Drehkreuz im Nirgendwo

Einst war der Flughafen Gander in Neufundland wichtigste Etappe der Transatlantikfliegerei. Heute ist sie ein Monument der Moderne

In der Geschichte des Fliegens über den Großen Teich hat der Name Gander einen fast magischen Klang. Doch was ist überhaupt Gander? Große Flughäfen entstehen gewöhnlich dort, wo sich Menschen- und Warenströme kreuzen – in Metropolen, alten Handelszentren oder an strategisch bedeutsamen Orten. Nichts davon trifft auf die Einöde Neufundlands zu, am windgepeitschten östlichsten Zipfel des nordamerikanischen Kontinents. Hier herrschen Weite, Stille, Leere. Viel Wald, durch den Karibus und Elche ziehen, und der nahe Gander Lake, über dem die klagenden Rufe der Wildgänse hallen. 1936 begann hier der Bau eines Militärflughafens, zwei Jahre später landeten die ersten Maschinen – mitten im Nirgendwo. Einen Ort gab es noch nicht; die Flugzeuge waren der Zivilisa­tion um 15 Jahre voraus. 

Gander heißt auf Deutsch „Wildgänserich“ – und der Name passt, auch heute noch, 90 Jahre später. Die Siedlung verliert sich in der Weite, auf den breiten, leeren Straßen sieht man selten Menschen. „Sie verpassen nicht viel, Gander ist eine sehr kleine Stadt mit etwa 12 000 Leuten“, sagt Jack Pinsent. Der weißhaarige 83-Jährige muss es wissen: Er kam 1945 als Baby hierher und hat sein ganzes Leben in Gander verbracht. „Mein Vater leitete später den Supermarkt. Er kam schon Ende der 1930er-Jahre, als die Infrastruktur für das Militär aufgebaut wurde“, erzählt Pinsent. „Ich selbst war ab 1961 als Fluglotse im Dienst.“ 

Rechtzeitig vor dem aufziehenden Zweiten Weltkrieg suchte man nach einem günstig gelegenen Ort, um Flugzeuge vor und nach der Atlantiküberquerung aufzutanken. Die Wahl fiel auf Neufundland – so groß wie Island und geografisch Europa am nächsten, beinahe exakt auf der Großkreisroute zwischen den Kontinenten. Schon 1919 war von dieser Insel aus der erste Nonstop-Flug über den Atlantik gestartet. Damals stand Neufundland noch unter britischer Verwaltung; erst 1949 wurde es Teil Kanadas. Nach Shannon in Irland sind es gut 3200 Kilometer, nach New York 1800.

Seit 1937 waren im irischen Foynes am Shannon River luxuriöse Flugboote gestartet (mare No. 125), um dann in der Neuen Welt vor Botwood in Neufundland zu wassern, eine Autostunde von Gander entfernt. Doch schon damals zeigte sich, wie dringend man einen Landflughafen brauchte: In Botwood war das Wasser die Hälfte des Jahres zugefroren. Das Gelände am Gander Lake hingegen ist flach, der Nebel bleibt meist an der Küste – ein idealer Standort für einen Flughafen, auch wenn es hier keine Menschen, keine Straße und sonst nichts gab, nur eine Eisenbahnlinie in der Nähe. 

Binnen kurzer Zeit entstand ein Flughafen mit vier Pisten – der größte der Welt. Dazu kam die Infrastruktur, die die Royal Canadian Air Force und die US Air Force benötigten, um Nazideutschland mit Bomberflotten zu erreichen. 

Seine eigentliche Blüte aber erlebte Gander in den Jahren nach dem Krieg. 1945 landete hier der erste zivile Flug zum Auftanken, auf dem bald „Gander International Airport“ genannten Platz. Täglich kamen 16 Maschinen an, rund 250 Menschen arbeiteten allein in der Verpflegung von Personal und Passagieren. Die Zeitschrift „Atlantic Guardian“ prophezeite: „Die Möglichkeiten Ganders als internationales Drehkreuz werden praktisch unbegrenzt sein.“


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mare No. 173

mare No. 173Dezember 2025 / Januar 2026

Von Andreas Spaeth

Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, Luftfahrtjournalist und Podcaster in Hamburg, weiß, was für ein Segen ein günstig gelegener Ort zum Auftanken sein kann, wenn man mit dem Propellerflugzeug den Atlantik überquert. Bei ihm war es Goose Bay in Labrador, Kanada: Während der Betankung lieferten sich die Passagiere – froh über frische Luft nach langen Stunden in der engen Kabine – eine ausgelassene Schneeballschlacht auf dem Flugfeld. Im Podcast „Flugforensik“ berichtete Spaeth über den schlimms­ten Flugunfall Kanadas – 1985 in Gander.

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Vita Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, Luftfahrtjournalist und Podcaster in Hamburg, weiß, was für ein Segen ein günstig gelegener Ort zum Auftanken sein kann, wenn man mit dem Propellerflugzeug den Atlantik überquert. Bei ihm war es Goose Bay in Labrador, Kanada: Während der Betankung lieferten sich die Passagiere – froh über frische Luft nach langen Stunden in der engen Kabine – eine ausgelassene Schneeballschlacht auf dem Flugfeld. Im Podcast „Flugforensik“ berichtete Spaeth über den schlimms­ten Flugunfall Kanadas – 1985 in Gander.
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Vita Andreas Spaeth, Jahrgang 1966, Luftfahrtjournalist und Podcaster in Hamburg, weiß, was für ein Segen ein günstig gelegener Ort zum Auftanken sein kann, wenn man mit dem Propellerflugzeug den Atlantik überquert. Bei ihm war es Goose Bay in Labrador, Kanada: Während der Betankung lieferten sich die Passagiere – froh über frische Luft nach langen Stunden in der engen Kabine – eine ausgelassene Schneeballschlacht auf dem Flugfeld. Im Podcast „Flugforensik“ berichtete Spaeth über den schlimms­ten Flugunfall Kanadas – 1985 in Gander.
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