Es gibt Filme, die einmal Klassiker waren und es heute nicht mehr sind. „Das Boot“ gehört nicht dazu. Es ist mit den Jahren nicht kleiner, sondern immer größer geworden. Es hat seinen Rang als Leuchtfeuer und Orientierungsmarke des U-Boot-Filmgenres nicht verloren, sondern bestätigt.
Wer immer in den letzten Jahren im Kino eine Geschichte erzählt hat, die in einem U-Boot spielte, hat sich vor dem „Boot“ symbolisch verbeugt – und manchmal auch ganz real. Etwa in Thomas Vinterbergs Film „Kursk“ von 2018: Da blicken die sterbenden Männer in dem gesunkenen russischen Atom-U-Boot auf dem Grund des Nordpolarmeers in ihren letzten Momenten auf die Fotos ihrer Freundinnen, Ehefrauen und Kinder – genauso wie die nach Luft ringende Besatzung von „U 96“ auf dem Meeresgrund von Gibraltar. Nur dass die „Kursk“ nie wieder auftauchen wird, das berühmte U-Boot aus Wolfgang Petersens Film dagegen schon.
Wenn man sich fragt, warum „Das Boot“ in filmhistorischer Hinsicht unsinkbar ist, obwohl „U 96“ am Ende der Story, von Fliegerbomben getroffen, im Hafenbecken von La Rochelle versinkt, kommt man um einen Blick in die Entstehungsgeschichte des Films nicht herum. Schon 1975, zwei Jahre nach dem Erscheinen von Lothar-Günther Buchheims Erfolgsroman, hatte die Münchner Bavaria mit dem Autor einen Optionsvertrag für eine Verfilmung geschlossen. Ein Jahr später beginnt die Arbeit an den Innenkulissen auf dem Studiogelände in Geiselgasteig, und im Sommer 1977 ist auch die Außenhülle des Modellboots fertig. Zugleich bereitet der amerikanische Regisseur John Sturges („Die glorreichen Sieben“) die Dreharbeiten vor. Aber das Drehbuch, das er verfilmen will, wird von Buchheim rigoros abgelehnt, und auch der Plan, Sturges durch seinen Kollegen Don Siegel zu ersetzen, zerschlägt sich. Das Projekt, in das bereits einige Millionen D-Mark geflossen sind, steht auf Null.
In dieser Situation übernimmt der Fernsehspielchef und Produzent Günter Rohrbach die Geschäftsführung der Bavaria Film. Er legt die Regie des „Boots“ in die Hände des international unbekannten Wolfgang Petersen, der bis dahin nur mit einigen „Tatort“-Krimis und drei kleineren Spielfilmen aufgefallen ist. Petersen schreibt in kurzer Zeit ein neues Drehbuch und setzt gegen die Bedenken mehrerer Geldgeber seinen Lieblingsschauspieler Jürgen Prochnow für die Hauptrolle des U-Boot-Kommandanten durch. Im Oktober 1979 werden erste Einstellungen mit einem elf Meter langen Modell vor der Insel Helgoland gedreht, im folgenden Winter stellt Petersen in ausgedehnten Castingreisen sein junges Darstellerteam und die technische Crew zusammen. Im Juli 1980 beginnen in den Bavaria-Studios die eigentlichen Dreharbeiten. Sie dauern, mit Unterbrechungen, ein Jahr. Im April 1981, nach 166 Drehtagen, ist der Film im Kasten.
In dieser Zeit bekommt „Das Boot“ die filmische Form, mit der es in die Kinogeschichte eingeht. Sie ist eine einzigartige Verbindung von erzählerischer Innovation und filmtechnischer Professionalität. Petersen, der in dem Projekt die Chance seines Lebens witterte, wollte die Geschichte der siebten Feindfahrt von „U 96“ weder als Heldenepos noch als moralische Fabel vom Kampf zwischen Gut und Böse erzählen, sondern als Stationendrama einer auf engstem Raum eingepferchten, charakterlich bunt zusammengewürfelten Gruppe von Männern in Todesgefahr. Deshalb verzichtete er in seinem Film auf Stars und setzte stattdessen auf Typen, die von Newcomern und blutigen Anfängern wie Herbert Grönemeyer, Uwe Ochsenknecht, Jan Fedder, Martin Semmelrogge, Ralf Richter, Heinz Hoenig und Martin May dargestellt wurden.
Aber auch die Optik von Petersens „Boot“ liegt quer zu den bis dahin üblichen (und auch heute wieder gültigen) ästhetischen Standards von U-Boot-Kriegsfilmen. So gibt es, von einer einzigen – allerdings wichtigen – Szene abgesehen, keine Bilder von explodierenden oder sinkenden Schiffen, keine Ansichten von Torpedos, die ihre Bahnen unter den Wellen ziehen, und keine Blicke aus der Vogelperspektive auf „U 96“ oder die alliierten Konvois, an die es sich anschleicht.
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| Vita | Andreas Kilb war von 1987 bis 2000 Filmredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Seither ist er Berlin-Korrespondent im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. |
| Person | Von Andreas Kilb |
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| Vita | Andreas Kilb war von 1987 bis 2000 Filmredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Seither ist er Berlin-Korrespondent im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. |
| Person | Von Andreas Kilb |