C 3... Treffer... versenkt

Bei dem Kinderspiel gibt es nur einen Feind: den Lehrer

Wenn nicht gerade der Präsident der USA einen besonderen PR-Gag im Sinn hat und seinen Generalstabschef zur Seeschlacht auf Papier bittet, ist das Spielchen „Schiffeversenken“ eher still, unauffällig und diskret. Seine fast lautlosen Attacken und die Waffenwirkung im Flüsterton machen Schiffeversenken zum idealen Zeitvertreib gelangweilter Schüler. Stets stehen sich zwei feindliche Flotten gegenüber, aber die Flottenchefs sitzen friedlich nebeneinander. Im Kampf gegeneinander haben sie immer ein Auge auf den gemeinsamen Gegner, den Lehrer – als möglichen Spielverderber. Die eigene Gegnerschaft verblasst dagegen. Jeder will gewinnen, aber keiner den Zorn des „Überfeindes“ zu spüren bekommen.

Zudem verbindet der gemeinsame Regelverstoß mehr, als der Frust über die versenkte Flotte entzweien mag – es ist ja nur ein Spiel. Natürlich bedarf die eigene Schlachtordnung des Sichtschutzes vor der gegnerischen Aufklärung. Doch Mogeln ist ausgeschlossen, am Ende werden die Eintragungen auf den „Seekarten“ verglichen. Das Spiel zwingt zur Ehrlichkeit.

Als Strategiespiel ist Schiffeversenken, anders als das dynamische Schach, ein statisches. Einmal aufgestellt, lassen sich die Positionen der Einheiten nicht mehr verändern. So ist es auch ein Spiel des passiven Erduldens, ohne Gegenwehr, eigentlich ein Ratespiel: Welche Formation hat der gegnerische Admiral wohl gewählt?

Doch warum werden ausgerechnet Schiffe versenkt und keine Panzer in die Luft gejagt? Ich vermute: Der unbekannte Erfinder hat Schiffe als Spielfiguren gewählt, weil Schiffe schön, schlank und die Fantasie anregende Phallussymbole sind. So lange sie schwimmen, heben sie sich eindeutig gegen das Wasser ab, sind gut sichtbar. Wird ein Schiff richtig getroffen, geht es unter, sauber und rückstandsfrei. Keine unästhetisch mahnenden Wracks, keine Leichen, kein Blut. Das Meer deckt alles zu. Ein Flugzeugträger in Waffenreichweite hat in der Zieloptik eines U-Boot-Periskops gerade mal die Größe eines Fünfmarkstücks. Immer häufiger sind Seeziele nur noch Leuchtpunkte auf dem Radarschirm.

Seekrieg war der erste Abstandskrieg der Geschichte. Abstand macht frei. Abstand des Waffenauslösers zur scheußlichen Waffenwirkung in Seemeilen erlaubt Abstand, ja Distanzierung im Denken und Fühlen, in der Betroffenheit und der Verantwortung für das eigene Tun und seine Folgen. Heute ist jeder moderne Krieg, zu Wasser, zu Lande und in der Luft elektronischer Abstandskrieg. Knopfdrücker und Opfer bleiben sich unbekannt. Kein Erschrecken, kein Entsetzen, keine Chance für Pardon.

Schiffeversenken ist Unterhaltung. Das Knöpfedrücken im Hightech-Krieg ist kein Schiffeversenken. Als jemand, der die Untauglichkeit moderner Militärapparate zur Bewahrung des Friedens einerseits und die Untauglichkeit moderner Gesellschaften zum Überleben unter heutigen Kriegsbedingungen andererseits erkannt hat, wünsche ich mir, dass darüber gelegentlich nachgedacht wird. Vielleicht sogar beim Schiffeversenken.

mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Von Flottillenadmiral a.D. Elmar Schmähling

Elmar Schmähling, 1937 geboren, seit 1957 bei der Bundesmarine, 1982 – 90 Admiral und einer der Chefstrategen der Bundesmarine. 1990 wegen öffentlicher Kritik an der Nato aus dem Dienst geschieden. 1998 Wahlkämpfer für die PDS

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Vita Elmar Schmähling, 1937 geboren, seit 1957 bei der Bundesmarine, 1982 – 90 Admiral und einer der Chefstrategen der Bundesmarine. 1990 wegen öffentlicher Kritik an der Nato aus dem Dienst geschieden. 1998 Wahlkämpfer für die PDS
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Vita Elmar Schmähling, 1937 geboren, seit 1957 bei der Bundesmarine, 1982 – 90 Admiral und einer der Chefstrategen der Bundesmarine. 1990 wegen öffentlicher Kritik an der Nato aus dem Dienst geschieden. 1998 Wahlkämpfer für die PDS
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