Zweimal schon hatte Kapitän Robert Eyssen den Angriff abgeblasen, weil der Wind zu stark wehte. Am 27. Dezember 1940 aber klappte es. Früh am Morgen hielt er auf die kleine Pazifikinsel Nauru zu, ein winziges Eiland nahe dem Äquator, doppelt so groß wie Capri, ein paar Tausend Einwohner, militärisch völlig unbedeutend. Und doch: Um 6.40 Uhr gab Eyssen Feuerbefehl. Eine Stunde lang dröhnten die Bordgeschütze der „Komet“. Die Granaten zerfetzten Boote, Hafengebäude und vor allem die Verladebrücke für Phosphat, auf die Eyssen es abgesehen hatte. Im Granatenhagel knickten die stählernen Stelzen ein. Grollend schlugen die Brückenteile ins Wasser. Dann drehte die „Komet“ ab und dampfte wieder aufs offene Meer hinaus.
Aus deutscher Sicht war der Angriff der „Komet“ ein voller Erfolg. Nauru war seinerzeit für Australien und Neuseeland der wichtigste Lieferant von Phosphat, jener Substanz, die für die Produktion von Kunstdünger unverzichtbar ist. Und tatsächlich traf der Angriff vor allem Neuseeland ins Mark. Die Neuseeländer hatten nur geringe Phosphatvorräte. Der Rohstoff verknappte sich, weil der Nachschub aus Nauru ausblieb. Nach wenigen Monaten rationierte die neuseeländische Regierung die Düngemittel. Zwar gab es keine Hungersnot, viele Bauern aber fuhren im Jahr darauf eine mickrige Ernte ein.
Der Beschuss der Phosphatbrücke auf Nauru war nur einer von vielen bösen Nadelstichen in der Weltkriegsstrategie der Deutschen, doch ein wohlüberlegter. Denn der Mensch ist gänzlich abhängig vom Phosphat. Phosphat, eine chemische Verbindung aus Phosphor und Sauerstoff, ist für Pflanzen und Tiere essenziell wichtig. Ohne Phosphat gäbe es, kurz gesagt, kein Leben auf der Erde.
Phosphat ist ein wichtiger Bestandteil der Erbsubstanz DNS und der Knochen. Vor allem aber ist Phosphat der Energielieferant jeder lebenden Zelle, das Benzin des Stoffwechsels sozusagen. Pflanzen holen das Phosphat über die Wurzeln aus dem Boden. Der Mensch nimmt es mit der Nahrung zu sich. Mit der Ernte und dem Abtransport von Stroh und Heu wird dem Acker nach und nach das Phosphat entzogen. Der Boden laugt aus. Damit er weiter hohen Ertrag liefert, müssen die Bauern regelmäßig nachdüngen. Fehlt es, wie damals in Neuseeland, an Phosphat, hat man ein großes Problem.
Lange erinnerte man sich kaum an die Geschichte vom Angriff der „Komet“. Seit einigen Jahren aber gehört sie zum Vortragsrepertoire von Rohstoffexperten. Denn Phosphat ist zu einem großen Thema geworden, seit ein australisch-schwedisches Forscherteam 2009 in einem Fachartikel das Ende dieses Rohstoffs erklärte. In 50 bis 100 Jahren würden die weltweiten Phosphatvorräte aufgebraucht sein, menetekelten die Wissenschaftler. Bereits ab 2030 würde die weltweite Fördermenge von Jahr zu Jahr schrumpfen. Damit stehe schon bald nicht mehr genug hochwertiges Phosphat zur Verfügung, um weltweit die Äcker zu düngen. Angesichts der großen Bedeutung von Phosphat für die Ernährung der Menschen kam das der Verkündigung der Apokalypse gleich. Immerhin prophezeite die Studie zwischen den Zeilen nichts weniger als eine weltweite Hungerkatastrophe.
Wie Erdgas und Erdöl sind Phosphate fossile Rohstoffe. Fachleute unterscheiden zwischen sedimentären und magmatischen Lagerstätten. Sedimentäre Lagerstätten sind ursprünglich am Meeresboden aus den Überresten von Algen und Meerestieren entstanden, die im Lauf der Jahrtausende herabrieselten und dabei dicke Sedimentschichten bildeten. So reicherte sich das im biologischen Material enthaltene Phosphat im Sediment an. Die Bewegung der Kontinentalplatten hob viele dieser untermeerischen Sedimentlager aus dem Meer. An Land wandelte sich das Sediment nach und nach zu Phosphatgestein. Diese sedimentären Lagerstätten machen weltweit etwa 90 Prozent aller Vorkommen aus. Die Menge der magmatischen Phosphatgesteine, die durch vulkanische Aktivität entstanden sind, ist also deutlich kleiner.
Riesige Bagger beißen das Phosphatgestein heute im Tagebau aus dem Boden. Anschließend wird es gemahlen und gewaschen. In speziellen Anlagen schwimmen die phosphathaltigen Partikel auf – das Verfahren nennt sich Flotation –, so- dass man sie als Phosphatkonzentrat abschöpfen kann. Je nach Lagerstätte enthält das Gestein mehr oder weniger Phosphat. Im Durchschnitt benötigt man 2,3 Tonnen Gestein, um eine Tonne Phosphatkonzentrat zu gewinnen. Doch selbst das Konzentrat hat nur einen Phosphatanteil von durchschnittlich 33 Prozent, weil es mit anderen Stoffen vermischt ist. Daher bereiten die Produzenten es weiter auf. Sie setzen dem Konzentrat Schwefelsäure zu. Dadurch wandelt sich das Phosphat in mehreren Schritten zu Phosphorsäure, der wichtigsten und sehr reinen Ingredienz des Phosphatdüngers.
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Tim Schröder, Jahrgang 1970, freier Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, erinnert sich noch gut an die Diskussion um das Verbot phosphathaltiger Waschmittel in den 1980er-Jahren. Ihn erstaunte, dass man erst jetzt über das Recycling von Phosphat im Abwasser nachdenkt.
Vita | Tim Schröder, Jahrgang 1970, freier Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, erinnert sich noch gut an die Diskussion um das Verbot phosphathaltiger Waschmittel in den 1980er-Jahren. Ihn erstaunte, dass man erst jetzt über das Recycling von Phosphat im Abwasser nachdenkt. |
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Person | Von Tim Schröder |
Vita | Tim Schröder, Jahrgang 1970, freier Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, erinnert sich noch gut an die Diskussion um das Verbot phosphathaltiger Waschmittel in den 1980er-Jahren. Ihn erstaunte, dass man erst jetzt über das Recycling von Phosphat im Abwasser nachdenkt. |
Person | Von Tim Schröder |