Die Pioniere der Elbchaussee

Die Reederbrüder Godeffroy, reich geworden im Überseehandel, machten die Elbchaussee zum Domizil der Hamburger Patrizierfamilien

Sie ist bekannt im Immobilienteil der „New York Times“ als Topadresse für „real estate enthusiasts“ und bei vermummten Krawallnomaden als der Ort, wo man am schlagzeilenträchtigsten Autos anzündet. Die Gemeinsamkeit liegt auf der Hand: Die Hamburger Elbchaussee gilt in der Stadt der Millionäre, in der 42 000 Menschen mindestens siebenstellig im Plus sind, als die edelste der edlen Adressen. Eine Villa am hohen Ufer des Elbeurstromtals, am besten mit Blick auf die Hafenkräne und die Schiffe auf dem Fluss, aber zur Straße hin versteckt hinter Rhododendronhecken, gilt auch im 21. Jahrhundert noch als würdigster Ausdruck hohen Hanseatentums und als erstes Feindbild für zornige Antikapitalisten.

Besonders in den vielen herrschaftlichen Anwesen mit großen Parkanlagen ist der traditionelle Kaufmannsstolz der Elbstadt noch bildlich intakt. Wo im Zentrum die Zeichen der Hamburger Wirtschaftsdynastien nach Bombenkrieg und Modernisierungen nur noch Randnotizen sind, liefert eine Fahrt von Altona nach Blankenese ein nostalgisches Bild vom alten Kaufmannsadel, der Ruhm und Reichtum der Hafenstadt begründet hat. Die meist weißen Prachtarchitekturen entlang der rund neun Kilometer langen Straße sind selbstbewusste Zeugnisse einer Epoche, als Hanseaten mit Zylinder und Frack den deutschen Welthandel erfanden und beherrschten.

Dabei waren die Pioniere dieser Stolzmeile ursprünglich weder Deutsche noch Bürger mit politischen Rechten, und die Gegend westlich von Hamburg galt zu ihren Lebzeiten keineswegs als Heimat der Reichen, sondern von Marktleuten. Die alten Kaufmannsdynastien Hamburgs sammelten sich im 18. Jahrhundert mit ihren Familiensitzen östlich der Alster, in Hamm, wo heute triste Nachkriegsbauten dominieren. Auf dem Elbkamm besaßen wohlhabende Kaufleute höchstens Güter für die Landwirtschaft. Hier arbeiteten Bauern und Fischer, man lebte in Hütten, reetgedeckten Höfen und Windmühlen, und es gab nicht einmal einen anständigen Kutschweg hinaus zu den Armen.

Doch dann kamen die Brüder Godeffroy, Cesar und Pierre, Nachkommen vor katholischer Verfolgung geflohener Hugenotten aus La Rochelle, die zwar Geld verdienen durften in der altehrwürdigen freien Kaufmannsstadt, aber sonst nichts zu melden hatten. Sie waren reich geworden durch den Verkauf von Plantagen und Sklaven in Surinam, durch mutigen Überseehandel in der Karibik und die Einfuhr von Kaffee, Zucker und Vanille sowie durch den Aufbau einer eigenen Flotte.

Hamburg erlebte mit der amerikanischen Unabhängigkeit seit 1783 und dem anschließenden Wegfall von Handelsbeschränkungen in der vormalig britischen Kolonie einen enormen Wirtschaftsboom. Und die beiden Brüder, Söhne eines Weinhändlers, hatten gerade als Zugezogene und unbelastet von lokalen Traditionen das richtige Gespür für neue Geschäfte. Sie gründeten 1766 kleine Kontore, begannen Leinen aus Schlesien nach Amerika zu exportieren und holten auf dem Rückweg aus Havanna Zuckerrohr und aus Cádiz Kupfer nach Deutschland.

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mare No. 144

mare No. 144Februar / März 2021

Von Till Briegleb

Der Hamburger Autor und Architekturexperte Till Briegleb, Jahrgang 1962, hat sich schon des Öfteren über den Umgang der Hamburger mit ihrem baulichen Erbe gewundert. So ließen die Stadtoberen das Wandrahmquartier an der Elbe, eines der ältesten und schönsten Viertel der Stadt, wo auch die Godeffroys ihre Firmenzentrale hatten, im Jahr 1886 komplett abreißen – für den Bau der Speicherstadt. Immerhin, heute ist der riesige Lagerhauskomplex Unesco-Welterbe und Sitz des mareverlags.

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Vita Der Hamburger Autor und Architekturexperte Till Briegleb, Jahrgang 1962, hat sich schon des Öfteren über den Umgang der Hamburger mit ihrem baulichen Erbe gewundert. So ließen die Stadtoberen das Wandrahmquartier an der Elbe, eines der ältesten und schönsten Viertel der Stadt, wo auch die Godeffroys ihre Firmenzentrale hatten, im Jahr 1886 komplett abreißen – für den Bau der Speicherstadt. Immerhin, heute ist der riesige Lagerhauskomplex Unesco-Welterbe und Sitz des mareverlags.
Person Von Till Briegleb
Vita Der Hamburger Autor und Architekturexperte Till Briegleb, Jahrgang 1962, hat sich schon des Öfteren über den Umgang der Hamburger mit ihrem baulichen Erbe gewundert. So ließen die Stadtoberen das Wandrahmquartier an der Elbe, eines der ältesten und schönsten Viertel der Stadt, wo auch die Godeffroys ihre Firmenzentrale hatten, im Jahr 1886 komplett abreißen – für den Bau der Speicherstadt. Immerhin, heute ist der riesige Lagerhauskomplex Unesco-Welterbe und Sitz des mareverlags.
Person Von Till Briegleb