Ein Kampf auf Leben und Tod

Ein Massensterben von Olivenbäumen in Italien erschreckt eine ganze Region. Schuld hat ein Schädling: Tier oder Mensch?

Grünblaue Unendlichkeit leuchtet links auf ihrem Weg, wenn Anita Rossetti in ihrem verbeulten Fiat morgens zur Arbeit fährt. Von Galatina, einer der vielen kleinen Barockstädte des Salento, nach Ugento, wo sie an einer Schule arbeitet. 40 Kilometer hin, 40 Kilometer zurück. Im Sommer steckt Anita ihr Badezeug ein, um am Nachmittag nach der Arbeit schwimmen zu gehen – kurz eintauchen, um sich zu vergewissern, dass sich zumindest das Meer, der Familienschmuck des Salento, seine Schönheit bewahrt hat: die Lapislazulibucht von Sant’Isidoro, die funkelnden Tiefen von Torre Uluzzo, das fluoreszierende Ultramarin von Castro, die grün schillernde Grotte von Andrano. Da, wo die Schnellstraße am Lido di San Giovanni ihren Bogen macht, liegt die Baia Verde von Gallipoli und glitzert wie ein Opal. „Bellissimo“, sagt Anita. „Bellissimo“, echoe auch ich angesichts dieses Meeres, in das sich der Salento wie ein Schiffsbug schiebt. Hier riecht man es, selbst wenn man es nicht sieht; es färbt den Himmel bei Sonnenuntergang so subtropisch-dramatisch, dass man das Ganze für eine digitale Nachbearbeitung hält.

Wegen des Meeres und der saccharinweißen Strände kam das apulische Fremdenverkehrsbüro auf die Idee, sich mit den Seychellen zu vergleichen. Was natürlich eine Beleidigung ist für den Salento. Er ist eine einzigartige Kulturlandschaft, die nicht nur aus Meer und Strand und in Tuffstein geschnittener Geschichte besteht – Barockkirchen, orientalisch anmutende Festungen und Adelspaläste –, sondern auch aus endlosen Olivenhainen auf schwerer, roter Erde: tausendjährige Bäume mit silbrig flirrendem Laub und Stämmen, in denen verknotete Jahrhunderte miteinander ringen. Die elf Millionen Olivenbäume des Salento unterstehen nicht nur dem Forstschutz-, sondern auch dem Denkmalschutzamt. Stirbt ein Olivenbaum, muss an seiner Stelle ein neuer gepflanzt werden. Und genau das ist das Problem.

Hier im Salento, der vom Meer umschmeichelten Absatzspitze Italiens, herrscht Krieg. An vielen Stellen flirrt das Laub der Olivenbäume nicht mehr. Äste recken sich verdorrt in den Himmel, Laubkronen wurden geköpft, an einigen Orten sieht es aus, als sei eine Feuerwalze über den Olivenhainen niedergegangen. „Un macello“, ein Schlachtfeld, sagt Anita, als wir einen verstümmelten Hain auf der Höhe von Nardò passieren. Anita Rossetti ist von Beruf Verwaltungsassistentin, tatsächlich aber ist sie eine Revolutionsführerin, die eine Truppe aus Ökolandwirten, Umweltschützern und Antimafiaaktivisten, Sekretärinnen, Bankangestellten und Studenten vereint.

Der Feind ist unsichtbar und überfiel den Salento heimtückisch im Herbst 2013: Xylella fastidiosa, die Feuerbakterie. Eine scheinbar aus dem Nichts auftauchende Epidemie, die sich unter den Olivenbäumen ausbreitete. Und hinter der sich, wie man heute weiß, viele Interessen und noch mehr Ungereimtheiten verbergen. Hektisch wurden Krisenstäbe gebildet, Interventionspläne entworfen, EU-Notfallfonds zur Verfügung gestellt und Bäume gefällt. Schließlich handele es sich hier um einen für die Landwirtschaft hochgefährlichen Erreger, der gemäß der europäischen Pflanzenschutzorganisation Quarantänebestimmungen unterliege.

Das Gebiet südlich von Lecce wurde zur Brutstätte des Erregers deklariert, die Wiesenschaumzikade zur Hauptüberträgerin, ein General der Forstwache zum „Außerordentlichen Kommissar“ ernannt. Er wacht darüber, dass „infizierte“ Olivenbäume entwurzelt, in einem Umkreis von 100 Metern auch alle gesunden Bäume gefällt werden, und verordnet den Einsatz von Pestiziden, von denen einige bereits als hochgiftig vom Markt genommen worden waren. Bauern, die sich weigern, ihre Bäume zu fällen, zahlen bis zu 3000 Euro Strafe. Anstelle des gefällten Baumes darf kein neuer gepflanzt werden. Was infiziert ist, bestimmt die Behörde – und ein einziges Labor. Gegenproben sind verboten. Der Transport von „infiziertem Material“ ist ein Strafdelikt.

Angeblich soll die zerstörerische Bakterie mit infiziertem Oleander aus Costa Rica eingeschleppt worden sein, der über Rotterdam nach Europa importiert wurde. Doch warum schlug die Killerbakterie dann nur im Salento zu? Warum fand drei Jahre vor dem Ausbruch der Epidemie, im Herbst 2010, an der Universität Bari ein Workshop statt, der sich der Feuerbakterie und den mit ihr verbundenen Quarantänemaßnahmen gewidmet hat? Und unter den Referenten zwei US-Forscher der Universität Berkeley, bekannt nicht nur als anerkannte Experten der Xylella fastidiosa, sondern auch als Berater des Agrarmultis Monsanto?


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mare No. 124

No.124Oktober / November 2017

Von Petra Reski und Jan Stradtmann

Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, ihr letzter Roman Bei aller Liebe handelt vom Geschäft der Mafia mit Migranten. Sie verfolgt die Geschichte um die Olivenbäume schon seit Jahren und denkt jedes Mal, wenn sie in den Salento kommt, dass die Wirklichkeit die Fiktion letztlich immer übertrifft.

Auch Fotograf Jan Stradtmann reist seit 2015 regelmäßig in den Salento und erkundet die Extreme, die die Gegend historisch, geografisch und klimatisch prägen. Dabei liegt sein Fokus auf dem Umgang des Menschen mit der Natur.

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Vita Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, ihr letzter Roman Bei aller Liebe handelt vom Geschäft der Mafia mit Migranten. Sie verfolgt die Geschichte um die Olivenbäume schon seit Jahren und denkt jedes Mal, wenn sie in den Salento kommt, dass die Wirklichkeit die Fiktion letztlich immer übertrifft.

Auch Fotograf Jan Stradtmann reist seit 2015 regelmäßig in den Salento und erkundet die Extreme, die die Gegend historisch, geografisch und klimatisch prägen. Dabei liegt sein Fokus auf dem Umgang des Menschen mit der Natur.
Person Von Petra Reski und Jan Stradtmann
Vita Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin, ihr letzter Roman Bei aller Liebe handelt vom Geschäft der Mafia mit Migranten. Sie verfolgt die Geschichte um die Olivenbäume schon seit Jahren und denkt jedes Mal, wenn sie in den Salento kommt, dass die Wirklichkeit die Fiktion letztlich immer übertrifft.

Auch Fotograf Jan Stradtmann reist seit 2015 regelmäßig in den Salento und erkundet die Extreme, die die Gegend historisch, geografisch und klimatisch prägen. Dabei liegt sein Fokus auf dem Umgang des Menschen mit der Natur.
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