Ein Meer aus Blut

Delfine haben nur einen Feind – die Fischerei. Ihr fallen jedes Jahr Hunderttausende der Meeressäuger zum Opfer

In den Achtziger Jahren wurde weltweit demonstriert, als Japan in Buchten der Insel Iki und im Hafen von Taiji massenweise Tümmler abschlachtete. Nun irrt, wer denkt, solch massive Proteste hätten dem Sterben ein Ende bereitet. Es wird weiter getötet. Rund 20000 Delfine trifft es jedes Jahr, und obwohl ihr Fleisch mit Quecksilber und anderen Toxinen belastet ist, wird es von den Japanern mit Genuss verspeist.

Die japanische Variante des Delfintötens ist furchtbar, ihr Ergebnis sichtbar für alle, deren Magen den Anblick erträgt. Andere Delfine sterben auf hoher See, dort, wo nur ihre Jäger wissen, was vor sich geht. Der Bestand der Flecken- und Spinnerdelfine ist wegen des Beutelnetzfangs der Tunfischjäger im östlichen tropischen Pazifik in Gefahr. Zum Verhängnis wird den Delfinen die bislang unerklärliche Eigenart der Tunfische, sich unter einer Delfinherde zu versammeln. Die Meeressäuger, die sich oft in Herden von mehreren tausend Tieren bewegen, sind wegen ihrer Sprünge für die Fischer schon von weitem auszumachen. Also legen sie ihre Netze nach den Delfinherden aus.

Dazu lassen sie kleine schnelle Boote zu Wasser, mit denen sie die Delfine zusammentreiben. Dann lassen sie vom Mutterschiff das Netz herab und ziehen es um die Herde. Wenn beide umschlossen sind, Fisch und Delfin, ziehen die Fischer an dem Kabel, das durch Ringe an der Unterkante des Netzes verläuft, den Sack zu.

In den Anfangsjahren wurde noch alles, was sich im Netz verfangen hatte, an Deck gezogen. Nur den wertvollen Tunfisch behielt man. Der Rest, Delfine und kleinere Fische, ging als nutzloser Beifang über Bord.

So sind seit den frühen sechziger Jahren, als die Fischer von Angel und Speer zum Netzfang übergingen, zwischen drei und fünf Millionen Delfine getötet worden. Das amerikanische Gesetz zum Schutz der Meeressäuger von 1972 hat diese Praxis zwar unter Strafe gestellt, doch die Tunfischfänger besaßen eine starke Lobby. Sie machten weiter. Sie töteten Delfine in Schwindel erregenden Mengen; mehr als 300000 kamen allein 1972 um. Schließlich fanden sich die Fischer vor dem amerikanischen Bundesgerichtshof wieder. Ein Dachverband von Tierschutzgruppen hatte geklagt, und die Tunfischjäger mussten ihren Fang vorübergehend einstellen. Sie akzeptierten strenge Fangquoten und die Auflage, fortan nicht mehr als 20000 Delfine jährlich zu töten.

Zum Unglück der Delfine ist es äußerst schwierig, ihre Bestände zu schätzen und die Folgen des Beutelnetzfangs mit Zahlen zu belegen. Immer wieder gibt es Lücken in der Statistik. Noch 2001 berichteten Frederick Archer und andere staatliche Biologen empört von einem Vorfall, bei dem der Tod Tausender Delfine durch Netzfang nirgendwo vermerkt wurde. Die Experten schrieben: „Obwohl merklich weniger Delfine als früher in die Tunfischnetze geraten, erholt sich ihr Bestand viel langsamer als angenommen.“

Eine Ursache hierfür könnte der Stress sein, der bei den Tieren ausgelöst wird, wenn sie von den schnellen Motorbooten gehetzt und umkreist werden. Junge Delfine können mit ihren Müttern nicht mehr mithalten. Verfangen sich die Muttertiere im Netz, bleiben die Kälber im Meer zurück, wo sie zum Hungertod verurteilt sind. Die Zählungen der ausgewachsenen Tiere in den Netzen sind also nie vollständig, sie berücksichtigen nicht den Tod Tausender Jungtiere. Man schätzt, dass die Todesrate der Fleckendelfine um zehn bis 15 Prozent höher ist als ursprünglich angenommen, bei den Spinnerdelfinen liegt der Wert um sechs bis zehn Prozent.

Nach einem Bericht des US-amerikanischen Southwest Fisheries Science Center (SFSC), einer Abteilung der nationalen Fischereibehörde, vom August 2002 „hat sich der Bestand der Fleckendelfine seit Beginn des Beutelnetzfangs vor der Nordostküste auf 20 Prozent dezimiert, von den Spinnerdelfinen im Osten leben noch 35 Prozent. Keine Population erholt sich schnell genug, um derartige Verluste und die erwarteten Tötungen auszugleichen.“

Seit der Delfinschutz für US-Schiffe bindend ist, wird der Tunfisch im östlichen tropischen Pazifik jetzt mit Booten aus Mexiko, Kolumbien, Ecuador, Venezuela und Peru gefangen. Einem Bericht des SFSC vom Dezember 2002 zufolge setzen Tunfischfänger ihre Netze etwa 5000 Mal im Jahr auf Delfine an. Dabei werden jedes Jahr 6,8 Millionen Delfine von den Booten der Fischer gejagt und zwei Millionen Tiere von den Netzen eingeschlossen. Bricht man die Zahlen weiter herunter, erkennt man, dass jeder Fleckendelfin 10,6 Mal im Jahr gejagt wird und sich 3,2 Mal in einem Netz verfängt. Für den Ostpazifischen Spinnerdelfin liegen die Werte bei 5,6 und 0,7. Bei jenen Delfinen, die diese Tortur überleben, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sie unter Stress stehen.

Doch Delfine werden nicht nur von Tunfischfängern bedroht, sondern auch von herkömmlichen Fischern. Deren Treibnetze muss man sich vorstellen wie eine Mauer aus Maschendraht. Schwimmt ein Fisch hinein, werden Kopf und Körper fest umschlossen. Man kann diese Netze an der Oberfläche auslegen, in mittlerer Wassertiefe oder am Meeresgrund. Seit Mitte der siebziger Jahre werden vor allem japanische Monofilamentnetze benutzt. Mit diesen Treibnetzen hat Japan die verheerendste Form des Fischfangs erfunden. Die riesigen Netze werden im nördlichen Pazifik von japanischen, taiwanischen und südkoreanischen Fischereiflotten im offenen Meer ausgelegt.


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mare No. 56

No. 56Juni / Juli 2006

Von Richard Ellis

Der New Yorker Richard Ellis hat sich als Maler einen Namen gemacht. Besonders gern zeichnete er die Gehäuse von Meeresschnecken – bis er hörte, dass die Tiere vor allem von Dynamit- und Zyanidfischern gefangen werden. Er versenkte sich tiefer in die Materie und wandelte sich vom Betrachter der Meere zu ihrem Schützer. Im Frühjahr 2006 ist sein umfassendes Werk über die Plünderung der Ozeane im marebuchverlag erschienen, Der lebendige Ozean.

Aus dem Englischen von Tanya Lieske.

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Vita Der New Yorker Richard Ellis hat sich als Maler einen Namen gemacht. Besonders gern zeichnete er die Gehäuse von Meeresschnecken – bis er hörte, dass die Tiere vor allem von Dynamit- und Zyanidfischern gefangen werden. Er versenkte sich tiefer in die Materie und wandelte sich vom Betrachter der Meere zu ihrem Schützer. Im Frühjahr 2006 ist sein umfassendes Werk über die Plünderung der Ozeane im marebuchverlag erschienen, Der lebendige Ozean.

Aus dem Englischen von Tanya Lieske.
Person Von Richard Ellis
Vita Der New Yorker Richard Ellis hat sich als Maler einen Namen gemacht. Besonders gern zeichnete er die Gehäuse von Meeresschnecken – bis er hörte, dass die Tiere vor allem von Dynamit- und Zyanidfischern gefangen werden. Er versenkte sich tiefer in die Materie und wandelte sich vom Betrachter der Meere zu ihrem Schützer. Im Frühjahr 2006 ist sein umfassendes Werk über die Plünderung der Ozeane im marebuchverlag erschienen, Der lebendige Ozean.

Aus dem Englischen von Tanya Lieske.
Person Von Richard Ellis