Ein Bild für die Wissenschaft

Der Düsseldorfer Maler Andreas Schön fuhr in klassischer Expeditionstradition auf einem Forschungsschiff durchs Schwarze Meer. Was er auf der Reise sah, machte er zu einer Kunst.

Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit schön – so viel wisst ihr auf Erden, und dieses Wissen reicht.“ Mit diesen Zeilen beendete John Keats 1819 seine „Ode auf eine griechische Urne“ und brachte damit die Weltsicht der Romantik auf den Punkt: Wissenschaftliche Wahrheit und künstlerische Schönheit bildeten für den Dichter und seine Zeitgenossen erstmals eine Einheit. Diese Idee fand nirgends unmittelbareren Ausdruck als in der Expeditionsmalerei, die etwa zur gleichen Zeit in Mode war. Manch ein Forscher malte auf seinen Reisen selbst, und manch ein Maler zog auf eigene Faust aus, um die Welt zu entdecken. Häufig wurden Forschungsreisen aber auch von Künstlern begleitet, die mit ihren Bildern großen Einfluss auf die Entwicklung des modernen Naturverständnisses hatten und gleichzeitig die Kunst beeinflussten – bis die Fotografie den Expeditionsmalern im späten 19. Jahrhundert die Daseinsberechtigung nahm. So begleitete zwar 1914 noch der Maler George Marston Shackletons „Endurance“-Expedition, aber bekannter als dessen Gemälde wurden die Fotografien von Frank Hurley, der ebenfalls an Bord war.

Heutzutage ist die Anwesenheit eines Künstlers bei einer Expedition alles andere als selbstverständlich. „Was sucht ein Maler auf einem Forschungsschiff?“, lautet dementsprechend der erste Eintrag des Düsseldorfer Künstlers Andreas Schön im Logbuch, das er an Bord des Forschungsschiffs „Meteor“ führte. 2011 nahm Schön an einer zweiwöchigen Expedition des Bremer Zentrums für Marine Umweltwissenschaften (Marum) im östlichen Mittelmeer und Schwarzen Meer teil, deren Gegenstand die Suche nach Archaeen war: einzellige Organismen, die tief im Meeresgrund leben und in denen Merkmale des frühen Lebens auf der Erde erhalten geblieben sein könnten. Was die Forscher suchten, war also relativ klar. Was aber suchte der Maler?

Seine Anwesenheit auf dem Schiff verdankte Schön dem Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) in Delmenhorst, das mit dem Projekt „art in progress“ den Austausch zwischen Kunst und Wissenschaft fördern will. „Als die Kuratorin anrief und mich fragte, ob ich zwei Wochen lang als Expeditionsmaler auf einem Forschungsschiff mitfahren wollte, schien mir das eine gute Idee“, erzählt der 1955 in Kassel geborene Schön, der an der Kunstakademie Münster studiert hat, in den 1980er Jahren Assistent von Gerhard Richter war und sich seither in seinem Düsseldorfer Atelier der Malerei und Fotografie widmet. „Als Teenager wollte ich sogar zur Kriegsmarine – wobei ich kein besonders realistisches Bild davon hatte. Ich stellte mir etwas sehr Abenteuerliches darunter vor. Horatio Hornblower und so.“

Im Februar 2011 schiffte Schön sich in Valletta auf der „Meteor“ ein, gemeinsam mit etwa zwei Dutzend Wissenschaftlern. Angesichts der mit Laptops bewehrten Forschergruppe fühlte sich der Künstler, der sich dank seiner humanistischen Bildung in der Mythologie des Mittelmeerraums sicher bewegt, an die Argonauten erinnert. In den nächsten zwei Wochen würde er zwischen ihnen hausen, Logbuch führen, aquarellieren, fotografieren und versuchen zu verstehen.

Ihm wurde ein kleiner Arbeitsraum auf dem über der Brücke gelegenen Peildeck zugewiesen. „Alles Gerät und Zubehör an Bord ist sehr adrett und kompakt einsortiert. Wir auch“, stellte er im Logbuch fest. Dann begann der Schiffsalltag, der zunächst eher ruhig verlief. „Ein monumentales Frühstück um sieben, um zwölf Uhr Mittagessen, nachmittags Kaffee und Kuchen, dann Abendbrot“, beschreibt Schön seinen Tagesablauf. „Abends saßen wir manchmal in der Bar, aber man war angehalten, es mit dem Alkohol nicht zu übertreiben.“

Während die „Meteor“ über das ruhige Mittelmeer tuckerte, füllte Schön sein Notizbuch mit schnell hingeworfenen Aquarellen, die Hafenszenen, Seelandschaften und Schiffsgerät zeigen. Zum Teil malte er sogar mit Kaffee, was in brauntonigen Bildchen mit einem ganz eigenen, provisorischen Charme resultierte.

Spannend wurde es, als sich die „Meteor“ nach ein paar Tagen ihrem ersten Ziel näherte: dem Uranusbecken, einem Salinenbecken zwischen Kreta und dem Peloponnes, in dem die extremophilen Archaeen sich besonders wohlfühlen. Dort machten die Forscher ihre Sonden fertig, und Schön fotografierte. Tagelang dümpelte das Schiff über derselben Stelle. „Dauereinparken“ nennt Schön das.


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mare No. 99

No. 99August / September 2013

Von Anneke Bokern

Anneke Bokern, geboren 1971 in Frankfurt, studierte Kunstgeschichte in Berlin. Heute lebt sie als freie Autorin in Amsterdam.

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Vita Anneke Bokern, geboren 1971 in Frankfurt, studierte Kunstgeschichte in Berlin. Heute lebt sie als freie Autorin in Amsterdam.
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Vita Anneke Bokern, geboren 1971 in Frankfurt, studierte Kunstgeschichte in Berlin. Heute lebt sie als freie Autorin in Amsterdam.
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