Der Tee-Express

Im 19. Jahrhundert lieferten sich Super-Segelschiffe waghalsige Rennen um die halbe Welt. Das Ziel: als Schnellster die erste Tee-Ernte des Jahres nach England zu bringen

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich Tee, vor allem der schwarze, als Modegetränk der Upper Class Großbritanniens etabliert. Tee gilt als gesund und macht sogar alkoholischen Getränken Konkurrenz. Mehr noch, Tee kann von beiden Geschlechtern und gemeinsam genossen werden. Um 1845 erfindet Lady Anna Maria Stanhope, Duchess of Bedford, das leichte Nachmittagsmahl afternoon tea, Gurkensandwich inklusive. Die britische Teekultur entsteht.

Der neue gesellschaftliche wie kulinarische Trend, der in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auch die Mittelschicht erreicht, wird durch verschiedene historische Ereignisse begünstigt. So verliert die Britische Ostindien-Kompanie 1833 ihr Handelsmonopol, das auch ein Teehandelsmonopol war. Jede Handelsgesellschaft darf jetzt Tee importieren. Nach dem Ende des Ersten Opiumkriegs zwischen Großbritannien und China erzwingt der 1842 geschlossene Vertrag von Nanking die Öffnung der Häfen von Schanghai, Kanton, Ningbo, Xiamen und Fuzhou. Diese Städte werden zum Paradies für britische Händler, insbesondere für jene, denen gute Kontakte zu indischen Partnern fehlen. Denn nicht nur in Indien wird fei­ner Tee angebaut, sondern auch in China.

Tee ist eine sensible Ware. Trotz aller Vorsicht dringt immer wieder Feuchtigkeit in die Teekisten ein. Schädlinge sind sowieso als blinde Passagiere an Bord, ganz zu schweigen von Schimmelpilzen. Entsprechend beschweren sich Teetrinker jener Zeit über muffige Gerüche, fauligen Geschmack und Raupen und Insekten, die im Tee schwimmen. Je länger die Teekisten an Bord verweilen, desto schlechter die Qualität. Tee muss frisch und möglichst trocken sein.

Doch für die Teeliebhaber gibt es Hoffnung: Ein neuer Schiffstyp verkürzt die Fahrtzeiten zwischen Asien und Europa deutlich. Seinen Ursprung hat der sogenannte Klipper im Baltimoreklipper. Dieser Zweimaster entstand Ende des 18. Jahrhunderts an der amerikanischen Ostküste und in der Karibik. Er wurde von Händlern ebenso eingesetzt wie von Piraten und erlangte im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg sogar militärische Bedeutung. Zwar hat dieser Schiffstyp eine geringere Ladekapazität als gängige Handelsschiffe mit ihren bauchigen Rümpfen, ist aber allen anderen an Geschwindigkeit überlegen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickeln die Werften diesen Schiffstyp zum Vollschiff weiter. Aus dem Zwei- wird ein Dreimaster, dessen Masten Rahsegel tragen. Der Rumpf ist schmal und stromlinienförmig, der Bug spitz zulaufend. Zunächst behält man die Holzbauweise bei, setzt dann aber auf eine moderne Mischbauweise, bei der Quer- und Längsspanten aus Eisen gefertigt und mit Holz beplankt werden. Die Masten werden ebenfalls immer öfter aus Metall hergestellt. Das Ergebnis sind äußerst stabile und langlebige Schiffe, die auch bei schlechten Witterungsbedingungen noch segeln können. Als erster Klipper dieser Art gilt die „Rainbow“ der New Yorker Reederei Howland & Aspinwall, die am 22. Januar 1845 vom Stapel läuft. Und als berühmtester die „Cutty Sark“, die nach mehreren aufwendigen Restaurierungen als Museumsschiff erhalten ist.

Bald setzen auch die schottischen Werften auf den neuen Schiffstyp. So wird aus dem weltweit beliebten Klipper der Teeklipper, der, wie der Name sagt, vorwiegend für den Teetransport eingesetzt wird. Der bevorzugte chinesische Hafen für die britischen Klipper ist Fuzhou. Nach dem Beladen segeln die Schiffe durchs Südchinesische Meer, passieren die Sundastraße, überqueren den Indischen Ozean, umfahren das Kap der Guten Hoffnung und gehen im Atlantik auf Nordkurs, um möglichst schnell den Ärmelkanal und somit die Häfen an Englands Südküste zu erreichen.

Ein guter Klipper mit einer guten Crew bewältigt die rund 14 000 Seemeilen in etwa 100 Tagen. Bei günstigem Wind erzielen die Klipper Geschwindigkeiten von bis zu 18 Knoten und sind damit doppelt so schnell wie die Fleuten und Pinassen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Deren Ladekapazität beträgt allerdings bis zu 1200 Tonnen, die eines Teeklippers lediglich 500 Tonnen. Dieses Manko aber spielt keine Rolle. Was zählt, ist einzig die Geschwindigkeit. Der Tee, den ein Klipper in England anlandet, ist frisch, aromatisch und erzielt einen Spitzenpreis, während der Einkaufspreis in China fast lächerlich ist. Daher können die Teehandelsgesellschaften in den Transport investieren.

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mare No. 119

No. 119Dezember 2016 / Januar 2017

Von Bernd Flessner

Bernd Flessner, Jahrgang 1957, Autor im fränkischen Uehlfeld, hat sich als geborener Ostfriese schon immer für die Seefahrt interessiert, insbesondere für die Ära der schnellen Segelschiffe.

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Vita Bernd Flessner, Jahrgang 1957, Autor im fränkischen Uehlfeld, hat sich als geborener Ostfriese schon immer für die Seefahrt interessiert, insbesondere für die Ära der schnellen Segelschiffe.
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