Das Schloss, das übers Meer kam

Ein sächsischer Artillerieoffizier der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und seine frisch vermählte Frau entdecken die Liebe zu Afrika und lassen sich in der Savanne nieder – in einem Schloss, dessen Baumaterial sie aus Europa einschiffen lassen

Die äusseren Umstände hätten ungünstiger nicht sein können. Die Lage des Barons ist nicht nur lebensbedrohlich, sondern darüber hinaus auch noch unbequem. Eine mehrtägige Schiffsreise auf dem Atlantik unter dem Bett seiner Gattin liegend verbringen zu müssen ist für einen 42-jährigen, groß gewachsenen Mann kein Vergnügen, selbst wenn ihm der Whisky ins Versteck gereicht wird. Vor Southampton wird das Schiff obendrein von der britischen Kriegsmarine zum Ankern gezwungen und zwei Wochen lang nach feindlichen deutschen Offizieren durchkämmt. Doch Baron Hansheinrich von Wolf dürfte auch diese Situation mit einem gewissen Humor bewältigt haben, zumal er in seiner amerikanischen Ehefrau Jayta eine Gefährtin gefunden hatte, die mit ihm schon Abenteuerlicheres durchzustehen in der Lage war und zur Not ihr Negligé aufgehen ließ, um einen vor Verlegenheit glühenden britischen Leutnant aus der Kabine zu scheuchen.

Was von Wolf in diese missliche Situation mitten im Ersten Weltkrieg gebracht hat, waren die Zeitläufe und sein Hang zu exzentrischen Unternehmungen. 1904 erreicht die Nachricht des Aufstands der Herero gegen die Deutschen in Südwestafrika auch den 31-jährigen Hauptmann des sächsischen Artillerieregiments in Dresden. Von Wolf meldet sich als Freiwilliger zur sogenannten Schutztruppe, die, anders als in den restlichen deutschen Kolonien, nur aus Deutschen besteht und dazu dient, die Vorherrschaft in dem afrikanischen Land mit aller Gewalt zu stabilisieren. In Europa geht die Rede davon, dass „den armen Wilden“ die rettende Zivilisation beigebracht werden soll; in der Realität wird den südwestafrikanischen Völkern alles genommen, was sie haben.

Der junge Hauptmann will seinem Vaterland dienen, vor allem aber steht ihm der Sinn nach Abenteuer. Auf dem Dampfer „Gertrud Woermann“ werden in Hamburg nebst von Wolf und ein paar Zivilisten 25 Offiziere, 376 Soldaten und 300 Reitpferde eingeschifft. Von Wolf nimmt an den Gefechten gegen die Krieger um den Nama-Häuptling Hendrik Witbooi teil, jenen Mann, der erst an der Seite der Deutschen gegen die feindlichen Herero gekämpft hat, nach grausamen Gemetzeln unter dem Kommando von Lothar von Trotha aber die Seiten wechselt und sich den Deutschen erbittert entgegenstellt (und 1989 postum zum namibischen Nationalhelden ausgerufen wird). Von Wolfs militärische Fähigkeiten sind nicht herausragend. Er verliert Männer und Material im Kampf gegen die Nama, spätere Untersuchungen entlasten ihn, aber mit seinem Ruf steht es nicht zum Besten. Nach eineinhalb Jahren verlässt er das Land und fährt auf Heimaturlaub nach Dresden.

Dort begegnet er einer bemerkenswerten Frau: Jayta Humphreys, 26, Amerikanerin, bildschön, schwerreich und außergewöhnlich unternehmungslustig. Ihr Großvater ist als Produzent homöopathischer Arzneien zu einem beträchtlichen Vermögen gekommen, ihr Stiefvater ist der amerikanische Generalkonsul in Dresden. Von Wolf und Humphreys heiraten bereits nach fünf Monaten, der Gatte erzählt seiner Frau begeistert von den Möglichkeiten, die das staubige Land südlich des Äquators bietet. Er hat einen Traum, den er mit ihr verwirklichen möchte: in Südwest Grund zu erwerben, um ein Gestüt aufzubauen. Der Adelige ohne Ländereien sieht endlich die Möglichkeit, sich seiner Herkunft adäquat zu etablieren.

Drei Wochen nach der Eheschließung brechen die beiden auf und erreichen einen Monat später mit dem Reichspostdampfer „Windhuk“ Swakopmund, das dank des Baubooms und der fünf Jahre zuvor eröffneten Eisenbahnlinie nach Windhoek zu einer kleinen Stadt herangewachsen ist. Die Regierung in Berlin hat nach der Niederschlagung der Herero sieben Millionen Reichsmark aufgewendet, um die deutschen Farmer im Land zu halten. Denn der Krieg hat nicht nur Zehntausende Menschenleben gefordert (Schätzungen gehen von 60 000 Herero, 10 000 Damara und 1400 Deutschen aus), auch ein Großteil der Pferde, Rinder, Ochsen, Schafe und Esel ist an Erschöpfung gestorben oder verdurstet. Tiere aus Europa werden importiert, von Wolfs Ideen passen also durchaus in die Zeit.

Das junge Paar macht sich auf die Suche nach geeignetem Land im Süden der Kolonie. Im August 1907 reicht der Dresdner einen Antrag auf Genehmigung des Kaufes von sieben Farmen ein. Der Distriktbeamte ist entsetzt. 140 000 Hektar, das ist eine absurde Größenordnung, der nicht stattgegeben wird. Von Wolf darf zwei der im Landesinnern gelegenen Farmen kaufen, Schwarzbach und Duwisib, zu je 10 000 Hektar. Doch der sächsische Offizier will mehr, greift zu unlauteren Tricks, die auffliegen, und geht in die Geschichte Südwestafrikas als „der Mann mit dem unersättlichen Landhunger“ ein. Von Wolf ist in mehrerer Hinsicht unersättlich, er trinkt, spielt, scheint keine Grenzen zu kennen. So passt es gut ins Bild, dass er und seine Frau bald ein neues Ziel haben: Ein Schloss wollen sie bauen.


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mare No. 73

No. 73April / Mai 2009

Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen

Zora del Buono und Jörn Vanhöfen waren erstaunt zu sehen, wie klein Schloss Duwisib ist. Wo hat man bloß die vielen Gäste untergebracht? Die rauschenden Feste müssen vor allem von gemütlicher Enge geprägt gewesen sein, was angesichts der kalten Wüstennächte vielleicht nicht unangenehm war.

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Vita Zora del Buono und Jörn Vanhöfen waren erstaunt zu sehen, wie klein Schloss Duwisib ist. Wo hat man bloß die vielen Gäste untergebracht? Die rauschenden Feste müssen vor allem von gemütlicher Enge geprägt gewesen sein, was angesichts der kalten Wüstennächte vielleicht nicht unangenehm war.
Person Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen
Vita Zora del Buono und Jörn Vanhöfen waren erstaunt zu sehen, wie klein Schloss Duwisib ist. Wo hat man bloß die vielen Gäste untergebracht? Die rauschenden Feste müssen vor allem von gemütlicher Enge geprägt gewesen sein, was angesichts der kalten Wüstennächte vielleicht nicht unangenehm war.
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