Ein Haus wie ich

Der Schriftsteller und Exzentriker Curzio Malaparte setzte sich ein Denkmal – die schönste Villa auf Capri

Es muss Anfang der vierziger Jahre sein. Der deutsche Feldmarschall Erwin Rommel ist zu Gast und wird vom Hausherrn persönlich durch die Villa geführt, von Zimmer zu Zimmer und hinauf auf die Dachterrasse. „Dann“, schreibt Curzio Malaparte, „fragte er mich, ob ich mein Haus schon so, wie es sei, gekauft oder ob ich es selbst entworfen habe.“ Malaparte deutet mit einer lässigen Armbewegung auf das gewaltige Panorama ringsum: auf die berühmten Riesenklippen der Faraglioni, die Sorrentiner Halbinsel und das tiefblaue Meer. Und erwidert: „Ich habe die Landschaft entworfen.“ Für einen Malaparte sollte eben nichts unmöglich sein. Die Geschichte hat er übrigens frei erfunden, sie steht in seinem Roman „Die Haut“. Aber das Haus, das gibt es.

Es sieht nur nicht aus wie ein Haus. Vielmehr wie ein Schuhkarton, der mit einem dunklen Rot angestrichen ist, das an Ochsenblut erinnert.

Wer sich dem Haus von oben nähert, sieht zuerst die große Dachterrasse, dieses rote, nach allen Seiten offene Plateau mit dem weißen Sonnensegel in der Mitte. Dann die imposante Freitreppe, die, unten schmal und nach oben immer breiter werdend, hinaufführt wie auf einen Altar, archaisch und wild hoch über dem Meer gelegen.

„Hier“, schreibt Malaparte, „an der Stelle der Insel, die am stärksten verwildert, am vereinsamtesten und dramatischsten ist, wo das Menschliche in das Ungezähmte umschlägt, wo sich die Natur mit ihrer ungeheuren und entsetzlichen Gewalt ausdrückt und das außergewöhnlich scharf konturierte Vorgebirge gleich einer Felsenkralle ins Meer stürzt ... Hier, in dieser Wildnis, werde ich der Erste sein, der ein Haus errichtet.“

Es gibt berühmte Fotos von diesem Haus. Mimmo Jodice, Karl Lagerfeld und andere haben die Casa Malaparte fotografiert. Die einfachen sind die eindrucksvollsten: das rote Haus über dem blauen Meer, morgens rosarot, mittags feuerrot und abends, kurz nach Sonnenuntergang, fast violett. Ein roter Punkt, dahinter nur noch Wasser, blau, weiß, silbrig schimmernd. Und dann gibt es Fotos, da sieht man nur riesige Wellen, die um und über das Haus wüten. Und keine Farben mehr. Nichts als infernalische Gischt.

Malaparte ist von dieser Landschaft hingerissen. „Kein Ort in Italien verfügt über eine derartige Weite des Horizonts und eine derartige Tiefe an Gefühlen, die er hervorzurufen vermag. Ein Ort, der sicher nur für starke Männer, für freie Geister taugt.“ So stark und frei wie beispielsweise Gabriele D’Annunzio, wie Mussolini auch. Der hatte seine Rocca delle Caminate, D’Annunzio am Gardasee seinen Vittoriale.

Curzio Malaparte baut sich seinen Tempel an diesem Ort. „Mein Porträt aus Stein“, nennt er sein Haus, „traurig, hart und streng“, „ein Haus wie ich“. Aber wer ist Curzio Malaparte?

Geboren als Kurt Erich Suckert, 1898 in der Toskana, Sohn einer Italienerin und eines sächsischen Textilfabrikanten. Dieser Curtino ist ein eigenwilliger Bursche. Mit 16 Jahren Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, 1922 begeisterter Teilnehmer am Marsch auf Rom. Fortan steht er im Dienst der faschistischen Agitatoren, wird Parteisekretär in Florenz. Aus Kurt Erich Suckert wird in dieser Zeit Curzio Malaparte, im Gegensatz zu Bonaparte und den sprichwörtlichen guten Seiten des Lebens. Eine nette Provokation. Aber nur die erste Verwandlung von vielen. Malaparte wechselt in seinem Leben noch öfter die Seiten.

Er ist nacheinander Faschist, Verbindungsoffizier der Alliierten, Antifaschist, Kommunist, sympathisiert mit dem Taoismus und lässt sich römisch-katholisch taufen. Im ideologisch besetzten Nachkriegsitalien, das nur Gute und Böse, Gewinner und Verlierer kennt, sorgt solch eine Biografie für Aufregung. Und für ein Bild, das jahrzehntelang überdauert: Malaparte, der Opportunist. Ein Chamäleon, mit gutem Geschmack, aber ohne Überzeugungen.

Vergeblich versucht er, dieses Bild zu korrigieren. „Die Wahrheit ist, dass ich weder besser noch schlechter bin als meine dumme Legende. Ich bin einfach anders. Verstehen und akzeptieren kann mich nur, wer nicht vergisst, dass in mir die ganze Romantik und der ganze Wahnsinn der Deutschen steckt; dass ich, ach, kein Italiener wie die anderen bin, vielmehr das, was man gemeinhin einen Barbaren nennt.“ „

Den Barbaren hat Malaparte mit Leidenschaft gespielt, man könnte auch sagen: den Bürgerschreck und respektlosen Polemiker, den parfümierten Latin Lover, kurz: den nichtkonformistischen Intellektuellen in einer mehr als konformistischen Zeit. Der es im Übrigen vorzieht, geliebt zu werden, anstatt selbst zu lieben – von Frauen, die sich gut machen neben dem reichen Junggesellen. „Animalisch und instinktiv“ wünscht er sie sich und kritiklos bis zur Selbstaufopferung. Die 22-jährige Jane Sweigard, blond und hübsch, nimmt sich für ihn das Leben. „Ich habe sie getötet“, diktiert Malaparte den Journalisten. Dem Chef der Turiner Tageszeitung „La Stampa“ – der Malaparte selbst eine Zeit lang als Chefredakteur vorsteht –, Giovanni Agnelli, spannt er 1929 die Frau aus. Virginia ist 35 und Mutter von sieben Kindern, ganz Italien schwatzt über das Paar.

Schon früh wird jedoch deutlich: Als Faschist taugt dieser Dandy nicht recht. Den Parteibonzen ist er zu wenig orthodox. Mussolinis Krawattengeschmack sei fürchterlich, lässt er verbreiten, Hitler porträtiert er als „feisten und hochmütigen Österreicher“, als „die Frau, die Deutschland verdient“. Dafür muss er büßen. 1933 wird er aus der Partei ausgeschlossen und zu fünf Jahren Verbannung auf der Insel Lipari vor Sizilien verurteilt. Hier findet Malaparte seine Rolle, die er fortan nicht mehr ablegt: die des einsamen, verlassenen Intellektuellen.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 33. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 33

No. 33August / September 2002

Von Gregor Papsch

Gregor Papsch, Jahrgang 1968, ist Historiker. Er lebt als Hörfunkjournalist und freier Autor in Baden-Baden. Während seines Aufenthalts in der Casa Malaparte fiel ihm auf, wie sehr es im Innern durch die Ritzen pfiff.

Mehr Informationen
Vita Gregor Papsch, Jahrgang 1968, ist Historiker. Er lebt als Hörfunkjournalist und freier Autor in Baden-Baden. Während seines Aufenthalts in der Casa Malaparte fiel ihm auf, wie sehr es im Innern durch die Ritzen pfiff.
Person Von Gregor Papsch
Vita Gregor Papsch, Jahrgang 1968, ist Historiker. Er lebt als Hörfunkjournalist und freier Autor in Baden-Baden. Während seines Aufenthalts in der Casa Malaparte fiel ihm auf, wie sehr es im Innern durch die Ritzen pfiff.
Person Von Gregor Papsch