Ein Palast für den Meeresfürsten

Im Ozeanographischen Museum von Monaco ist neben den bedeutenden Exponaten auch die monumentale Architektur der Jahrhundertwende sehenswert

Müsste ein Immobilienmakler das Musée Océanographique in Monaco per Inserat verkaufen, so würde er seine Anzeige vermutlich mit „Traumlage!!! ...“ beginnen.

Hoch über der Côte d’Azur gelegen, thront der helle klassizistische Sandsteinbau auf einer steilen Klippe 85 Meter über der mediterranen Landschaft wie ein tibetanisches Bergkloster. Erbaut wurde das architektonisch beeindruckende Meeresmuseum von 1899 bis 1910 auf Initiative Fürst Albert des Ersten von Monaco. In seiner Eröffnungsrede sprach er von einem Palast, „den der Architekt genial gestaltet hat, um meinem Wunsch nachzugehen, die beiden Leitkräfte der Zivilisation miteinander zu verbinden: die Kunst und die Wissenschaft“. Das war keine Übertreibung, tatsächlich wurde das Museum geradezu verschwenderisch mit Plastiken, Reliefs, Eichenholzschnitzereien, Mosaiken, Wandbildern, monumentalen Treppenaufgängen und gewaltigen Kronleuchtern ausgestattet. Sinnbild der Verbindung von Kunst und Wissenschaft ist auch der Konferenzsaal des Museums, in dem zahlreiche bedeutende ozeanographische Kongresse stattgefunden haben. Er nimmt es in seiner Ausstattung mit den prächtigsten Rathaus- und Palastsälen seiner Zeit auf.

Fürst Albert, der blaublütige Kapitänleutnant der französischen Marine, war besessen vom Meer und seinen Bewohnern. Mit seinen vier Schiffen „Hirondelle“, „Princesse Alice“, „Princesse Alice II“ und „Hirondelle II“ unternahm er ausgedehnte Forschungsreisen, die schon an Bord wissenschaftlich ausgewertet wurden. Das Labor der „Hirondelle II“ hat man im Meeresmuseum originalgetreu aufgebaut.

Seine Bedeutung verdankt das Museum jedoch Jacques-Yves Cousteau. Der umtriebige und mediengewandte Meeresforscher, der vor allem durch seine zahlreichen Dokumentarfilme und Bücher bekannt wurde, war von 1957 bis 1988 dessen prominentester Direktor.

Zu den beeindruckenden Sammlungen des musealen Prachtbaus gehören die Walskelette im Saal der zoologischen Meereskunde (Saal des Wals). Die meisten Skelette stammen von Meeressäugern, die eigenhändig von Fürst Albert harpuniert wurden.

Bedeutend ist auch die Muschelsammlung im Saal der angewandten Meereskunde (Saal des Bären), darunter die 85 Kilogramm wiegenden Schalen der Riesenmuschel Tridacna gigas. Neben den zoologischen Exemplaren gehören auch 450 kunstfertig bearbeitete Muscheln und Schalen von Kopffüßlern dazu, darunter eine mit Gold gefaßte und gravierte indische Riesenmuschel und ein im Stahlstich gravierter Nautilus aus dem 19. Jahrhundert. Staunend stehen viele Besucher vor der Nachbildung eines von der Decke des Saales herunterhängenden Riesenkalamar, lässt das Modell doch ahnen, welch gigantische Tiere die Weltmeere noch beherbergen mögen. Das Original war 1877 an der Küste Neufundlands gestrandet und maß über 13 Meter Länge.

Eines der kuriosesten Schaustücke ist ebenfalls eine Nachbildung: Das erste U-Boot der Welt, die sogenannte Schildkröte des Amerikaners David Bushnell. Das 1774 gebaute U-Boot sieht aus wie ein übergroßes Weinfass. Im Inneren musste der Bootsführer kräftig in die Pedale treten, die den Propeller zum Drehen brachten und das Tauchboot damit antrieben. Die „Schildkröte“ wurde im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen englische Kriegsschiffe eingesetzt.

Farbenpracht und Artenvielfalt kennzeichnen das Aquarium des Ozeanographischen Museums, das sich über das gesamte Untergeschoß erstreckt. Die insgesamt 90 Einzelaquarien sind in tropische Gewässer, Mittelmeer und Atlantik sowie Süßwasser aufgeteilt. Das kleinste Becken fasst 100 Liter, das größte 48 000 Liter. War es zu Zeiten Alberts des Ersten vor allem als Forschungsaquarium gedacht, so hat es sich im Laufe der Jahrzehnte doch mehr zu einem Schauaquarium entwickelt. Die etwa 6000 Fische gehören zu 370 verschiedenen Arten. Hinzu kommen noch mehrere hundert verschiedene wirbellose Tiere aus tropischen Gewässern und dem Mittelmeer.

Die Fische für das Aquarium werden zum Teil auf eigens dafür organisierten Expeditionen gefangen. Besonders Tiere aus dem Mittelmeer fischen die Wissenschaftler des Museums selbst von Bord ihres kleinen Bootes „Physalie“.

Eines der faszinierendsten so gezeigten Tiere ist der zur Familie der Seepferdchen gehörende Seedrachen. Der Geflügelte Seedrachen (Phycodurus eques) ist besonders selten, und sein Fang bedarf einer ausdrücklichen Genehmigung der australischen Fischereibehörden. Mit seinen leuchtenden Farben und den vielen Stummelflügeln sieht er aus wie eine Kreatur aus der chinesischen Mythologie oder wie der drollige Marionettendrachen aus der Augsburger Puppenkiste.

Seit 1995 gibt das Meeresmuseum Monaco den Interessierten auch Einblicke in die Welt der Mikroorganismen. In Mini-Aquarien von 1,5 Zentimeter Länge und 2 Millimeter Tiefe werden durch eine binokulare Lupe mikroskopische Lebewesen wie Flohkrebse, Fischeier oder Larven beobachtet. Von einem Lichtwellenleitersystem angestrahlt, projiziert man die Live-Bilder dann im Konferenzsaal auf eine Riesenleinwand. Besonders bemerkenswert: Das Musée Océanographique kommt ohne Zuschüsse des Fürstentums aus, es finanziert sich allein durch die Eintrittsgelder der Besucher sowie die Einnahmen aus dem Souvenir-Verkauf und dem Restaurant. Deutsche Museumsdirektoren können davon nur träumen.


Musée Océanographique de Monaco
Avenue Saint-Martin, MC-98000 Monaco
Telefon (00377) 931 536 00,
Fax (00377) 935 052 97

Das Museum ist, außer während der Austragung des Formel-1-Rennens um den Großen Preis von Monaco ganzjährig geöffnet. Die Öffnungszeiten sind täglich von 10 bis 18 Uhr.

mare No. 1

No. 1April / Mai 1997

Von Rolf Nobel

Rolf Nobel, Jahrgang 1950, ist Fotograf der Hamburger Agentur Visum und lehrt Design und Medien an der Fachhochschule Hannover.

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Vita Rolf Nobel, Jahrgang 1950, ist Fotograf der Hamburger Agentur Visum und lehrt Design und Medien an der Fachhochschule Hannover.
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