Der Nestor

Gotthilf Hempel ist der Vater der deutschen Meeresforschung. Jetzt wurde er 90 Jahre alt und erzählt aus seinem reichen Forscherleben

Historiker betrachten mich als Zeitzeugen der Meeresforschung, weil ich seit über 60 Jahren „dabei“ war, ihre Entwicklung beobachtet und mitgestaltet habe. Zeitzeugenberichte sind voller Lücken und Tücken. Unser Gedächtnis ist selektiv und wird löcherig – meines war immer schlecht. Da schleicht sich im Lauf der Zeit viel Unsicheres ein, das von Wissenschaftshistorikern anhand der Akten kontrolliert und untermaue art werden muss.

Der nachfolgende Text, eine Skizze meines wissenschaftlichen Weges seit den 1950er-Jahren, handelt in erster Linie von Instituten, Schiffen und Menschen, nicht aber von den politischen und wirtschaftlichen Triebkräften der Meeresforschung in Deutschland.

Phase 1: Die 1950er-Jahre – meine Lernjahre
Im April 1952 kam ich – frisch verlobt mit einer Biologin – als junger Zoologe und Biostatistiker, der gerade über den Energiebedarf der Fortbewegung von Insekten promoviert hatte, mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an das Max-Planck-Institut für Meeresbiologie nach Wilhelmshaven. Die meisten dort versammelten Forscher waren keine Meeresbiologen, sondern berühmte Genetiker, Verhaltensforscher und Entwicklungsphysiologen. Nur die Abteilung Bückmann war dem Meer und seinen Fischen gewidmet. Von ihm, der über 20 Jahre lang an der Biologischen Anstalt auf Helgoland gearbeitet hatte, lernte ich Meeres- und Fischereibiologie. Aus Gesprächen und Vorträgen an Bord unserer Forschungsschiffe gewann ich die Grundlagen der Ozeanografie. Günter Dietrich als physikalischer Ozeanograf und Johannes Krey als Planktologe waren schon frühzeitig auf dem Forschungsschiff „Gauss“ meine Lehrmeister.

Neben Labor- und Statistikarbeiten über Heringsrassen und das Wachstum der Schollen musste ich von Anfang an zur See fahren, zuerst auf dem offenen Kutter „Seehund“ zum Fang von Fischeiern und -larven im ostfriesischen Wattenmeer. Auf dem Fischereischutzboot „Meerkatze“, wo ich von den Loggern laichreife Heringe für Aufzuchtexperimente sammeln sollte, lernte ich, dass Seekrankheit nicht tödlich ist.

1954 zogen wir nach Hamburg, denn dort übernahm Adolf Bückmann in Personalunion das Universitätsinstitut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft und die Biologische Anstalt Helgoland, der er binnen fünf Jahren neuen Schwung verlieh (siehe mare No. 128). Mit unseren beiden kleinen Söhnen waren wir eine der ersten Familien auf dem von Bom- ben durchwühlten Helgoländer Oberland. 1960 holte mich Bückmann an sein Hamburger Universitätsinstitut.

Bückmann war gut bekannt mit den großen Meeresforschern in Europa. Schon Mitte der 1950er-Jahre führte er mich in den Internationalen Rat für Meeresforschung, den ICES, ein. Seitdem engagiere ich mich für die europäische Zusammenarbeit. Weil er aber bald krankheitshalber ausfiel, wurde ich Mitglied des Advisory Committee on Marine Resources Research (ACMRR) der Welternährungsorganisation(FAO), in dem die Großen der Fischereibiologie zusammensaßen. So kam ich in engen Kontakt mit den US-amerikanischen „Päpsten“ des Fischereimanagements. Die freundliche Offenheit, mit der die Amerikaner dem jungen deutschen Wissenschaftler begegneten, hat mich beeindruckt. Meine durch den Krieg reduzierte humanistische Schulbildung hatte mir kaum Englisch geboten, ich lernte es nun „on the job“, zum Beispiel im ICES, wo wir hitzig über die Gefährdung der Heringsbestände durch die „Gammelfischerei“ auf Jungheringe diskutierten.

Phase 2: Die 1960er-Jahre – meine Wanderjahre
Nach neun Jahren mit Stipendien und kurzfristigen Zeitverträgen habilitierte ich mich 1964 an der Universität Hamburg. Dann begann meine Wanderzeit, denn ein Auslandsaufenthalt in den USA oder Großbritannien war ein ungeschriebenes Muss für jeden jungen, ehrgeizigen westdeutschen Meeresforscher (die ostdeutschen Kollegen gingen damals in die Sowjetunion). Noch im selben Jahr übernahm ich eine Vertretungsprofessur in Madison, Wisconsin, dafür musste ich Limnologie lernen. Dann konnte ich für gut zwei Jahre in Paris im Sekretariat der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC) der Unesco arbeiten. Ich hatte einen russischen Chef und je einen Kollegen aus den USA und Japan. Als selbst ernannter Sekretär des IOC-Programms TEMA (Training, Education, Mutual Assistance) fand ich einen guten Grund, endlich die Welt zu bereisen. Mit TEMA sollte in der Dritten Welt und besonders in den gerade unabhängig gewordenen Kolonien die Meeresforschung aufgebaut werden. Die Erfahrungen dieser Reisen haben mein weiteres Leben erheblich beeinflusst.

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 134. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 134

No. 134Juni / Juli 2019

Von Gotthilf Hempel und Petra Koßmann

Prof. Dr. Gotthilf Hempel lebt seit 50 Jahren in Molfsee bei Kiel. Sein Text basiert auf einem Artikel im „Deutschen Schifffahrtsarchiv“, dem Jahrbuch des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven.

Mehr Informationen
Vita Prof. Dr. Gotthilf Hempel lebt seit 50 Jahren in Molfsee bei Kiel. Sein Text basiert auf einem Artikel im „Deutschen Schifffahrtsarchiv“, dem Jahrbuch des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven.
Person Von Gotthilf Hempel und Petra Koßmann
Vita Prof. Dr. Gotthilf Hempel lebt seit 50 Jahren in Molfsee bei Kiel. Sein Text basiert auf einem Artikel im „Deutschen Schifffahrtsarchiv“, dem Jahrbuch des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven.
Person Von Gotthilf Hempel und Petra Koßmann