Die Schlacht im Wohnzimmer

Noch heute arbeiten in England Marinemaler, die die größten Seeschlachten auf Leinwand bannen

„It’s French, not English.“ Der ältere Herr im dunkelblauen Zweireiher macht mit der Pfeife in der Hand eine abschätzige Geste in Richtung des tropfenden Wasserhahns. „Was soll man von ihnen anderes erwarten?“

Eine rhetorische Frage. Denn Peter Power ist Patriot, und im Innern des schnuckeligen Cottages im Südwesten der Insel herrschen klare nationale Wertvorstellungen. Zum Teufel mit der europäischen Verbrüderung, zum Teufel mit dem Euro und natürlich auch mit jenen britischen Politikern, die den Ausverkauf der Heimat vorantreiben. Nein, ein so genannter moderner Mensch ist Peter Power kaum. Die Gastfreundschaft ist sehr britisch: Im beengten Hinterzimmer des Hauses, wo die Staffelei des Marinemalers steht, trinkt man zuerst Tee, anschließend gibt es Whisky.

Beispiele der Tugendhaftigkeit

Peter Power weiß, was gut und was schlecht ist, und er weiß darüber zu sprechen, knapp und unzweideutig. Zu beidem, zur Fähigkeit der moralischen Beurteilung und zur Rede in Hauptsätzen, wurde er schon früh erzogen. Bis er 18 Jahre alt war, lag sein Geschick in den Händen der Jesuiten.

Eigentlich hätte Power Priester werden sollen. Doch anstatt der Elitetruppe des Herrn beizutreten, entschied er sich für die Elitetruppe Ihrer Majestät. Power war zwölf Jahre lang Soldat und ist es irgendwie auch heute noch. Die Army hat nicht nur äußerliche Spuren hinterlassen in Gestalt eines vor sich hin faulenden Fußes – die Amputation wegen der Spätfolgen eines Dienstunfalls droht täglich. Auch innerlich wurde Peter Power von der Armee geprägt. Wie sonst könnte man seine Ansicht verstehen, die Armee stelle das demokratischste aller Systeme dar? Immerhin, Power weiß seine Aussage zu illustrieren: „In der Armee kriechen alle im selben Dreck, und geführt wird durch vorbildliches Verhalten. Mit gutem Beispiel vorangehen.“ Seit Winston Churchill habe es das in England nicht mehr gegeben.

Power hat es schwer, den Zeiten von New Labour etwas abzugewinnen. Führungskraft, Opferbereitschaft und Mut scheinen nur mehr in seinen Bildern zu existieren. Auf diesen, in Öl auf Leinwand, triumphieren die Schiffe des Königs noch über ihre Gegner und symbolisieren jene britische Tugend, die da lautet: Aufstehen und kämpfen. Weshalb? „Weil man sonst von den eigenen Leuten erschossen worden wäre.“

Power malt, was man bei ihm in Auftrag gibt. Seine Kunden sind in erster Linie Privatleute, die ein dekoratives Gefecht zur See als das Richtige für ihr Esszimmer erachten. Manche haben auch sentimentalere Gründe: Bestellt wird nicht selten die Schlacht von Trafalgar, weil ein Vorfahre dort mitgestritten hat. Aus ähnlichen Gründen malte Power auch das Kriegsschiff „Essex“, das im Zweiten Weltkrieg gesunken ist. Der Vater des Auftraggebers ging mit unter, das Werk sollte ein Gedenkbild werden.

So sehr sich Power auch seinen Kundenwünschen anpasst, das Genre der Marinemalerei hat er selbst gewählt. Begeistert von der handwerklichen Vollkommenheit alter Schiffe, wurde er, der nie zur See gefahren ist, selbst zu einem vollkommenen Handwerker seiner Zunft. Seit 25 Jahren leben der heute 62-Jährige und seine Familie vom Verkauf der Werke. Nachdem er den Dienst hatte quittieren müssen und sich als Angestellter bei einem Landkartenhersteller nicht in die Firmenordnung hatte einfügen können, machte Power aus seinem Freizeitvergnügen einen Beruf.

Wie viele vor ihm, etwa der von Power bewunderte, 1984 verstorbene John Chancellor, der heute noch als einer der Besten der Branche gilt und in dessen Nachfolge Power gehandelt wird, ist auch er ein Autodidakt. Eine Akademie hat Power nie besucht. Er hat ein technisches Niveau erreicht, das sich messen lassen kann an einem Clarkson Stanfield, dem führenden Marinemaler zu Zeiten Nelsons.

Auf die akkurate Wiedergabe der Schiffe ist in Powers Gemälden absoluter Verlass; bis zum letzten Tau-Ende ist jedes Detail aufgrund von zeitgenössischen Plänen und Logbüchern historisch verbürgt. „In den Augen meiner Kunden sehe ich, ob ihnen ein Bild gefällt oder nicht“, sagt Power. Die zu erwartende Reaktion: Ein Aufleuchten ob der Einzelheiten, der Lebendigkeit der Schiffskörper, der Lichteffekte und der See, deren Farbe und Bewegung je nach Weltgegend und Witterung verschieden ausfallen.


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mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Von Roland Schenkel und Matthew D. Hawkins

Ronald Schenkel, 1964 geboren, lebt als Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung in Zürich. In mare No. 9 schrieb er über brennende Schiffe in der Kunst.

Matthew D. Hawkins, 1964 geboren, lebt als freier Fotograf in London. In Heft 23 porträtierte er den Luxusliner-Tester Douglas Ward

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Vita Ronald Schenkel, 1964 geboren, lebt als Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung in Zürich. In mare No. 9 schrieb er über brennende Schiffe in der Kunst.

Matthew D. Hawkins, 1964 geboren, lebt als freier Fotograf in London. In Heft 23 porträtierte er den Luxusliner-Tester Douglas Ward
Person Von Roland Schenkel und Matthew D. Hawkins
Vita Ronald Schenkel, 1964 geboren, lebt als Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung in Zürich. In mare No. 9 schrieb er über brennende Schiffe in der Kunst.

Matthew D. Hawkins, 1964 geboren, lebt als freier Fotograf in London. In Heft 23 porträtierte er den Luxusliner-Tester Douglas Ward
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