Campers Traum

Ein kahler Parkplatz an der Nordsee ist beliebter Ferienort für mobile Camper. Ein bisschen verrückt vielleicht. Aber die Aussichten sind gut

Mittag. Frau Koch hat sich eine Schale mit Weintrauben geholt. Sie macht es sich in ihrem Campingstuhl bequem. „Wissen Sie eigentlich, wie viel Jod hier in der Luft ist? Das ist gut für die Atmung. Wir kommen deswegen immer ohne Erkältung über den Winter.“ Herr Koch liest Zeitung.

Ältere Herrschaften im Schatten ihres Wohnmobils; vor ihnen die Nordsee und die Elbe, die sich kurz vor der Mündung breit macht. Eine Leitplanke schiebt sich quer ins Panorama. Davor eine Art Betonwall. Ein stählernes Geländer dazu. Ein weiterer Zaun. Rostiger Stacheldraht.

Die Kochs machen Ferien am alten Fährhafen von Cuxhaven. Das ist eine durchgehend gepflasterte Fläche, etwa 200 Meter im Quadrat, ohne Baum und Strauch. „Bei Regen“, sagt Frau Koch, „holt man sich wenigstens nicht so viel Dreck in den Wagen.“

Ihr Paradies ist auf drei Seiten vom Wasser umgeben, das heißt, wenn man sich die Hafenanlagen und all die Absperrungen wegdenkt. Es ist mehrfach umzäunt, es hat etwas von Alcatraz. Früher war hier ein Verladeterminal. Seit ein paar Jahren dürfen Wohnmobile hier stehen.

Offiziell handelt es sich um einen Parkplatz. Das scheint rein äußerlich auch die einzig denkbare Nutzung zu sein. Den Regeln nach dürfen die Nutzer keine Markisen ausfahren und ihre Campingmöbel nicht vor die Wagen stellen. Einen Stromanschluss gibt es nicht. Doch Wohnmobile der jüngsten Generation verfügen über Sonnenkollektoren, Dieselgenerator, Kühlschrank, Klosett und Dusche. „Tante Emmas Lädchen“ bringt den Leuten jeden Morgen Brötchen und „Bild“-Zeitung an die Tür. Vormittags kassiert jemand die Parkgebühr. Kochs haben eine Woche im Voraus bezahlt, sieben Euro am Tag. „Viel günstiger als auf einem Campingplatz.“ Mitten in der Wüste steht neben Müllcontainern ein Schaukasten: „Um möglichst vielen eine gute Aussicht zu gewährleisten, bitte nur so parken. Danke.“

Es geht um den Seeblick. Um die erste Reihe von Cuxhaven. Im Sommer steht mitunter der ganze Platz voll. An die 500 Fahrzeuge, heißt es. Jetzt ist Nebensaison, aber die Nordseeseite ist immer noch dicht. Hinten lauern die Neuen, dass vorn jemand wegfährt. Alle Frontscheiben zeigen aufs Meer. Auf den Armaturenbrettern befinden sich Platzdeckchen, Schiffsmodelle und ein Miniaturleuchtturm.

Frau Koch hat sich einen Teller mit Tomaten dorthin gestellt. Jedes Jahr stehen sie hier für mehrere Wochen. Normalerweise wohnen sie in Stade, ein Stück flussaufwärts. Der Parkplatz, sagen sie, ist unser Zweitwohnsitz.


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mare No. 49

No. 49April / Mai 2005

Von André Mielke und Nikolaus Geyer

Text: André Mielke

Fotos: Nikolaus Geyer

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Vita Text: André Mielke

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Person Von André Mielke und Nikolaus Geyer
Vita Text: André Mielke

Fotos: Nikolaus Geyer
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