Drei Wellen und schwarze Hühner

Wie ein Taufbad im Atlantik Babys vor dem Teufel schützt

Jedes Jahr am 24. August ist im Fischerdorf São Bartolomeu do Mar, wenige Kilometer nördlich von Porto, der Teufel los. An diesem Tag nähert er sich den Menschen und den Naturelementen so bedrohlich, dass nur ein besonderes Ritual seine Vertreibung sichert - zumindest nach dem Glauben der Familien, die daran teilnehmen.

Nach einer Legende des 13. Jahrhunderts gelang es Bartholomäus, einem der zwölf Apostel, den Teufel zu bezwingen - er wurde gefesselt und in die Wüste verbannt. Bartholomäus, Prediger und Mittler zwischen Gott und den Menschen, heilte zudem die üblichen Erscheinungen der Teufelsbesessenheit - als solche galten Epilepsie, Stottern, Stummheit, Ängste und Alpträume.

Am Morgen des 24. gehen die Dorfbewohner in die Kirche. Als Geschenk für Bartholomäus bringen die Kinder ein Huhn mit, möglichst ein schwarzes. Mit dem Federvieh in der Hand drehen sie drei Runden um das Gotteshaus, das soll helfen, den Teufel zu bändigen. In der Kirche steht eine Figur des Heiligen Bartholomäus auf einem bootsartigen Tragegestell. Auch dort drehen die Kinder drei Kreise, oft an der Hand des Vaters und mit dem Huhn auf dem Arm.

Nach der Messe machen sich alle auf den Weg zum Strand, zum „heiligen Bad" für die kleinen Kinder. Vater und Mutter ziehen ihr Kind nackt aus und überlassen es einem Bademeister, damit er den zitternden Körper in drei aufeinander folgende Wellen eintaucht. Nach jedem Eintauchen wischt er mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht seines Schützlings, der selbst wohl kaum Spaß an dem Zeremoniell hat. Kein rituelles Wort bemerkt man auf den Lippen des Bademeisters, aber er bekreuzigt sich hinterher. Eltern und Bademeister wirken wie Regieassistenten in einem Schauspiel höherer Mächte.

Das Eintauchen in den Atlantik - mit dem Kopf zuerst - soll der Teufelsbesessenheit vorbeugen. Die kurze Taubheit und Atemlosigkeit des Kindes, die bebenden violetten Lippen, das alles ähnelt dem teuflischen Delirium und soll wie eine Impfung wirken. Die Macht des „Burschen", so heißt der Teufel im Volksmund, kommt in den Meereswellen nicht nur zum Erscheinen, sondern auch zum Abklingen.

Die Feierlichkeiten, die seinem Widersacher Bartholomäus gebühren, beginnen bereits am 22. August mit dem traditionellen „Leinenmarkt". Heute bietet er vor allem industriell gefertigte Kleider, Schuhe, Haushaltswaren und Spielzeug. Am nächsten Tag spielen Musikkapellen, abends steigt das erste große Feuerwerk in den Himmel.

Am Nachmittag des 24. August, nach dem teufelsvertreibenden Tauchbad, zieht eine Prozession von der Kirche zum Meer: mit Christus, Maria, Bartholomäus und anderen Heiligen auf Tragegestellen, mit Kindern als Engel verkleidet und Männern als Apostel. Es folgen Musikkapellen, Pilger und Schaulustige. Am Strand spricht der Prediger über den Widerstreit zwischen Gott, Teufel und den Mächten des Meeres, während die Zuhörer im Sand sitzen und gebannt lauschen. Anschließend kehren alle zur Kirche zurück, die Hühner und andere Spenden werden versteigert.

Der uralte Glaube an die heilende Kraft des Meerwassers kreuzt sich hier sowohl mit dem neuzeitlichen Prozessionsritual als auch mit dem mittelalterlichen Brauch der Spende von lebenden Tieren. Im Gegensatz zum Opfer werden die Tiere nicht getötet, damit die Gläubigen - und nicht nur Gott - auch etwas von ihnen haben. Höhepunkte des Festes sind aber nach wie vor zwei heidnisch anmutende Momente: das Übergeben der schwarzen Hühner und das Eintauchen der Kinder ins Meer.

mare No. 26

No. 26Juni / Juli 2001

Von Teresa Salema

Teresa Salema, 1947 geboren, ist Germanistin und Schriftstellerin und lebt in Lissabon. In mare No. 12 beschrieb sie die Salzgewinnung südlich der portugiesischen Hauptstadt

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Vita Teresa Salema, 1947 geboren, ist Germanistin und Schriftstellerin und lebt in Lissabon. In mare No. 12 beschrieb sie die Salzgewinnung südlich der portugiesischen Hauptstadt
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Vita Teresa Salema, 1947 geboren, ist Germanistin und Schriftstellerin und lebt in Lissabon. In mare No. 12 beschrieb sie die Salzgewinnung südlich der portugiesischen Hauptstadt
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