Das kleine Licht

Ein seltener Beruf, ausgeübt mit Ernst und Würde, ist der des Sueskanalbeleuchters. Er gehört zu jeder Kanalpassage

Ein Mann steht am Bug eines riesigen Frachters. Er hält einen Suchscheinwerfer, eine altmodisch weiß lackierte Trommel. Der gleißende Strahl durchschneidet das Dunkel, huscht über die Wellen, die Tonnen, das Ufer. Die Blicke des Mannes folgen dem Licht, es ist ein nächtliches Spiel mit den Schatten.

Jussif Abd Elazziz ist Beleuchter, Angestellter der Sueskanalbehörde in Ägypten. Mit seinem Lichtstrahl weist er dem Lotsen den Weg durch die Nacht. Männer wie er sind fester Bestandteil einer jeden Sueskanalpassage. Denn während sonst fast überall auf der Welt die Seezeichen befeuert sind, muss man sie hier mit hohem Personalaufwand vom Schiff aus beleuchten. Ein anachronistisches Kuriosum. Warum nur?

Die Canal Mooring & Light Company hält 120 Projektoren bereit. Und sie stellt auch die Männer, die sie bedienen. Kosten für den Reeder: 290 US-Dollar je Passage. Der Kanal sei wie eine Melkmaschine, sagen manche. Die Wasserstraße ist die drittgrößte Einnahmequelle des Landes nach Tourismus und Öl, jedes Jahr fließen rund drei Milliarden Euro in die Staatskasse.

Die Beleuchter an Bord zu nehmen ist nur eine von vielen Auflagen, die ein Schiff erfüllen muss, wenn es durch den Kanal will. Ein Lotse muss an Bord. Dazu zwei Beleuchter plus, je nach Größe des Schiffes, drei oder sechs Festmacher in kleinen Booten, die startklar an der Bordwand hängen und im Fall eines Falles sofort handeln. Sie kennen jede Tonne – alle 125 Meter wartet eine –, und sie wissen, wie man ein Schiff sehr schnell daran vertäut.

Denn der Sueskanal hat seine Tücken. Von Port Said am Mittelmeer durch die Bitterseen bis zum Golf von Sues, der in das Rote Meer mündet, sind es 176 Kilometer. 13 bis 17 Stunden brauchen die Schiffe. Sie fahren in Konvois, denn ein Teil der Strecke ist zu schmal, als dass sie sich begegnen oder überholen könnten. In jedem sammeln sich 15, 20, manchmal auch 25 Schiffe. Die Frachter vorneweg, die dicken Öltanker zuletzt. Dicht an dicht, wie Perlen auf der Schnur, drei Minuten Abstand von einem Schiff zum andern. Zwar fahren die Schiffe langsam – je nach Streckenabschnitt nur sechs bis acht Knoten –, „aber drei Minuten sind auch wenig“, sagt Jussif Abd Elazziz. Wenn eins aufläuft oder die Maschine versagt, müssen die anderen sofort stoppen.

Seit mehr als 30 Jahren tut Abd Elazziz hier im Kanal seinen Dienst. Steigt in Port Said auf ein Schiff und in Sues wieder hinunter. Kauert die Nacht über am Bug, wacht darüber, dass der Scheinwerfer nicht ausgeht. Und repariert ihn, wenn er das doch tut. „Passiert aber nie“, sagt er. Trotzdem: Zu schlafen, das ginge gegen die Ehre. Das tut er erst, wenn die Sonne aufgeht.

Im Hafenbüro meldet er sich zum Dienst. Der Raum ist karg, an der Wand quakt ein Funkgerät, daneben steht ein Tisch mit einem Buch fürs Protokoll. Im Nachbarraum, in einem Regal, werden die Scheinwerfer gelagert. Für Jussif Abd Elazziz ist die Nummer 355 reserviert. Er testet sie, wischt den Staub ab, und los geht es, zu den Barkassen.

Im Hafen leuchten die Lichter der Pier, Containerkräne recken sich in die Nacht. Abd Elazziz geht an Deck einer Barkasse. Der Bug der „Human Bridge“ schiebt sich am Hafenbüro vorbei, eine riesige, gespenstische eckige schwarze Kiste. Die Barkasse legt ab, Schraubenwasser quirlt.


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  mare No. 72

No. 72Februar / März 2009

Von Cornelia Gerlach und Anselm Kissel

Cornelia Gerlach, Jahrgang 1960, lebt als freie Reporterin in Berlin. Sie ist in Bremerhaven aufgewachsen und kennt den Sueskanal seit frühester Kindheit – aus Erzählungen von einem Nachbarn. Der war Lotse und schwärmte von einer Wasserstraße in der Wüste, wo das große Geld lockte.

Anselm Kissel, Jahrgang 1977, ist freier Fotograf in Paris. Die Idee zur Geschichte kam ihm auf einer Kreuzfahrt durch den Sueskanal, als ein „spezieller“ Beleuchter an Bord musste. Doch bis zur Reportage vergingen sechs Monate. Erst dann hatte er die Fotogenehmigung von den ägyptischen Behörden.

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Vita Cornelia Gerlach, Jahrgang 1960, lebt als freie Reporterin in Berlin. Sie ist in Bremerhaven aufgewachsen und kennt den Sueskanal seit frühester Kindheit – aus Erzählungen von einem Nachbarn. Der war Lotse und schwärmte von einer Wasserstraße in der Wüste, wo das große Geld lockte.

Anselm Kissel, Jahrgang 1977, ist freier Fotograf in Paris. Die Idee zur Geschichte kam ihm auf einer Kreuzfahrt durch den Sueskanal, als ein „spezieller“ Beleuchter an Bord musste. Doch bis zur Reportage vergingen sechs Monate. Erst dann hatte er die Fotogenehmigung von den ägyptischen Behörden.
Person Von Cornelia Gerlach und Anselm Kissel
Vita Cornelia Gerlach, Jahrgang 1960, lebt als freie Reporterin in Berlin. Sie ist in Bremerhaven aufgewachsen und kennt den Sueskanal seit frühester Kindheit – aus Erzählungen von einem Nachbarn. Der war Lotse und schwärmte von einer Wasserstraße in der Wüste, wo das große Geld lockte.

Anselm Kissel, Jahrgang 1977, ist freier Fotograf in Paris. Die Idee zur Geschichte kam ihm auf einer Kreuzfahrt durch den Sueskanal, als ein „spezieller“ Beleuchter an Bord musste. Doch bis zur Reportage vergingen sechs Monate. Erst dann hatte er die Fotogenehmigung von den ägyptischen Behörden.
Person Von Cornelia Gerlach und Anselm Kissel