Der galicische Jesus

Eine Ölkatastrophe macht den deutschen Künstler Manfred Gnädinger 2002 zum Märtyrer der spanischen Umweltbewegung

Es ist kalt an diesem Novembertag 2002 in Camelle, einem kleinen Fischerdorf an der galicischen Küste. Die Hütte von Manfred Gnädinger, ein bunt bemalter Betonkubus, steht verloren in den Felsen am Meer. Ohne Wasser, ohne Strom, ohne Heizung. Manfred Gnädinger friert.

Es ist der Morgen, an dem der Ölteppich Camelle erreicht. Der Öltanker „Prestige“ war am 13. November mit 77 000 Tonnen Schweröl vor der spanischen Küste havariert. Ein Großteil der Ladung sickerte ins Meer. Nun verklebt die schwarze Masse die Küste, die Strände und die Skulpturen, die Manfred Gnädinger in jahrelanger Arbeit am Meer erbaut hat, sein „Museum“. Täglich schwemmt das Meer neues Öl ans Land.

Manfred Gnädinger bleibt in seiner Hütte, obwohl das Öl giftige Dämpfe absondert. Ob ihn dies das Leben kostete, vermag heute niemand mehr zu sagen. Die Trauer über die Ölpest habe ihm das Herz gebrochen, sagen die Dorfbewohner. Am 28. Dezember 2002 wird Manfred Gnädinger im Alter von 66 Jahren tot in seiner Hütte aufgefunden. Und wird als das erste Opfer der „Prestige“-Katastrophe zum Symbol der galicischen Umweltbewegung.

Umweltschützer, Humanist, Künstler, Radikaler – schon zu Lebzeiten war Manfred Gnädinger eine schillernde Figur. Ein Eremit, der Menschen mied und gleich­zeitig in spanischen Fernsehshows auftrat, um seine Positionen zu vertreten. Ein Künstler, der sich missverstanden fühlte und dessen Museum dennoch jedes Jahr Tausende Menschen anlockte. Für viele junge Galicier war er ein Idol, ein Rebell gegen jegliche gesellschaftliche Konvention. „Er stand für uns irgendwo zwischen Jesus und Ché Guevara“, erinnert sich Luis Suárez Pérez, Mitglied der Umweltbewegung Adega.

Große Worte und romantische Gesten – Manfred Gnädinger wusste sich zu inszenieren bis in den Tod hinein. Er werde eher mit seiner Küste zusammen sterben, als sein Haus zu verlassen, sagte er in Interviews während seiner letzten Lebenstage. Dass dies tatsächlich so kam, machte ihn zum Märtyrer. Der Tod als letztes Zeichen des Protests. Sein Museum wurde zum Wallfahrtsort für Umweltschützer und Künstler, die hier gegen Umweltzerstörung und Profitgier demonstrierten. Nach seinem Tod sang der katalanische Sänger Joan Isaac: „Manfred, was haben sie deinem Meer angetan? Wie das Wasser sich in Tod verfärbte, wie an den Strand Wellen der Schande schlugen, wie sie alles verdarben.“


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mare No. 115

No. 115April / Mai 2016

Von Henning Zander und Nils Hofmeister

Henning Zander, Jahrgang 1979, lebt in Hannover und schreibt als freier Journalist für überregionale Wirtschaftsmagazine. Nils Hofmeister, Jahrgang 1978, ist freier Texter und Konzepter in Wiesbaden. Beide lieben Spanien, beide haben dort gelebt. Die Reise an die galicische Küste ist der erste gemeinsame Trip. Neben dem Gefühl, am Ende der Welt gewesen zu sein, bleibt die Gewissheit, hier die besten Calamares der Welt gegessen zu haben.

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Vita Henning Zander, Jahrgang 1979, lebt in Hannover und schreibt als freier Journalist für überregionale Wirtschaftsmagazine. Nils Hofmeister, Jahrgang 1978, ist freier Texter und Konzepter in Wiesbaden. Beide lieben Spanien, beide haben dort gelebt. Die Reise an die galicische Küste ist der erste gemeinsame Trip. Neben dem Gefühl, am Ende der Welt gewesen zu sein, bleibt die Gewissheit, hier die besten Calamares der Welt gegessen zu haben.
Person Von Henning Zander und Nils Hofmeister
Vita Henning Zander, Jahrgang 1979, lebt in Hannover und schreibt als freier Journalist für überregionale Wirtschaftsmagazine. Nils Hofmeister, Jahrgang 1978, ist freier Texter und Konzepter in Wiesbaden. Beide lieben Spanien, beide haben dort gelebt. Die Reise an die galicische Küste ist der erste gemeinsame Trip. Neben dem Gefühl, am Ende der Welt gewesen zu sein, bleibt die Gewissheit, hier die besten Calamares der Welt gegessen zu haben.
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