knusprig. Einmal bat ich die Mädchen, von denen immer ein ganzer Schwarm hinter Kasse und Fritteuse zugange ist, die Pommes wieder und wieder reinzuwerfen. Aber sie wurden einfach nicht brauner. Das liegt daran, dass man aus einem bleichen, breiten Holländer keinen dünnen, braun gebrannten Franzosen machen kann. Inzwischen löst das Wort slap chips bei uns ebensolchen Heißhunger aus wie ein nach Essig duftendes Paket heißer hake & chips. Der ideale Trost nach Stunden erfolglosen Angelns und Möwengeschrei.

Im „Fish Shoppe“ trifft sich übrigens das wahre Hermanus, das langsam von den Neureichen verdrängt wird. Arbeiter von den Abalonefarmen, Fischer und Bauarbeiter essen hier – Kundschaft, bei der sich Niel De Kock seit Jahren mit einer Leidenschaft bedankt: Er führte die Rugbymannschaft des Fischervororts Hawston zum Erfolg.

Der „Fish Shoppe“ ist übrigens auch ein Ausflugsziel. Samstags sieht man ganze Familien aus den alten farbigen Vierteln und der schwarzen Township, die sich das gute, bodenständige Gefühl gönnen, das mehrere Portionen Fisch und slap chips auslösen, wenn man sie, wie es sich gehört, mit den Fingern isst. Für die Touristen hat man inzwischen kleine Päckchen mit Gabel und Messer, Essig und Ketchup abgepackt. Aber wer will schon mit sauberen Fingern aus dem „Fish Shoppe“ kommen?


Fish ’n’ Chips

Zutaten (für 4 Personen)
4 Seehechtfilets, 1 kg Kartoffeln,
2 l Fritieröl, 150 g Weißmehl,
1/2 TL Backpulver, 1 EL weißer Essig, 200 ml Bier, Estragon, Petersilie,
Koriander, Pfeffer, Chili.

Zubereitung
100 g Mehl mit Backpulver, Gewürzen, Bier und Essig zu einer Panade verrühren. Öl in einer tiefen Pfanne erhitzen. Fisch erst im restlichen Mehl, dann in der Panade wälzen. Kartoffeln in fingerdicke Streifen schneiden. Fish ’n’ Chips ins Öl geben. Nach 5 Minuten sind die Chips fertig, nach 6 bis 10 Minuten der Fisch.

Hermanus Fish Shoppe
73 Main Road, Hermanus, Südafrika,
+27 (0)28 3130192,
Mo–Fr 8–19, Sa, So 8–18 Uhr

mare No. 84

No. 84Februar / März 2011

Von Sven Lager und Pieter Hugo

Sven Lager, Jahrgang 1965, war Autor und Schriftsteller (Phosphor, Im Gras). Er lebte mit seiner Familie zweitweise in Hermanus (Südfarika), arbeitete dort als Autor für zahlreiche Magazine und Zeitschriften. Er gründete das erste Share-House vor Ort. Zurück in Berlin setzten er und sein Frau Elke Naters, zwei weitere Share-Hause-Projekte in Berlin, in Kreuzberg und Neu-Köln um. Sven Lager starb 2021.

Mehr Informationen
Vita Sven Lager, Jahrgang 1965, war Autor und Schriftsteller (Phosphor, Im Gras). Er lebte mit seiner Familie zweitweise in Hermanus (Südfarika), arbeitete dort als Autor für zahlreiche Magazine und Zeitschriften. Er gründete das erste Share-House vor Ort. Zurück in Berlin setzten er und sein Frau Elke Naters, zwei weitere Share-Hause-Projekte in Berlin, in Kreuzberg und Neu-Köln um. Sven Lager starb 2021.
Person Von Sven Lager und Pieter Hugo
Vita Sven Lager, Jahrgang 1965, war Autor und Schriftsteller (Phosphor, Im Gras). Er lebte mit seiner Familie zweitweise in Hermanus (Südfarika), arbeitete dort als Autor für zahlreiche Magazine und Zeitschriften. Er gründete das erste Share-House vor Ort. Zurück in Berlin setzten er und sein Frau Elke Naters, zwei weitere Share-Hause-Projekte in Berlin, in Kreuzberg und Neu-Köln um. Sven Lager starb 2021.
Person Von Sven Lager und Pieter Hugo