Die Gentlemen bitten zum Tanz

Allein reisende Damen müssen auf keine Rumba verzichten. Die „QE 2“ nimmt für sie zusätzliche Tänzer mit

Wäre der Atlantik doch breiter. Oder wäre dieser Dampfer nur langsamer – wir könnten endlos tanzen. Zwischen dem englischen Southampton und New York liegen rund 2800 Seemeilen. Für diese Strecke benötigt die „Queen Elizabeth 2“ sechs Tage. Sechs Tage, das sind fünf Nächte. Und die fünf Nächte gehören uns. Uns und dem halben Dutzend Männer, das nur dafür an Bord ist, uns zu beglücken. Nein, nicht diese Art von Glück. Es geht um eine andere Befriedigung, eine, die in direktem Zusammenhang mit Foxtrott Walzer Rumba Samba steht. Auf der Fahrt über den Atlantik sind wir derer 40; alles Frauen mit derselben Neigung.

Jeder, der sich unter Glück etwas anderes als Tanzen vorstellt, irrt. Das hier ist keine Kontaktbörse. Auch kein Eheanbahnungsinstitut. Und jeder, der denkt, dass einsame alte Witwen trostlos dasitzen und sich langweilen, irrt ebenfalls. Die gibt es auf der „QE 2“ wahrscheinlich auch. Aber nicht im „Queens Room“. Nicht um die Tanzfläche herum. Dieses Schiff mag alt und abgetakelt sein. Wir mögen alt und aufgetakelt sein. Aber ohne Zweifel, auf diesem Parkett schlägt glühend noch das Herz eines Luxusliners. Sie heißen John Don Howard Lyonel John John. Das steht auf goldenen Schildchen an ihren Jacketts. Daneben ist zu lesen: Gentleman Host.

Wir sind viele. Sie sind die Einzelnen. Ihre Aufgabe ist es, uns das Gefühl zu geben, wir seien alle Königinnen. Die miserabelste Tänzerin, die Schüchterne, die wie zufällig an einer Säule lehnt, die starr blickende Gattin, deren Mann keinerlei Anstalten unternimmt, sie aufs Parkett zu bitten: alle wollen wir gleich behandelt werden. Alle wollen wir aufgefordert werden. Und keine will Mauerblümchen sein, nicht an traurige Momente in pubertären Tanzschulzeiten erinnert werden.

Aber auch wir werden im Laufe einer Atlantiküberquerung zu Einzelnen. Und wir werden wählerisch: Quickstep am liebsten mit John dem Kroaten, der wohl nicht immer John hieß; Cha-Cha-Cha ist o.k. mit John dem Schnalzer; und John der Waliser mit den geschlossenen Augen –„close your eyes and think of Wales“ – und den Manschettenknöpfen mit dem Wappen seiner Heimat, John also tanzt die Rumba elegisch European style – wie wunderbar.

Genauso, wie wir wählerisch werden, würden sie es auch – wenn sie nur dürften. Ihre Aufgabe jedoch ist scharf umrissen: mittags bei der Tanzstunde mit den Anfängerinnen die immer gleichen Grundschritte üben. Nachts eine Stunde und 30 Minuten lang die Damen übers Parkett führen. Drei Tänze pro Abend pro Frau sind erlaubt. Mehr nicht, das könnte zu Unzufriedenheiten führen, und Unzufriedenheiten könnten Klagen folgen. Und alle Klagen landen letzten Endes bei Tomas.

Tomas, dieser Name flirrt durch den Raum wie ein giftiger Pfeil. Tomas ist der Unterhaltungsdirektor, und er wacht über den „Queens Room“ wie eine Königin über ihre Entourage. Er warnt die Hosts vor „gewissen Frauen“, er spricht durch die Blume und ist doch nur zu deutlich. Verfehlungen werden nicht toleriert, und mit Verfehlungen sind neben Unpünktlichkeit vor allem Exzesse jeder Art gemeint. Die Regeln sind klar, und keiner zweifelt sie an. Wer Gentleman Host werden will, muss schriftlich bestätigen: Intime Beziehungen mit Passagieren und Crew beiderlei Geschlechts sind nicht erlaubt.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 38. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Zora del Buono und Cristina Piza

Zora del Buono ist stellvertretende Chefredakteurin von mare. Auf diese Reportage bereitete sie sich gründlich vor und belegte einen Tanzkurs. Jetzt hat sie ein neues Ziel: auf der „QE 2“ drei Monate lang um die Welt reisen.

Cristina Piza, geboren 1963, wuchs in Mexiko auf, studierte in Rom Fotografie und lebt als freie Fotografin in Berlin.

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Vita Zora del Buono ist stellvertretende Chefredakteurin von mare. Auf diese Reportage bereitete sie sich gründlich vor und belegte einen Tanzkurs. Jetzt hat sie ein neues Ziel: auf der „QE 2“ drei Monate lang um die Welt reisen.

Cristina Piza, geboren 1963, wuchs in Mexiko auf, studierte in Rom Fotografie und lebt als freie Fotografin in Berlin.
Person Von Zora del Buono und Cristina Piza
Vita Zora del Buono ist stellvertretende Chefredakteurin von mare. Auf diese Reportage bereitete sie sich gründlich vor und belegte einen Tanzkurs. Jetzt hat sie ein neues Ziel: auf der „QE 2“ drei Monate lang um die Welt reisen.

Cristina Piza, geboren 1963, wuchs in Mexiko auf, studierte in Rom Fotografie und lebt als freie Fotografin in Berlin.
Person Von Zora del Buono und Cristina Piza