Das Dilemma mit der Fleischeslust

Der Koch auf einem Luxusliner muss ahnen, was seine Gäste wünschen. Denn eingekauft wird vor der Abfahrt

Es gibt da die Sache mit dem Silberbesteck. Das läuft auf See schneller an, deshalb muss es immer mal wieder nach Hamburg ins Tauchbad geschickt werden. Dazu das Problem mit dem Geschirr, das qua Seegang recht häufig zu Bruch geht. So etwas muss bedacht und kalkuliert werden.

Dann ist da auch noch das Elend mit der Enge, die ein höchst diszipliniertes Arbeiten erfordert. Und natürlich die Angelegenheit mit den Amerikanern. Die verlangen nämlich für jedes einen amerikanischen Hafen anlaufende Schiff verschärfte Hygienebestimmungen. Sie haben ein geradezu absurdes Regelwerk entwickelt, mit dem sie die internationale Seefahrt quälen. So kommen Inspektoren an Bord und prüfen unter anderem den Chlorgehalt in den Spülmaschinen. Es müssen an Bord rote Schneidbretter für gekochtes Fleisch, braune für rohes, grüne für Gemüse, weiße für Früchte, blaue für Fisch und gelbe für Huhn verwendet werden.

Nicht zuletzt stellt sich immer wieder die Frage der wochenlangen Lagerung und – großes logistisches Problem – das Thema Einkauf. Sojamilch für Lactoseallergiker gibt es an der ostafrikanischen Küste kaum. Solche Dinge müssen aus Hamburg kommen; in Kapstadt wurde der letzte Container mit Papier, Servietten, Geschirr und speziellen Lebensmitteln angeliefert.

Die Siebentagewoche in einer Küche, die sich wegen der Öfen und Herde bis auf 55 Grad Celsius aufheizt, sind für Bischoff und seine elf Leute auch nicht eben eine Freude; quer lüften ist schlecht möglich. Viele, viele Dinge also, die widrig sind und das Arbeiten an Bord mühsam machen, und manch einen Koch, der von der Seefahrt geträumt hat, so schnell als möglich wieder von Bord gehen ließen.

Nicht so den 27-jährigen Küchenchef aus Essen. Er liebt das Leben auf schwankendem Boden und in fremden Häfen; das Einkaufen auf Märkten in der Südsee, in Asien, in Afrika; die Autofahrten mit Reedereiagenten durch wildfremde Städte. Viel arbeiten, viel sehen, viel Spaß – so lange die Energie reicht. Nachts im Indischen Ozean unterm Sternenhimmel bei der Crewparty zu tanzen, das Hemd locker über den Jeans hängend – das gibt ein gutes Lebensgefühl. Am nächsten Tag ein üppiges kreolisches Buffet vorzubereiten ebenso.

Großgeworden ist Bischoff in einer Wirtsfamilie, gelernt hat er bei Sheraton, die erste Tour machte er mit der luxuriösen „Europa“ als einer von vielen Köchen. Jetzt hat der smarte junge Mann die Küche der „Bremen“ unter sich.

Auch ein kleines Kreuzfahrtschiff wie die „Bremen“ mit ihren 170 Passagieren und 110 Crewmitgliedern braucht ein effizient logistisches Management. Das „Pentagon“ auf Deck 3 ist ein winziger Raum, den sich die Hausdame, der Foodmanager, die Restaurantchefin und Küchenchef Bischoff teilen müssen. Auf diesen zehn Quadratmetern wird alles geplant, entschieden und bestellt. Der Foodmanager hat je Passagier ein Budget zur Verfügung, mit dem er haushalten muss. Auf den Seychellen war das Einkaufen zwar ein Vergnügen, der Fisch hatte eine wunderbare Qualität, aber eben auch einen hohen Preis. Also musste neu kalkuliert werden.

Auf dem Fischmarkt von Dschiddah, da war sich Bischoff sicher, kann er einkaufen. Saudi-Arabien ist wohlhabend, und auch der Agent an Land hat Großes versprochen. In der Tat: Der Fischmarkt war vielfältig, Fische enormen Ausmaßes lagen auf Eis und in schattigen Hallen. Dennoch ließ Alexander Bischoff die Finger davon, denn es schlichen Katzen zwischen den Ständen herum. Wo Katzen sind, können Krankheiten auftauchen. Krankheiten und Katzen gehören gewissermaßen zusammen. Und Seuchen an Bord sind der Alptraum jeder Reederei.

Auch im jordanischen Aqaba klang alles vielversprechend. Tiefgefrorenes Fleisch erster Qualität sollte es sein; Bischoff bestellte Filet, denn im Moment scheinen besonders fleischeslustige Passagiere an Bord zu sein. Aufgetaut sah es anders aus: knorpelig, triefend vor Fett, wässrig, eine traurige Qualität. Den Gästen unmöglich zuzumuten. Was tun? Den Speiseplan ändern, das ungenießbare Fleisch durch den Schredder und hinaus zu den Fischen.

Also, summa summarum: Sechs Mal täglich auf dem Meer eine Vier-Sterne-Küche zu zaubern ist eine komplexe Angelegenheit. Und da wäre noch die Sache mit den Filipinos: Die essen gerne ihre Gerichte aus der Heimat; eine Mahlzeit ohne Reis ist undenkbar. So kochen Bischoff und seine Leute drei Mal: für die Passagiere, für die europäische Besatzung und für die Filipinos.


Seychellisches Fischcurry Kari Pwason

Zutaten

500 Gramm frischer Tunfisch, zwei Tomaten, eine rote Zwiebel, zwei Zentiliter Weißweinessig, sechs Zentiliter Öl, eine Knoblauchzehe, zehn Gramm rote Currypaste, ein halber Liter Fischfond, Kurkuma, gemahlener Fenchel und Salz.

Zubereitung

Den Fisch und die Tomaten in Würfel schneiden und mit Currypaste, Kurkuma, Essig und Salz marinieren. Das Öl in einem Topf erhitzen, den Knoblauch fein hacken und mit dem Fenchel im Öl anschwitzen. Den Fisch hinzugeben und eine Viertelstunde dünsten. Mit Basmatireis servieren.

mare No. 48

No. 48Februar / März 2005

Von Zora del Buono

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

Mehr Informationen
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono
Vita Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono