Das bisschen Stoff

Weit weg vom Strand, tief im Hinterland: Das BikiniARTmuseum in Bad Rappenau feiert die winzige Textilie, die vor 75 Jahren die Welt erregte

*Acht, neun, zehn, na, was gab’s denn da zu sehen?
Ein Ort, so weit wie nur irgend möglich entfernt von seiner Bestimmung. Wer bei Bikini an Meer und Strand denkt, an Wellen und Sonne, an ungestörte Zeit fern vom grauen Alltag, der kennt das Bikini-ARTmuseum nicht. Die in diesem Fall stoffreiche Geschichte des Badezweiteilers wird in Baden-Württemberg an der Autobahn A6 ausgebreitet, gleich neben der Abfahrt Nr. 35 nach Bad Rappenau. Die Umgebung ist, vorsichtig gesagt, unverdächtig. Ein Autohof samt Tankstelle und „Best Western“-Hotel, ein Fahrzeughändler und ein unglamouröser Betrieb für Heizungs- und Klimatechnik. Nebenan gibt es den Silo- und Tankanhängerservice. Wäre es nicht doppeldeutig, man müsste sagen, diese Bikinizone ist so was von öde.

*Eins, zwei, drei, na, was ist denn schon dabei? / Es war ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini / Er war schick, und er war so modern.

Und inmitten dieser Funktionsbauten und Männerarbeitsstätten das Museum, aufgehübscht mit Pastellfarben und Art-déco-Elementen, wie eine Sandburg auf einem Parkplatz. Vor dem Eingang bunte Riesenbuchstaben und Strandkörbe. Ach, wer sich da räkeln könnte – mit Blick auf die Landstraße 1107. Auf dem Dach thront zehn Meter groß die Symbolfigur Janara, eine junge Frau im roten Zweiteiler, die, halb verspielt, halb kämpferisch, Boxhandschuhe reckt und von weiblicher Selbstbestimmung künden soll. Linker Haken, rechte Gerade und dabei bella figura.

Bikini, zwei Stücke Stoff, die verbergen und enthüllen, die bedecken und preisen. Mit Punkten, Streifen, Blumen, Rüschen. Ein ziemlich vertracktes Utensil: einst schockierend knappe Badebekleidung, die Aufsehen garantierte, dann Signal mondäner Ferne und weiblicher Grandezza, schließlich akzeptierter Ausdruck alltäglicher Schwimmgewohnheit.

Alles ist Bikini: Sexbomben und Atomversuche, Konventionenaufbruch und Emanzipation, Fanal der Befreiung wie Objekt der Begierde, Ausdruck weiblicher Selbstermächtigung und zugleich Symbol männlicher Blickordnung. Also praktisch Sex und Sexismus. Je kleiner die zwei Teile, desto größer der Anschein. Und weil die Zeiten sich ändern, ist der Bikini im Wandel. Was er einst signalisierte, gerät unter Verdacht, sowohl bei Trägerinnen als auch in Bezug auf die Betrachter der Schöpfung. Jedenfalls ist es kein Zufall, dass heute der einteilige Badeanzug wieder beliebt ist. Alles, was auf den Bikini projiziert wurde, hängt nun schwer an diesem Teil. Historie und einstige Bedeutung. Ballaststoff, wohin man blickt. Die Unschuld, falls je vorhanden, ist weg.

*Der Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini / Ja, der gefiel ganz besonders den Herrn.

Klar, dass es deshalb nicht leicht ist, den Bikini im Museum auszustellen. Der Besitzer der Autohofkette kam auf die Idee. Er gründete ein Privatmuseum und erwarb eine Bademodensammlung aus Frankreich, darunter einige legendäre Stücke. Das Haus verspricht eine bunte, optimistische Szenerie voll Sonne, Freiheit, Strandvergnügen. Staunend geht man durch die Räume und Etagen. Die großenteils Nachkriegsgeschichte blättert sich auf, als habe sie das verhüllende Kleid abgelegt. So ganz zufällig ist Bad Rappenau dann doch nicht der Standort, mit Felina, einst Korsettmanufaktur, und Benger-Ribana gab es zwei Bademodenhersteller vor Ort. Der Titel „Hauptstadt der Bademode“ ist aber etwas zu viel versprochen.

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mare No. 147

mare No. 147August / September 2021

Von Holger Kreitling

Der Autor Holger Kreitling ist zufrieden mit Badehosen und trägt nie Bikini. Seine Beziehung zu „Itsy Bitsy Teenie Weenie“ ist geprägt von Billy Wilders Komödie „Eins, zwei, drei“ von 1961. Da setzt die Staatssicherheit in Ostberlin das Lied als Foltermethode ein.

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Vita Der Autor Holger Kreitling ist zufrieden mit Badehosen und trägt nie Bikini. Seine Beziehung zu „Itsy Bitsy Teenie Weenie“ ist geprägt von Billy Wilders Komödie „Eins, zwei, drei“ von 1961. Da setzt die Staatssicherheit in Ostberlin das Lied als Foltermethode ein.
Person Von Holger Kreitling
Vita Der Autor Holger Kreitling ist zufrieden mit Badehosen und trägt nie Bikini. Seine Beziehung zu „Itsy Bitsy Teenie Weenie“ ist geprägt von Billy Wilders Komödie „Eins, zwei, drei“ von 1961. Da setzt die Staatssicherheit in Ostberlin das Lied als Foltermethode ein.
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