Der Dreh

Am Set führte Kostümbildnerin Monika Bauert im Auftrag des ­Regisseurs monatelang Tagebuch. Es offenbart die dramatischen ­Widrigkeiten einer Filmproduktion, wie es sie bis dahin nie gab

Bavaria Studios, München, Halle 4/5, 7. Juli 1980. Der erste Drehtag mit Team und Darstellern in den gebauten Innenräumen des U-Boots

Normalerweise empfängt einen im Studio gleißendes Licht auf einer spektakulären Filmkulisse. Eine glimmernde Showtreppe à la Caterina Valente, ein bunt gerüschtes Operettenschlafzimmer à la Anneliese Rothenberger oder ein langweilig-nüchternes Kommis­sarbüro à la Erik Ode. Nichts von alledem! Kahle Studiowände. Halbdunkel. Bin ich hier richtig? Wird hier der teuerste deutsche Film aller Zeiten gedreht? Wo ist das U-Boot - das viel gerühmte? Die Augen gewöhnen sich. Nur eine riesige Eisenkonstruk­tion beherrscht den Raum und darauf in 5  m Höhe eine Plattform - fast unterm Studio­dach. Und auf der Plattform eine lang­ gestreckte Röhre, eine Art Konservendose, Durchmesser 2  m: das Boot bzw. sein Innen­leben. Zur Plattform führt eine Treppe. Neugierige Teammitglieder schreiten hinauf zum „Olymp“. 

Dort hält Wolfgang [Petersen, Regie, die Red.] seinen Darstellern bereits einen Vortrag. Die nach außen unscheinbare Konservendose hat’s in sich. Durch eine winzige Öffnung schlüpft man hinein. Ein Gewirr von Rädern, Hebeln, Kabeln, Messgeräten, Technik. Und zwischendrin hineingepfercht kleine Zeichen, dass hier auch Menschen leben, Matratzen, winzige Spinde, eine Küche. Küche? So was nennt man im sozialen Wohnungsbau bestenfalls eine Kochnische. Das Klo: diente 43 Mann als Gemeinschaftshäuschen. Einzelne Lokalitäten kann man mit mitteleuropäischem Spürsinn identifizieren, der Horchraum, das Funkschapp. Ansonsten lauter Unbekanntes. Die Orientierung hat man längst verloren. ...

Wolfgang versucht eine Szene einzurichten. Er bewegt sich mit absoluter Ruhe durch einen Ameisenhaufen von Mitarbeitern zum Raum, in dem gedreht werden soll. Die Beleuchter montieren Glühbirnen nach Josts [Vacano, Kamera, die Red.] Angaben. Die Garderobiere verstaut einen Arm voller Seestiefel in den Ecken, hängt Klamotten in die Kojen. Ein Requisiteur versperrt den Weg. Er ordnet Bücher in einen Spind. Wolfgang zwängt sich vorbei. Jost kämpft sich gegen den gleichen Strom von Leuten durch. Sein Assistent kommt nicht mehr durch - da gerade eine Bank abgeschraubt wird, um Platz schaffen. Zwei Bühnenleute knien mit den Schraubschlüsseln am Boden. Wolfgang und Jost versuchen sich auf die Einstellung zu konzentrieren. Mitten, vor ihrer Nase zerrt ein Beleuchter ein Kabel hinter der Verkleidung vor, um es befestigen zu können, ruft seinem Kollegen zu, er möge ein Stück Draht durchschieben. Der hört nichts - denn die Röhre verschluckt den Schall. Noch mal, diesmal lauter. Konzentration? Unmöglich. Irgendwer steht auf Wolfgangs Fuß. Im einzurichtenden Blickwinkel stehen noch drei Leute mit wichtigen Funk­tio­nen, die endlich dort angekommen sind. ... 

Eine Glühbirne ist durchgebrannt. Jemand hat es bemerkt. Ein Kollege versucht, sie ins Boot zu bringen. Eine Gegensprechanlage muss installiert werden, damit man nicht immer durch die Röhre krabbeln muss, um eine Stecknadel zu besorgen. Sie funktioniert. Der Aufnahmeleiter fragt prompt: „Kann der Leutnant in die Kantine gehen? Er ist doch für die nächsten zwei Stunden nicht dran.“ Wolfgang und Jost versuchen ihre zu Hause vorbereiteten Überlegungen in die Praxis umzusetzen. Der I WO [1. Wachoffizier, Darsteller: Hubertus Bengsch, die Red.] war in der vorhergehenden Szene (die erst in drei Monaten in La Rochelle gedreht werden wird) auf der Brücke. Er kommt also aus dem Turmluk, von einer Gischtwelle begleitet. Wie würde denn da das Wetter sein? Nebel - Regen - Vormittag: also im nassen Ölzeug, klamm, verfroren. Maske, Kostüm, Requisite. Anweisungen. Zwar alles schon besprochen, aber besser checken wir’s noch mal ab. 


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mare No. 172

mare No. 172Oktober / November 2025

Von Monika Bauert

Monika Bauert über ihre Arbeit für „Das Boot“: „Uniformen sind für eine Kostümbildnerin eigentlich keine kreative Herausforderung, da jeder Knopf vorbestimmt ist. Ich bin stolz, dass es mir dennoch gelungen ist, die Personen an Bord zu ­individualisieren, dass die Kostüme gelebt wirken und optisch ,stinken‘.“

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Vita Monika Bauert über ihre Arbeit für „Das Boot“: „Uniformen sind für eine Kostümbildnerin eigentlich keine kreative Herausforderung, da jeder Knopf vorbestimmt ist. Ich bin stolz, dass es mir dennoch gelungen ist, die Personen an Bord zu ­individualisieren, dass die Kostüme gelebt wirken und optisch ,stinken‘.“
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