Früher Morgen in England. Menschen sitzen in ihren Zimmern, vielleicht noch am Küchentisch, blicken aus dem Fenster, sehen Nieselwetter draußen, oder auch Sonnenschein. Stellen das Radio ein, BBC natürlich, hören die vertraute Stimme, wie sie sagt: „Finisterre – Westerly 6 to gale 8. Showers. Moderate or good“. Und wissen: Das sind die täglichen „shipping forecasts“, die Wettervorhersagen für die Schiffahrt.
Was für die einen geheimnisvoll klingt, ist für die anderen eine präzise, manchmal gar überlebensnotwendige Information, eine codierte Neuigkeit, die den Verlauf des Tages bestimmt. Zum ersten Mal ertönten diese seltsam anmutenden Meldungen 1926 aus dem Radio. Seither werden sie täglich verlesen, regelmäßig morgens um sechs. Wie ein Netz wurde damals eine Karte über die Meere um England gespannt und in 31 Regionen aufgeteilt. Die Grenzen sind klar bestimmt, jedoch nur für Seeleute genau lesbar, weil die meisten als imaginierte Linien irgendwo im Meer verlaufen. Fünf dieser Felder haben nicht einmal eine Küste, sind Territorien ohne Erde.
Die Faszination dieser Karte gründet wahrscheinlich darin, daß sie eine direkte Verbindung zur eigenen Phantasie schafft: Namen wie Trafalgar, Viking oder Biscay schreien geradezu nach der Lust auf Abenteuer, auf eine gefährliche Welt der Extreme, auf Ferne – und verweisen auch noch auf die englische Geschichte. Eine ganze Nation kennt die Namen dieser Karte, nicht alle aber wissen, wo Bailey, Sole oder Fisher denn liegen. Auch der 39jährige Fotograf Mark Power ist mit den täglichen News großgeworden, an der Südküste Englands – im Feld Wight. Power hat jede der 31 Regionen besucht und fotografiert. Sein Konzept war nicht, den täglichen Wetterbericht bildnerisch direkt umzusetzen, sondern vielmehr eine Fotografie zu schaffen, die zur Mittlerin zwischen Fakt und Fiktion wird, die Küste und Meer, Wasser und Himmel verbindet. Der Regen, der Sturm, die Winde, die Kälte sind spürbar, ihr Einfluß auf das Leben der Menschen ist auf den Fotos zu erkennen – ob in Island, auf den Färöern oder in der deutschen Bucht.
Mark Power arbeitet ganz in der Tradition der sozialdokumentarischen englischen Fotografie. Er zeigt uns seine persönliche Bestandsaufnahme der Ränder der britischen Insel – und darüber hinaus die Wahrnehmung eines Engländers auf Reisen. mare präsentiert das Wetter auf See und an den Meeren Europas, darüber hinaus auch Momente der flüchtigen Begebenheiten an deren Küsten.
Und wenn es hell wird in England, wenn die Frühaufsteher das Radio ausmachen und ihren Tag beginnen, dann wissen sie: In Finisterre regnet es heute. Zora del Buono
Mark Power, Jahrgang 1959, lebt in London. Der Magnum-Fotograf ist zudem Dozent an der Universität Brighton.
Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Vita | Mark Power, Jahrgang 1959, lebt in London. Der Magnum-Fotograf ist zudem Dozent an der Universität Brighton.
Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort. |
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Person | Von Mark Power |
Vita | Mark Power, Jahrgang 1959, lebt in London. Der Magnum-Fotograf ist zudem Dozent an der Universität Brighton.
Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort. |
Person | Von Mark Power |