Die Blumen des Monsieur Régis

Wenn in Saint-Tropez’ Altem Hafen die Yachteigner Blumenschmuck für ihre Bordpartys brauchen, schlägt die Stunde diskreter und launenresistenter Floristen


Wenn sich am 15. August am Kai von Saint-Tropez Hunderte von Armen über den Kopf des Vordermanns erheben wie zum Diktatorengruß, Pocketkamera in der Hand, und auf einen Glatzkopf zoomen, dann, weil ein Witzbold in die Menge geflüstert hat, gleich gehe Bruce Willis von Bord. Oder Expräsident Chirac, der hat ja auch wenig Haare und soll hier mit der Yacht seines guten und milliardenschweren Freundes Pinault sein.

Denn an den Kais von Saint-Tropez herrscht im Hochsommer die lllusion, es würden Tycoone und Oligarchen zum Haus der offenen Tür einladen. Nie und nirgendwo sonst ist ihnen und ihren Gepflogenheiten so nah zu kommen. Das Schiff vibriert noch vom Anlegemanöver, da wird schon die Gangway ausgeklappt, Geländer und Gegensprechanlage installiert. Und die Fußmatte ausgelegt. Oft mit dem Namen der Yacht; so wie in mittel-guten Mietshäusern, damit sie keiner klaut. Dann kommen die Puschen. Die Chefstewardess stellt die Schuhkiste akkurat neben die Fußmatte, darin werden die Bordschlappen abgelegt, denn das Parkett einer Yacht ist so heilig wie im kleinbürgerlichen Wohnzimmer. Die Stewardess bückt sich erneut und reiht die Plateaupumps für Madame, Glitzer-Flipflops für die goldenen Töchter und Tod’s für den Herren zum Hineinschlüpfen vor der Matte auf.

Gleichzeitig mutiert ein Teil der Crew zum Putzgeschwader. Es wird gefeudelt und gewischt, shampooniert und gestaubsaugt, dass eine schwäbische Hausfrau ihre Freude daran hätte. Nur muss die ihren Job nicht vier schwankende Bootsetagen hoch auf Strickleitern machen.

Ein bis zwei Herren beteiligen sich nicht am Großreinemachen. Die Leibwächter sind eher blass und nicht übertrieben muskulös. Haben nur diesen wieselnden Blick. Versteckt, wie teures Hörgerät, die Walkie-Talkies, in die sie ihr zweisilbiges „Okay“ geben für den Landgang der Girlies an Bord. Die Crew – besonders gefragt sind blonde Sportmädels aus Skandinavien oder distinguierte britische Skipper – trägt scharfgebügeltes Khaki. Und läuft Reklame durch die Fußgängerzone von Saint-Tropez wie Leibeigene, mit aufgesticktem Yachtnamen am blütenweißen Poloshirt, derweil die daheimgebliebenen Stewardessen in der Stunde der Dämmerung beschäftigt sind, das Achterdeck für den Aperitif vorzubereiten, Sitzkissen aufschütteln, frisches Tischtuch, Eiskübel bereitstellen. Und Blumen. Wie – und dieses sparsame Moosy-Gesteck soll es schon gewesen sein? Where have all the flowers gone?

Saint-Tropez war einmal berühmt dafür, dass auf den Hecks der prächtigen Yachten Gladiolensträuße prangten, so dick wie Litfaßsäulen. Rot und weiß mussten sie sein, denn das sind die Farben von Saint-Tropez, dem man damit seine Reverenz erwies. Rote Rosen warf Gunter Sachs vom Flugzeug aus auf das Haus seiner später kurzfristigen Ehefrau Brigitte Bardot am Strand von Pampelonne.

Und jetzt diese Frugalität mit Minimalistisch-Pflegeleichtem? Vorgetäuschte Bescheidenheit ist das Stichwort. Denn es gibt sie noch, die Yachtfloristen, die binnen 24 Stunden Girlanden für rauschende Bordfeste flechten und jederzeit 400 Edelrosen als Ansteckblume aus ihren Kühlräumen zaubern können. Aber low profile ist das Gebot der Stunde, weswegen die Blumenlieferanten der Superreichen keine Showrooms haben neben Gucci, Pucci und Fendi. Sie wirtschaften aus ihren Garagen heraus – und das nicht schlecht. Von Düsseldorf bis Dubai, von Moskau bis Muskat stehen ihre Handynummern in den Blackberrys der Krösusse beziehungsweise deren Kapitäne. Und natürlich in der Hafenmeisterei und bei den Concierges der Luxushotels. Dort, wo man für den plötzlichen Bedarfsfall auch die Lieferanten für Kaviar, Champagner und Callgirls gespeichert hat. Der moderne Yachtflorist ist ein altmodisches Wesen ohne Website und setzt nur auf Flüsterpropaganda – weil ihm das die notwendige Aura der Diskretion verleiht.

Régis Eberwein ist 40 Jahre alt, lässiger T-Shirt-Typ, grazil und durchtrainiert wie ein Tänzer, mit charismatischen Augen, in denen abwechselnd Spottlust und Ehrgeiz leuchten. Régis stammt aus elsässischem Floristenadel. Großvater, Onkel, Mutter, Schwester, alle im Geschäft des graziösen Bindens in und um Mulhouse herum. Der Vater, Raymond Eberwein, Gartenarchitekt, traute sich in den 1970er Jahren an die Côte d’Azur, wo er die Gärten von Johnny Hallyday und Romy Schneider anlegte. Régis war 20, als er zum ersten Mal nach Saint-Tropez kam und sich wunderte, wie fantasielos die hier in der Schickimickihochburg mit Blumen umgingen. Dachte sich: Denen kann ich was zeigen. Und eröffnete 1991 in der Rue du Temple einen Laden.

Sein erster Yachtkunde war ein Deutscher. „Ich hab ihm sein Boot dekoriert, dann bat er mich in die Eignerkabine und öffnete einen kleinen Samsonite-Koffer. Voll mit 500-Franc-Scheinen. Ich hatte überhaupt kein Wechselgeld und keine Worte. ‚Ist was?‘, erkundigte er sich. ‚Ja‘, sagte ich, ‚würden Sie bitte den Koffer noch einmal für mich aufmachen? Ich hab einfach noch nie so viel Geld auf einen Haufen gesehen.‘ Er lachte geschmeichelt und tat es. ‚Und‘, stammelte ich, ‚was machen Sie denn mit so viel Geld?‘ – ‚Wie, machen?‘, meinte er. ‚Das ist doch nur mein Urlaubsgeld.‘“


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 81. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 81

No. 81August / September 2010

Von Paula Almqvist und Edgar Herbst

Paula Almqvist lebt und gärtnert die Hälfte des Jahres an der französischen Atlantikküste und arbeitet unter anderem als Gartenkolumnistin.

Für den Berliner Gesellschaftsfotografen Edgar Herbst, 1961 geboren, der sich eigentlich Berlins Prominenz widmet, war die Beschäftigung mit den Lieferanten der High Society eine willkommene Abwechslung.

Mehr Informationen
Vita Paula Almqvist lebt und gärtnert die Hälfte des Jahres an der französischen Atlantikküste und arbeitet unter anderem als Gartenkolumnistin.

Für den Berliner Gesellschaftsfotografen Edgar Herbst, 1961 geboren, der sich eigentlich Berlins Prominenz widmet, war die Beschäftigung mit den Lieferanten der High Society eine willkommene Abwechslung.
Person Von Paula Almqvist und Edgar Herbst
Vita Paula Almqvist lebt und gärtnert die Hälfte des Jahres an der französischen Atlantikküste und arbeitet unter anderem als Gartenkolumnistin.

Für den Berliner Gesellschaftsfotografen Edgar Herbst, 1961 geboren, der sich eigentlich Berlins Prominenz widmet, war die Beschäftigung mit den Lieferanten der High Society eine willkommene Abwechslung.
Person Von Paula Almqvist und Edgar Herbst