Ein grosser Wurf

1864 lässt ein Geophysiker eine Flaschenpost ins Meer werfen, um Strömungen zu erforschen. So macht man es noch heute

Ganz korrekt ist sie nicht,  diese Geschichte, doch sie wird in den Medien immer wieder gerne erzählt. Sie geht so: Sturm, Windstärke elf. Regen peitscht übers Deck, die schwere See kracht gegen die Planken. In der Kajüte trägt der Geophysiker und Polarforscher Georg Neumayer im Schein einer schwachen Petroleumlampe Datum und Position in ein Formular ein: 14. Juli 1864, kurz vor Kap Hoorn. Dann steckt er den Brief in eine geleerte Rumflasche, verschließt sie sorgfältig mit Korken und Siegellack und schleudert die Flaschenpost über Bord.

Drei Jahre später und Tausende Kilometer entfernt treibt sie in Australien an den Strand. Der Finder ist erstaunt. Hier liest er nicht die letzte Nachricht eines verzweifelten Schiffbrüchigen, sondern eine Aufforderung zur Mitarbeit an einem wissenschaftlichen Experiment. Per Post gelangt der Brief nach Hamburg, wo Neumayer eine Linie zwischen Südamerika und dem roten Kontinent in seine Strömungskarte einzeichnet.

Heute weiß man, dass nicht Neumayer persönlich, sondern einer seiner Mitarbeiter die Flaschenpost ins Meer warf. Neumayer war auch nicht an Bord jenes Schiffes, sondern auf einem anderen, das in der Nähe unterwegs war. Aber wie auch immer, es war Neumayers Idee, das steht fest. Und der Rest der Geschichte stimmt, das bestätigt Martina Plettendorff vom Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), von dessen Vorläufer, der Deutschen Seewarte, Neu­mayer Gründungsdirektor war. Bis 1933 gingen noch mehr als 6500 Flaschen dieser Art über Bord, von deutschen Handelsschiffen vor allem im Atlantik verteilt.

Etwa zehn Prozent der vorbereiteten Formulare kamen zurück. „Damit haben wir die wohl größte Flaschenpostsammlung der Welt in unserem Archiv“, sagt Detlev Machoczek, Ozeanograf am BSH. Anhand der gewonnenen Daten konnten Neumayer, der 1900 für seine Verdienste geadelt wurde und 1909 verstarb, und seine Mitarbeiter auf simple und kostengünstige Weise Meeresströmungen in den Ozeanen nachvollziehen.


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mare No. 114

No. 114Februar / März 2016

Von Sebastian Conradt

Je mehr er über das Thema las, desto gerührter war Sebastian Conradt, Jahrgang 1967, freier Wissenschaftsjournalist und Naturfotograf, von der Langsamkeit der Flaschenpost. Eine Antwort auf seine vor neun Jahren den Wellen der Ostsee anvertraute Nachricht lässt bis heute auf sich warten.

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Vita Je mehr er über das Thema las, desto gerührter war Sebastian Conradt, Jahrgang 1967, freier Wissenschaftsjournalist und Naturfotograf, von der Langsamkeit der Flaschenpost. Eine Antwort auf seine vor neun Jahren den Wellen der Ostsee anvertraute Nachricht lässt bis heute auf sich warten.
Person Von Sebastian Conradt
Vita Je mehr er über das Thema las, desto gerührter war Sebastian Conradt, Jahrgang 1967, freier Wissenschaftsjournalist und Naturfotograf, von der Langsamkeit der Flaschenpost. Eine Antwort auf seine vor neun Jahren den Wellen der Ostsee anvertraute Nachricht lässt bis heute auf sich warten.
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