Die Superniere

Menschen und die meisten Säugetiere verdursten, wenn sie Salzwasser trinken. Nicht so das Tammar-Wallaby, eine Känguruart

East Wallabi ist eine flache, karge Insel. Hier, 70 Kilometer vor der Westküste Australiens, ist es sechs Monate im Jahr heiß und trocken. Nur der Wind trägt ein wenig Feuchtigkeit mit sich, die sich morgens als Tau auf den Blättern der dürren Büsche sammelt. Es gibt lebenswertere Plätze als East Wallabi.

Die ersten Seefahrer, die im 17. Jahrhundert hierherkamen, staunten, denn East Wallabi Island, das drei Kilometer lange Nichts im Indischen Ozean, ist bewohnt. Dutzende Kängurus leben hier, die Tammar-Wallabys. Den Wallabys geht es gut auf Wallabi. Sie sind so groß wie Kaninchen. Ihnen genügen ein paar dürre Blätter als Tagesration. Und wenn sie Durst haben, hüpfen sie an den Strand und lecken Meerwasser auf. Besucher sind verblüfft, wenn sie die Wallabys zum ersten Mal trinken sehen.

Säugetiere, die Salzwasser trinken? Unmöglich, sollte man meinen. Menschen können sterben, wenn sie Salzwasser zu sich nehmen. Die Wallabys aber kommen mit dem Salz gut zurecht. Das haben australische Forscher schon in den 1960er-Jahren mit einem Experiment gezeigt, in dem sie den Wallabys 29 Tage lang Salzwasser zu trinken gaben. Die Tiere überlebten, verloren gegen Ende des Experiments allerdings an Gewicht.

„Die Leistung der Wallabys ist beachtlich“, sagt Jörg Aschenbach, Direktor des
Instituts für Veterinärphysiologie an der Freien Universität Berlin. „Aber einzigartig ist das nicht.“ Immerhin gebe es noch andere Tierarten, die Salzwasser trinken können. Das Geheimnis der Salzresistenz, sagt Aschenbach, liegt in der Niere. Sie regelt den Wasserhaushalt der Tiere so, dass der Körper weder austrocknet, noch mit Wasser übersättigt wird.

Die Niere ist perfekt darin, Wasser zurückzugewinnen. Das Blut eines Menschen durchfließt die Niere an einem Tag rund 300-mal. Dabei entstehen zunächst etwa 170 Liter dünnes Filtrat, der sogenannte Primärharn, mit dem Abfallstoffe aus dem Körper ausgewaschen werden. Der Primärharn wird auf seiner Reise durch die Nierenkanälchen, die Tubuli, stark aufkonzentriert. So muss der Mensch täglich nur etwa einen Liter hoch konzentrierten Harns ausscheiden.

Diese Wasserrückgewinnung in der Niere funktioniert nach dem Osmoseprinzip: Trennt man zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Salzkonzentration mit einer wasserdurchlässigen Membran, so fließt das salzärmere Wasser durch die Membran in die höher konzentrierte Flüssigkeit. Das Wasser hat also die Tendenz, hohe Konzentrationen auszudünnen. Das gilt nicht nur für Salz, sondern auch für andere im Wasser gelöste Substanzen wie etwa Zucker oder Harnstoff.


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mare No. 109

No. 109April / Mai 2015

Von Tim Schröder und Roger Hall

Tim Schröder, geboren 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, hat Salzwasser bislang nur versehentlich verschluckt – beim Bad im Meer. Ostseewasser findet er dabei erträglicher als Nordseewasser.

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Vita Tim Schröder, geboren 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, hat Salzwasser bislang nur versehentlich verschluckt – beim Bad im Meer. Ostseewasser findet er dabei erträglicher als Nordseewasser.
Person Von Tim Schröder und Roger Hall
Vita Tim Schröder, geboren 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, hat Salzwasser bislang nur versehentlich verschluckt – beim Bad im Meer. Ostseewasser findet er dabei erträglicher als Nordseewasser.
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