Pythagoras, Sophokles, Odysseus: die Liste großer antiker Griechen ist lang, die unvergessener Griechen der Neuzeit dagegen überschaubar. Doch es gab eine, deren Tod 1994 selbst hartgesottene Athener Taxifahrer in Tränen ausbrechen ließ. Griechenland stand still, Europa trauerte. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte: „Die ganze Welt beneidete Griechenland um seine Kulturministerin.“
Melina Mercouri, geboren 1920 in eine großbürgerliche Athener Familie, erhielt 1960 für ihre Rolle eines leichten Mädchens in „Sonntags … nie“ die Goldene Palme von Cannes.
Unvergesslich die Szene, in der die Barfüßige in ihre Schuhe schlüpft und zum Hafen rennt, sobald eine amerikanische Flagge und damit potenzielle Kundschaft auftaucht. Unvergesslich die Frau im Morgenmantel, die mit der Zigarette in der Hand das Lied der Kinder von Piräus singt. Noch ehe der Film gezeigt wurde, hörte man in den Straßen von Cannes ihre Stimme – ein Franzose hatte sich kurz zuvor die Rechte gesichert und die Radiosender versorgt.
Das Lied, in dessen griechischem Originaltext das Mädchen von Matrosen träumt, die ihr „ein, zwei, drei und vier“ Kinder bescheren, und in dessen deutscher Variante es nur noch traurig auf der Hafenmole sitzt und auf ein Schiff wartet, das ihr den Traummann bringt, gewann goldene Schallplatten und 1961 den Oscar für die beste Filmmusik. Lale Andersen bescherte es mit 55 ein Comeback. Nie wurde die Sehnsucht nach dem Meer erfolgreicher besungen: „Ich bin ein Mädchen aus Piräus / und liebe den Hafen, die Schiffe und das Meer. / Ich lieb’ das Lachen der Matrosen, / ich lieb’ jeden Kuss / der nach Salz schmeckt und nach Teer. / Wie alle Mädchen in Piräus / so stehe ich Abend für Abend hier am Kai / und warte auf die fremden Schiffe / aus Hongkong, aus Java, aus Chile und Shanghai. / Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den einen, / den ich so lieb’ wie keinen …“
Film und Lied machen Athens schmuddeliges Hafenviertel zum Sehnsuchtsort. Doch zunächst will niemand den Film finanzieren. Mercouri und Jules Dassin, ihr wahrer Traummann, dem sie damals zur „eigenen Verwunderung schon seit 14 Jahren treu ist“, reisen auf der Suche nach Geldgebern um die halbe Welt. Am Ende landet Dassin bei United Artists und gewinnt die Produzenten im Pitch allein mit der Beschreibung der Anfangsszene: „Hafenarbeiter auf den Docks von Piräus. Über eine Landungsbrücke läuft ein Mädchen, es zieht sich unterwegs aus und springt splitternackt ins Wasser. Alle Hafenarbeiter springen ihm nach.“
Das überzeugt den Mann von United Artists, nicht aber die Frau von Jules Dassin. Sie, Melina Mercouri, die Enkelin des Bürgermeisters von Athen, soll „eine Hafenhure“ spielen? Doch am Ende macht sie mit. Und wird zum Weltstar. Dreht Filme, pendelt zwischen Griechenland, Frankreich, Italien, den USA.
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Autor Hans W. Korfmann Jahrgang 1956, war in Athen, als Melina Mercouri starb. In jenen Tagen erhielt das Wort „Staatstrauer“ für ihn eine neue Bedeutung.
Vita | Autor Hans W. Korfmann Jahrgang 1956, war in Athen, als Melina Mercouri starb. In jenen Tagen erhielt das Wort „Staatstrauer“ für ihn eine neue Bedeutung. |
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Person | Von Hans Korfmann |
Vita | Autor Hans W. Korfmann Jahrgang 1956, war in Athen, als Melina Mercouri starb. In jenen Tagen erhielt das Wort „Staatstrauer“ für ihn eine neue Bedeutung. |
Person | Von Hans Korfmann |